In beiden Staaten hat dies zu inneren Krisen geführt, weil verschiedene Volksgruppen unterschiedliche Ziele anstreben, die ihnen von rivalisierenden Politikern vorgelegt werden. In beiden Ländern versucht man zurzeit einen «Nationalen Dialog» zu führen, der dazu dienen soll, den Abstieg in ein drohendes Chaos des Staatszerfalls zu vermeiden und womöglich den Weg zu der erhofften Demokratie zu öffnen.
Unterschiede im Stand des politischen Prozesses
Natürlich gibt es auch bedeutende Unterschiede in den Einzelheiten. In Tunesien sind am 23. Oktober 2011 echte Wahlen abgehalten worden, die zur Bildung einer Verfassungsversammlung führten, welche auch als provisorisches Parlament dient. Deshalb gibt es dort auch eine aus Wahlen hervorgegangene Regierungskoalition, in welcher die demokratisch ausgerichtete islamische an-Nahda Partei die führende Rolle spielt.
Im Jemen hat es am 21. Febuar 2012 auch Wahlen gegeben, aber es waren Präsidentschaftswahlen mit einem einzigen Kandidaten, dem bisherigen Vizepräsidenten, Abdrabbo Mansour Hadi, der so ein «gewählter» Präsident wurde. Ein gewähltes Parlament gibt es bislang nicht.
Dialog und Suche nach Eintracht
Beide Länder sind in innere Krisen geraten, die es nicht erlaubt haben, den vorgesehenen Weg zu demokratischen Regimen geradeaus weiterzugehen. Deshalb haben beide Staaten einen Dialog der letzten Stunde begonnen, der dazu führen soll, dass der Weg zu demokratischen Wahlen und zur endültigen Einrichtung eines demokratischen Regimes frei werde.
In Tunesien entstand eine mächtige Opposition, die sich zwar auf eine Minderheit in der parlamentarischen Versammlung, aber auf immer wachsende Zahlen von Demonstranten aus der Bevölkerung stützen konnte. Diese Opposition erklärte sich als «säkularistisch», weil sie einen islamisch gefärbten Staat ablehnte und darauf ausging, die in Tunesien bestehende – letzlich auf französische Grundvorstellungen zurückgehende – Trennung zwischen Staat und Religion beizubehalten. Wobei der Stellung der Frauen eine besondere, sowohl praktische wie auch symbolträchtige Bedeutung zukommt.
Diese sich selbst als säkularistisch bezeichnende Opposition hatte sich in den Wahlen nicht durchsetzen können. Doch in den zwei Jahren nach den Wahlen, die mit Diskussionen über die kommende Verfassung und die Grundausrichtung des tunesischen Staates vergingen, war sie immer stärker geworden.
Ihr Wachstum verdankte sie zu grossen Teilen der Enttäuschung der Bevölkerung darüber, dass die angestrebten Ziele des Volksaufstandes nicht sofort erreicht werden konnten, ja dass die Gesamtlage sich eher zu verschlechtern als zu verbessern schien. Dies betraf den berechtigten Wunsch nach Arbeitsplätzen und einem verbesserten Lebensstandard, besonders in den vernachlässigten inneren Landesteilen und überall bei den jugendlichen Teilen der Bevölkerung.
«Salafisten» als Steine des Anstosses
Es waren aber auch Fehler der provisorischen Koalitionsregierung, die zum Wachstum der Opposition beitrugen. Auf dem rechten Flügel der islamisch und demokratisch ausgerichteten Regierungspartei wuchsen die islamistischen Gruppen, die einzig «Islam», aber keine Demokratie auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Teile dieser nicht legal anerkannten Opposition wurden gewalttätig.
Besonderes Aufsehen, auch besonders hervorgehoben von der «säkularistischen» Opposition, erregten zwei politische Morde an gewählten Parlamentariern, die zu dieser Opposition gehörten. Der Regierungskoalition wurde vorgeworfen, sie sei nicht mit der notwendigen Energie gegen die gewaltwilligen Islamisten und ihre Sympathisanten eingeschritten, und sie trage deshalb mindestens eine Mitschuld an diesen Morden.
