Geert Wilders „Partei für die Freiheit“ (Partij voor de Vrijheid) hatte monatelang an Zustimmung gewonnen. Im August letzten Jahres errechneten Umfrageinstitute für Wilders einen Wähleranteil von 25 Prozent. In den letzten Wochen allerdings – ausgerechnet vor den Wahlen – wendete sich das Blatt, und der 53-Jährige fiel zurück.
Letzte Meinungsumfragen geben ihm noch 13 Prozent. Mark Rutte, der regierende Ministerpräsident und seine rechtsliberale VVD sollen auf etwa 16 Prozent kommen.
Auch wenn die regierenden Rechtsliberalen die stärkste Partei bleiben, so müssen sie doch mit starken Einbussen rechnen. Hatten sie bei den Wahlen von 2012 noch 41 Sitze erobert, könnten es diesmal nur zwischen 25 und 28 sein.
Wilders: auf und ab
Allerdings wurden die jüngsten Meinungsumfragen direkt vor dem hässlichen Schlagabtausch zwischen der Türkei und den Niederlanden durchgeführt. In der Nacht zum Donnerstag werden wir erfahren, welche Auswirkungen diese Eskalation auf das Wahlergebnis hat.
In Anlehnung an Trumps Slogan wirbt Wilders mit dem Schlagwort „Make the Netherlands Great Again“. Dies, obwohl sich die niederländische Wirtschaft in recht gutem Zustand befindet.
Wilders, der gegen den Islam, die EU, den Euro und gegen die Aufnahme von Flüchtlingen kämpft, war mit seiner Partei 2006 erstmals bei Parlamentswahlen angetreten. Auf Anhieb erzielte er 5,9 Prozent der Stimmen. Bei den Wahlen 2010 kam er auf sensationelle 15,5 Prozent. 2012 jedoch fiel er zurück auf 10,1 Prozent.
Wie Wilders Partei an diesem Mittwoch auch immer abschneidet: regieren wird sie nicht. Alle etablierten Parteien haben es kategorisch ausgeschlossen, mit ihm eine Koalition einzugehen. Die Chance, dass es eine solche Koalition mit ihm gibt, „liegt nicht bei 0,1 Prozent, sondern bei 0,0 Prozent“, erklärt der bisher regierende Ministerpräsident Mark Rutte. Wilders ist das einzige Mitglied seiner Partei. Sein Parteiprogramm hat auf einer A4-Seite Platz.
Der ermordete Rechtspopulist
Geert Wilders ist nicht der erste bekannte rechtspopulistische Politiker in den Niederlanden. Er trat in die Fussstapfen von Pim Fortuyn, der auf der „Lijst Pim Fortuyn“ (LPF) 2002 für die Parlamentswahlen kandidierte. Fortuyn, ein Soziologe, wurde kurz vor den Wahlen, am 6. Mai 2002, von Volkert van der Graaf, einem „weissen Niederländer“, einem Umweltaktivisten, auf dem Parkplatz des niederländischen Fernsehens und Radios in Hilversum erschossen.
Fortuyn hatte sich gegen die „massenweise Aufnahme“ von Asylbewerbern und gegen den Islam ausgesprochen („Den Islam sehe ich als eine feindliche Gesellschaft und als ausserordentliche Bedrohung.“). Es war ihm gelungen, die politische Parteienlandschaft der Niederlande aufzumischen. Auch wenn nur wenige seine radikalen Ansichten teilten, war seine Ermordung ein Schock für die weltoffenen Niederlande, in der nach Ansicht vieler alle politischen Meinungen zum Zuge kommen sollen. Die Feier zu seinem Gedächtnis entwickelte sich schon fast zu einer Art Staatsbegräbnis. Begraben wurde Fortuyn schlieslich in Italien. Seine Ermordung trug zum Aufstieg von Geert Wilders bei. Er war schon 1998 erstmals ins Landesparlament gewählt worden, damals allerdings noch als Liberaler auf der Liste der rechtsliberalen VVD.
Charmanter grüner Hoffnungsträger
Interessant wird das Abschneiden der Links-Grünen sein. Die GL-Partei („GroenLinks“) des 30-jährigen Grünen-Chefs Jesse Klaver könnte über 10 Prozent der Stimmen erobern und ihren Sitzanteil im Parlament auf 13 bis 18 Sitze vervierfachen. Sein Vater hat marokkanische und seine Mutter niederländisch-indonesische Wurzeln. Als 23-Jähriger eroberte er einen Sitz im Landesparlament. Klaver gilt als intelligent, schlagfertig, charmant und Hoffnungsträger vieler junger Niederländer. Die Medien bezeichnen ihn als Gegenentwurf zu den Rechtspopulisten.
Die Niederlande wurden seit den vorgezogenen Neuwahlen vom 12. September 2012 von einer Koalition der rechtsliberalen VVD-Partei von Ministerpräsident Rutte und der sozialdemokratischen PvdA-Arbeiterpartei regiert. Die vorgezogenen Neuwahlen waren im Herbst 2012 nötig, weil die Koalitionsregierung, die damals aus der VVD und den Christdemokraten bestand, sich nicht durchsetzen konnte.
Die Arbeiterpartei im freien Fall
Zu einer Neuauflage einer Koalition zwischen Rechtsliberalen (VVD) und der sozialdemokratischen Arbeiterpartei (PvdA) wird es diesmal wohl nicht kommen. Da die Sozialdemokraten die rigorosen Sparmassnahmen und die neoliberale Politik von Ministerpräsident Rutte mitgetragen hatten, sind sie in der Wählergunst stark eingebrochen. Die Arbeiterpartei könnte laut Umfragen bis zu 25 ihrer 35 Sitze verlieren.
Die Meinungsumfragen sind nicht nur deshalb mit Vorsicht aufzunehmen, weil sie vor dem heftigen Streit zwischen Ankara und Den Haag durchgeführt worden waren. Sobald es um emotionale Themen wie den Islam, Europa und Asylbewerber geht, sind Umfragen erfahrungsgemäss problematisch. Auch Ministerpräsident Rutte schloss nicht kategorisch aus, dass Wilders Partei stärkste Formation werden könnte. Unsicherheit besteht auch, weil, je nach Umfrage, Ende letzter Woche bis zu 50 Prozent der Befragten noch „nicht ganz sicher“ waren, wen sie wählen werden.
Insgesamt sind 28 Parteien zu den Wahlen in die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments zugelassen. Eine 5-Prozent-Hürde gibt es nicht; deshalb haben auch Kleinstparteien eine Chance, ins Parlament einzuziehen.
Wie weit die Wahlen in den Niederlanden Einfluss auf die Wahlen in Frankreich (23. April/7. Mai) und auf die Bundestagswahl in Deutschland am 24. September haben, ist umstritten.
*) Poll of Polls: Die Werte sind ein Mittelwert der Ergebnisse folgender Institute: I & O Research, Ipsos, Kantar Public, LISS panel, Peil.nl und EenVandaag.
VVD, Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (rechtsliberal), die bisherige Regierungspartei, angeführt von Ministerpräsident Mark Rutte
PvdA, Partij van de Arbeid (sozialdemokratisch), Lodewijk Asscher, bisherige Koalitionspartei der VVD
PVV, Partij voor de Vrijheid (rechtspopulistisch), Geert Wilders
SP, Socialistische Partij (sozialdemokratisch, EU-kritisch, globalisierungskritisch), Emile Roemer
CDA, Christen Democratisch Appèl (christdemokratisch), Sybrand van Haersma Buma
D66, Democraten 66 (linksliberal), Alexander Pechtold
GL, GroenLinks (inks-grün), Jesse Klaver