Das Festival ist eine Hommage an die menschliche Stimme und ihre Vielfalt, ein Zusammenspiel verschiedener Ausdrucksformen: Tanz, Gesang, Chormusik, Rock, Pop, Klassik, Jazz – alles zeit- und stilübergreifend. Präsentiert wurden die Aufführungen an diversen Spielorten im Dreiländereck.
Höhepunkt war „stella orfeo“ im Römischen Theater Kaiseraugst. Die dreiteilige Produktion, gesungen von Basler Madrigalisten und getanzt von der italienischen ‚Compagnia Aterballetto’, kreist, wie das Motto des diesjährigen Festivals, um den Orpheus-Mythos; das Bild des Menschen, der mit seinem Gesang die Natur und deren bösen Kräfte bannt.
Claudio Monteverdi hat 1607 in Mantua das Urwerk zu Orpheus und damit die erste Oper der Musikgeschichte gestaltet. Seine Musik kommt in "Orfeo", dem Anfangsstück der Madigalisten in Auszügen vor. Doch diese Version zeigt nicht die Geschichte von Orpheus und Eurydike, sondern wird beschrieben als „die Suche nach jenen geheimnisvollen Kräften, die in der menschlichen Natur rastlos das Verlangen nach Kunst und zugleich ihre Existenzberechtigung hervorbringt“.
Der Mittelteil wurde getanzt von der Companie Aterballetto, der wichtigsten unabhängigen Ballettgruppe Italiens, die Tänzer aller Stile umfasst, die die Kreationen ihres Choreographen Mauro Bigonzetti mit Ausdruckskraft interpretieren. Dieser schuf mit seinem „Canto per Orfeo“ ein Werk, so Aterballetto, „zwischen Komödie und Tragödie, dem brutalen und dem Göttlichen, zwischen Leben und Tod. Es soll das Zittern der im Körper gefangenen Seele, darstellen, die sich nach der Wiedergeburt sehnt.“
Musikalisch begleitet wurde die Truppe vom Trio Kitarodia, dessen Sängerin Lorella Monti mit ihrer typisch neapolitanischen Singweise und vollen, expressiven Stimme einen temperamentvollen Gegenpol zum vorherigen ruhigen und fein orchestrierten Madrigal schuf.
Hans Werner Henzes „Orpheus hinter dem Stacheldraht“, das Schlussstück des Abends, zeigte dann wie aktuell und hochpolitisch der Orpheus-Mythos auch heute noch in der zeitgenössischen Musik ist.
Henze stützte sein Libretto auf Gedichte des englischen Dramatikers Edward Bond, der alle Regime weltweit an den Pranger stellt, die Menschenraub, Folter und Mord zulassen. Henze tut dies mit einer scheinbar schwebend melancholischen Musik, die jedoch so intensiv ist, dass sie tief in die Seele greift. Die Basler Madrigalisten mit ihrem präzisen Gesang, sowie die Atmosphäre der beginnenden Nacht, der Fackeln und der Ruine des antiken Theaters trugen ein Weiteres zu einem eindrücklichen Erlebnis bei.
Unter dem diesjährigen Motto „Der Freiheit viele Stimmen“ traten an 25 Tagen 40 Ensembles und Bands an acht diversen Veranstaltungsorten in Deutschland, Frankreich und der Schweiz auf und bespielten ein stilistisches Spektrum vom US-Retrorock des Lenny Kravitz bis zur Renaissancemusik des Vokalensembles Gallicantus. Das reichhaltige Programm brachte eine Zuschauersteigerung, wie auch die Beteiligung an den diversen Workshops, die zum eigenen Singen anregten. Diese Workshops, wie auch die Talentschmiede ‚Voicelab’, die Singförderung in Schulen und Kindergärten betreibt, werden weitergeführt bis zum nächsten STIMMEN-Festival im Juli 2013.