In der Zeit des diktatorischen Gewaltherrschers Ben Ali hatten sich sowohl die Politiker von an-Nahda, der demokratisch orientierten islamischen Partei, wie auch die Sprachrohre der nicht demokratisch ausgerichteten muslimischen Gruppen, die man oft kollektiv als die «Salafisten» bezeichnet, gemeinsam in den Gefängnissen befunden. Als die politischen Gefangenen mit der Revolution frei kamen, sahen sie sich anfänglich gegenseitig als Mit-Muslime, die den gleichen Leidensweg hinter sich hatten, beide im Namen des Islams.
Dies dürfte dazu beigetragen haben, dass zu Beginn die Regierungsorgane von an-Nahda und ihre Ideologen, darunter auch Parteipräsident Rachid Ghannouchi, die «Salafisten» in erster Linie als Mit-Muslime einstuften, von denen sie hofften, sie würden als solche mit ihnen zusammenarbeiten, auch wenn sie ihren Islam nicht nicht genau gleich verständen.
Dies geschah aber nicht. Die «Salafisten» traten als Gegner der Regierung auf, kritisierten ihren angeblich allzu laxen Islam und schritten gelegentlich zu Gewalt gegen in ihren Augen unislamische Zustände. Erst als diese Ausschreitungen unverkennbar kriminelle Züge annahmen, entschloss sich die Regierungskoalition, gegen sie vorzugehen. Viel zu spät, in den Augen der säkularen Minderheit.
Stilllegung des Parlaments
Es ereigneten sich weiterhin Bluttaten, wobei die schlechte Sicherheitslage an den Grenzen Tunesiens, sowohl auf der algerischen wie auch auf der libyschen Seite, den gewalttätigen Gruppen erlaubte, von aussen her und aus den schwer kontrollierbaren Weiten der Sahara auf Tunesien Druck auszuüben.
Die Krise wurde akut im vergangenen Sommer nach dem zweiten der erwähnten politischen Morde an einem Parlamentarier. Dies war Muhamed Brahmi, der am 25. Juni 2013 mit einer Kugel aus dem gleichen Revolver getötet wurde, der schon im Februar des gleichen Jahres zum Mord an Chokri Belaid gedient hatte. Die «säkulare» Opposition verliess die parlamentarische Versammlung geschlossen und organisierte Demonstrationen auf den Strassen. Dabei kam ihr zugute, dass grosse Teile der Bevölkerung wegen der erwähnten Enttäuschung ihre Seite ergriffen.
Weiter wirkte für sie, dass all ihre vielfach zerstreuten und manchmal zerstittenen Strömungen von ganz links bis ganz rechts im politischen Spektrum gegen etwas zusammenarbeiten konnten, was sie nicht wollten. Wäre es darum gegangen zu erreichen, was eine jede Gruppe oder Partei positiv anstrebte und politisch bewirken wollte, wären sie sich als Rivalen gegenübergestanden. Doch so gelang es der Opposition in all ihren Ausrichtungen zusammenzuarbeiten im Bestreben, die gewählte Regierung zu Fall zu bringen.
Über den vergangenen Sommer hinweg nahm ihre Macht auf den Strassen zu. Es gab auch Gegendemonstrationen von Seiten der Regierung. Doch die gewählte Versammlung, die ja auch als verfassungsgebende Versammlung dient, sah sich gezwungen, ihre Arbeiten einzustellen, um zu vermeiden, als eine einseitige und daher wenig demokratische Versammlung Gesetze zu erlassen und Verfassungsparagraphen zu entwerfen, die ohne die Mitwirkung einer Opposition entstanden waren und daher als nicht demokratisch zustande gekommen in Frage gestellt werden könnten.
Aufforderung zur Zusammenarbeit
Doch der Stillstand der Versammlung trug natürlich weiter dazu bei, dass in den Augen der Bevölkerung der Eindruck entstand, «die Politiker» täten nichts anderes als sich zu streiten, während das Land litt und zerfiel. Es waren schlussendlich die werktätigen Kräfte Tunesiens, allen voran die Gewerkschaftsföderation UGTT, unterstützt durch die Verbände der Arbeitgeber, der Advokaten, der Kleinunternehmer, die als Paten eines nationalen Dialogs auftraten und die Parteipolitiker teils überredeten, teils durch Streikdrohungen dazu zwangen, einem Szenario zuzustimmen:
Die Regierung sollte zurücktreten und die Teilnehmer an dem Dialog aller Partien den Vorsitzenden einer Übergangsregierung zu ernennen, die mit der Durchführung von Neuwahlen zu betrauen wäre. Gleichzeitig wäre ein Wahlgesetz zu entwerfen und der Verfassungsentwurf endültig unter Dach zu bringen gewesen. Mit den Wahlen, den zweiten Tunesiens, hätte eine reguläre demokratische Regierungsform erreicht werden sollen.
Das ganze hätte in Eile über die Bühne gehen sollen, nur drei Wochen waren für den nationalen Dialog vorgesehen, der den Wahlvorbereitungen vorausgehen sollte, um die Neuwahlen unter der neuen Verfassung mit Zustimmung aller Parteien und Gruppen im kommenden Sommer in die Wege zu leiten.
Jedoch, die Dinge liefen nicht wie geplant. Die beiden streitenden Fronten, Regierungskoalition und «säkularistische» Opposition, konnten schon über den ersten der vorgesehenen Schritte nicht übereinkommen. Es gelang ihnen nicht, sich auf eine Person zu einigen, die der zu bildenden Übergangs- und Wahlregierung vorstehen sollte. Jede Seite hielt an ihrem Kandidaten fest. Eine jede traute dem Kandidaten der Gegenseite nicht zu, dass er den Wahlprozess angemessen und ehrlich durchführen werde.
Gedämpfte Fortführung ohne Zeitgrenzen?
Der nationale Dialog brach nicht völlig zusammen. Kommissionen der Vollversammlung tagten weiter und versuchten andere Aufgaben, wie den Entwurf eines Wahlgesetzes und die Festsetzung von Wahlterminen, voranzubringen. Anfänglich kehrten die Oppositionsmitglieder in die Verfassungsversammlung zurück, doch dann verliessen sie diese erneut, als die Blockierung über die Person des Leiters der Wahlregierung sich als unlösbar erwies.
Diesmal stellte die Verfassungsversammlung ihre Arbeiten jedoch nicht ein. Sie fuhr fort, an der Fertigstellung des Grundgesetzes zu arbeiten und gleichzeitig als provisorisches Parlament zu dienen. Was natürlich die Gefahr mit sich bringt, dass die Opposition ihrerseits sich weigern könnte, die künftige Verfassung, falls sie zustande kommt, als für sie bindend anzuerkennen.
Die Nationale Dialog in Jemen
In Jemen kam es zu einer grossen Nationalen Dialogkonferenz angesichts der auch dort bestehenden Blockierung zwischen zwei feindlichen Hauptfronten, die in Jemen sogar bewaffnet waren und auf beiden Seiten von Teilen der Streitkräfte unterstützt wurden. Die Konferenz diente wie in Tunesien dazu, den Abstieg zu einem drohenden Bürgerkrieg zu vermeiden.
Die beiden Hauptfronten, die gegeneinander standen, waren in Jemen nicht jene der Islamisten gegen jene der Säkularen, obwohl es dort ebenfalls Blöcke von Islamisten gibt. Es sind eher jene der Freunde und die der Feinde des bisherigen Präsidenten Ali Saleh Abdullahs.
Weil er über ein solides Gefolge innerhalb der Streit- und Sicherheitskräfte verfügte, das unter dem Befehl seines Sohnes und seiner Neffen stand, vermochte Ali Saleh lange Zeit den Volksdemonstrationen gegen sein Regime standzuhalten. Doch die Spaltung unter den bewaffneten Stämmen und den Einheiten der Armee in Freunde und Feinde dieser Volksdemonstrationen, die schon im März 2011 begonnen hatte, drohte auf einen vollen Bürgerkrieg hinzuführen.
Es waren angesichts dieser Gefahren die Anrainerstaaten, Saudi Arabien und die Emirate am Golf, die unter der Führung der UNO und ihres Sonderbeauftragten, Jamal Benomar, die Nationale Dialogkonferenz anregten und ihre Regeln festsetzten sowie den Rücktritt des bisherigen Präsidenten und die Wahl seines Vizepräsidenten zu seinem Nachfolger für eine zweijährige Übergangsperiode bewirkten. Die Dialogkonferenz mit über 500 ernannten Mitgliedern tagt seit dem vergangenen 18.März in Sanaa.
Nach den Plänen sollte sie in ihrer ersten Phase sechs Monate dauern, ist jedoch mehrmals verlängert worden und dauert noch immer an. Ihre Aufgabe ist zweifach. Zuerst soll sie auf Grund von Kompromissen zwischen den verschiedenen Gruppen in grossen Linien festlegen, wie das Land künftig regiert werden soll. Dann sollte sie in einer zweiten Phase von nochmals sechs Monaten eine Verfassung ausarbeiten, die diesen grossen Linien entspricht. Daraufhin wären Wahlen durchzuführen, die eine endgültige Regierung bestimmen sollten. Für den ganzen Prozess war ein Jahr vorgesehen. Im kommenden Sommer hätten die Wahlen stattfinden sollen.
Streit über Sezessionen
Doch auch der jemenitische Dialog ist blockiert. Hier sind es nicht die Gegensätze zwischen Säkularisten und Islamisten, die es ebenfalls gibt, welche die Blockierung ausmachen, sondern primär die Fragen der staatlichen Zusammengehörigkeit. Sowohl im Norden wie im Süden des Gebirgs- und Wüstenlandes Jemen gibt es Völkerschaften, die sich lostrennen wollen. Doch sie stossen im Zentrum auf Kräfte, die bestenfalls einer Dezentralisation mit Autonomie, auf keinen Fall einer vollen Trennung zustimmen wollen.
Die Unabhängigkeitswünsche im Norden sind jene der Houthis. Diese sind der führende Stamm der zaiditischen Religionsgemeinschaft Nordjemens. Die Zaiditen gehören zur Familie der schiitischen Religionszweige. Sie anerkennen, wie alle Schiiten, einen Imam, Abkömmling des Propheten, als den legitimen Leiter ihrer Gemeinschaft. Doch ihr Glauben ist nicht identisch mit jenem der Zwölfer Schiiten, die seit dem 16. Jahrhundert in Persien herrschen. Was die saudischen Herrscher nicht daran hindert, zu argwöhnen, dass Iran hinter den Houthis stehe, die das Land an der südwestlichen Grenze des Königreiches beherrschen.
Das Zentrum von Sanaa hat seit 1994 immer wieder – unterbrochen von Waffenstillständen – gegen die Houthis Kriege geführt, ohne sie je ganz besiegen zu können. Heute beherrschen sie die nördliche Provinz von Saada und grössere Distrikte der daran angrenzenden westlichen und nördlichen Provinzen. Sie nahmen teil an der Dialogkonferenz, haben aber diesen November beschlossen, sie zu verlassen, weil sie der Mehrheit der Konferenzmitglieder vorwerfen, sie gingen nicht auf ihre Wünsche und Anliegen ein, sondern versuchten vielmehr sie aufzusplittern und untereinander zum Streit zu verführen.
Zurzeit, bis Ende November, gab es blutige Kämpfe in der Umgegend von Saada, weil die Houthis dort die sunnitische Madrasa von Dammaj umstellt hatten und belagerten. Sie werfen ihr vor, dass sie nicht Studenten, sondern bewaffnete Kämpfer der sunnitischen Glaubensrichtung beherberge und dabei von Saudi-Arabien unterstützt werde. Mehrmals wurde von Sanaa aus versucht, zwischen den beiden dortigen Fronten zu vermitteln. Nach den jüngsten Meldungen ist ein Waffenstillstand in Damaj Ende November zustande gekommen. Die Madrasa soll in den Kämpfen hundert Todesopfer zu beklagen haben. Die Zahl der gefallenen Houthis ist nicht bekannt.
Ein eigener Staat für Südjemen?
Im Süden sind es die Provinzen Südjemens, die zur Zeit der Sowjetunion, von 1968 bis 1990, einen eigenen pro-kommunistischen Staat gebildet hatten, sich nach dem Zerfall der Sowjetunion Nordjemen anschlossen, aber dann die Union wieder abbrechen wollten und 1994 durch einen Bürgerkrieg, den sie verloren, vom Norden unter der Führung Ali Saleh Abdullahs dazu gezwungen wurden, unter Sanaa zu verbleiben.
Grosse Teile ihrer Bevölkerung fordern heute die Rückkehr zu einem eigenen Staat mit der alten Hauptstadt Aden. Andere Teile scheinen bereit, über Autonomie zu sprechen. Doch dies ist wahrscheinlich der kleinere Teil, und jedenfalls sind die vollen Separatisten unter der Führung des in Beirut exilierten ehemaligen Zentralkomitee-Mitglieds und kurzfristigen Regierungschefs Südjemens, Ali Saleh al-Baidh, der aktivste Teil der Separatisten von Aden.
Auch die Südjemeniten haben sich Ende November grossenteils aus der Konferenz zurückgezogen. Dies geschah, nachdem der gegenwärte Staatschef für die Übergangszeit, Abd Rabbo Mansur al-Hadi, erklärt hatte, eine volle Abtrennung Südjemens komme nicht in Betracht. Die Separatisten haben erneut zu Proteststreiks und Protestdemonstrationen in Aden aufgerufen. Angesichts der Toten, welche die Repression solcher Streiks und Proteste vor der Konferenz gekostet hatte, hat die Menschenrechtsbeauftragte der UNO die Regierung von Sanaa dazu aufgerufen, die Polizei zur Schonung anzuhalten und allzu brutales Vorgehen zu vermeiden.
Die Terrorgefahr durch AQAP
Ausserhalb der Dialogkonferenz steht die dem jemenitischen Staat feindliche Kraft von al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (amerikanisch abgekürzt AQAP). Dies sind radikal islamistische Kräfte, die darauf ausgehen, die bestehenden Regime auf der Halbinsel mit Gewalt zu Fall zu bringen.
Im Sommer 2012 haben die Kämpfer von AQAP Gebiete im inneren Südjemens verloren, in denen sie gehofft hatten, ihr eigenes Regime einzurichten. Ein Feldzug der jemenitischen Armee mit Hilfskräften aus den Stämmen und Unterstützung der Amerikaner wurde ihrer Herr und eroberte die Hafenstadt Zinjibar und den Gebirgsflecken Jaar in Juni 2012 zurück, die AQAP besetzt hatte.
Ihre Guerillas haben seither in der Wüste des Landesinnern Zuflucht gefunden. Von dort aus organisieren sie Mord- und Selbstmordanschläge gegen die Truppen, Polizeikräfte und Geheimdienstleute der Regierung in der Hauptstadt und in vielen Orten des Südens. Die Amerikaner versuchen sie mit der Hilfe von Drohnen und mit Zustimmung der jemenitischen Militärs und Behörden zu schädigen, indem sie ihren Führungspersonen nachstellen. Doch die unheimliche, manchmal Tage lang dauernde Bedrohung durch kreisende Drohnen, die unversehens zuschlagen und Menschen töten – teils Angehörige der Guerilla, teils andere – machen die Amerikaner mit ihren Drohnen im ganzen Lande sehr unbeliebt.
Die Fernwaffen dienen zwar der vermuteten Ausschaltung von angeblichen Widerstandsführern, doch nicht beabsichtigte Tötungen von Unschuldigen sind auch häufig. Es ist deshalb fraglich, ob die Drohnenaktionen mehr Schaden für die Guerilla anrichten, oder ob sie ihr mehr nützen, weil sie stets neue Rekruten in die Reihen der Aufständischen bringen, die Rache für ihre ermordeten Angehörigen suchen.
Dialog – oder Untergang
In beiden Staaten gilt der gegenwärtig stockende Dialog als die Aktion letzter Chance, die ihre Länder davor bewahren soll, in den Abgrund des Bürgerkrieges und eines Zusammenbruches des Staates zu gleiten, vergleichbar jenem, in den Syrien geschleudert wurde. Aus diesem Grund wird der Dialog in Tunesien und in Jemen über die ursprünglich geplanten Fristen hinaus am Leben gehalten, obwohl er bereits zu scheitern begonnen hat und keine klaren Aussichten bestehen, ihn konstruktiv fortzuführen. Ihn abzubrechen würde bedeuten, dem fatalen Schritt ins Chaos das letzte Hindernis aus dem Weg zu räumen.
In beiden Ländern ist jedoch gegenwärtig die Frage gestellt: wie lange kann der Dialog weiter andauern, nachdem klar wurde, dass er blockiert ist und nicht zum Ziele geführt werden kann? Im Augenblick gibt es Wiederbelebungsbestrebungen – einfach, weil die Folgen eines endgültigen Abbruchs und Misserfolges alle Teilnehmer mit Verderben bedrohen. Doch die Chancen eines konstruktiven Endes der Gespräche erscheinen heute schlechter als zu Beginn der Dialoge. Bisher haben die Gespräche vor allem dazu gedient, die Gegensätze zwischen den Streitparteien herauszuarbeiten und sie auf die Spitze zu treiben ohne Lösungen der Hauptgegensätze, oder auch nur Aussicht auf sie, herbeizuführen.