Präsident al-Hadi richtet sich in Aden ein. Er empfängt dort Diplomaten und lokale Anhänger und erklärt ihnen seine Sicht der Lage. Dies wirkt klärend. Während langer Monate, als der Präsident unter Druck der Huthis stand und gezwungen war, das zu tun, was sie von ihm verlangten, wurde nur die Sicht der Huthis offiziell bekanntgegeben. Der Präsident aber und seine Anhänger waren seit dem September, als die Huthis Sanaa besetzten, nicht mehr in der Lage, sich frei zu äussern.
Al-Hadi, der von den Huthis unter Hausarrest gestellt wurde, erklärt nun, wie er aus der Hauptstadt Sanaa entkam. Er sei durch einen unterirdischen Gang der Präsidentenresidenz geflüchtet. Zuerst suchte er Zuflucht im Haus eines seiner Söhne, anschliessend gelangte er auf Nebenstrassen von Sanaa weiter nach Aden.
Der Ex-Präsident als Drahtzieher
Der letzte Regierungschef unter al-Hadi, Chaled Mahfus Baha, ist weiterhin eine Geisel der Huthis in Sanaa. Al-Hadi erklärt seinen Besuchern in Aden, die Huthis hätten gefordert, dass 35‘000 Mann ihrer Milizen in die jemenitische Armee aufgenommen würden - und 25‘000 in die Polizei. Die Huthis hätten auch verlangt, dass der Huthi-Politiker Saleh al-Sammad Vizepräsident des Landes würde. Al-Sammad steht dem Huthi-Chef, Abdel Malek al-Huthi, nahe.
Al-Hadi erklärt weiter, dass 1‘600 Huthi-Milizionäre in Qom, der geistlichen Hauptstadt Irans, ausgebildet würden. Dem früheren jemenitischen Präsidenten Ali Saleh Abdullah wirft al-Hadi vor, die Huthis benützt zu haben, um ihn, al-Hadi, zu entmachten. Ali Saleh Abdullah habe schon 2012 Iran nahegelegt, Einfluss auf die Huthis zu nehmen, damit sie mit ihm, dem Ex-Präsidenten, zusammenspannten. Sollte dies alles zutreffen, stünde hinter dem Putsch in Sanaa vor allem Ex-Präsident Ali Saleh Abdullah.
Die Golfstaaten hinter al-Hadi
Die Botschaften Saudi-Arabiens und der anderen Erdölstaaten am Golf sind von Sanaa nach Aden verlegt worden. Die amerikanische, die in Sanaa geschlossen wurde, zog nicht nach Aden. Doch der amerikanische Botschafter Matthew Tuller besuchte al-Hadi in Aden und machte klar, dass er für Washington der legale Präsident Jemens bleibe. Al-Hadi, so sagte Tuller, sei „die Schlüsselperson, um dafür zu sorgen, dass Jemen sich vorwärts bewegt auf einem stabilen und friedlichem Pfad und dass die Beschlüsse des Nationalen Dialogs verwirklicht werden".
In Aden gibt es jedoch Spannungen. Präsident al-Hadi hat den Kommandanten der dort befindlichen Sondertruppen, Abdel Hafez al-Saqqaf, entlassen. Dieser jedoch weigert sich, den Entlassungsbefehl zu akzeptieren. Er erklärte, er befolge einzig Weisungen aus Sanaa.
Nach jüngsten Berichten, sind die von Abdel Hafez al-Saqqaf befehligten Sondertruppen dabei, ihr Lager, das nahe beim internationalen Flughafen von Aden liegt, zu befestigen. So wollen sie mögliche Angriffe der südjemenitischen "Volkswiderstand-Komitees", die zu al-Hadi halten, abwehren.
Die Huthis fast isoliert in Sanaa
In Sanaa regieren indessen die Huthis. Auf Demonstranten, die den Abzug der Huthis aus Sanaa verlangten, wurde geschossen. Manche Manifestanten hielten Bilder von Politikern der Islah-Partei hoch, die von den Huthis entführt worden seien. Die Huthis haben den Parteisitz von Islah gestürmt und geplündert. Zudem sind sie in Privathäuser von Islah-Würdenträgern eingedrungen.
In der Islah-Partei dominieren die Muslimbrüder. Schon seit 2004 gehört die Partei zu den erbittertsten Feinden der Huthis. Damals hatte in Saada, der nördlichsten Grenzprovinz Jemens, der Krieg der Huthis begonnen. Die Feindschaft zwischen Islah und den Huthis ist doktrinärer Natur. In den Augen der Islah-Aktivisten sind die zaiditischen Huthis Abtrünnige vom Islam. Doch diese religiösen Gegensätze wurden durch eine jahrelange aktive Feindschaft vertieft. Die Huthis wollen sich nun an den Islah-Parteigängern rächen. Sie werfen ihnen vor, für den Tod zahlreicher Huthis verantwortlich zu sein. Huthi-Führer Abdel Malik al-Huthi wirft der Islah vor, sie seien Verbündete der al-Qaeda-Terroristen.
Mit Hilfe des Ex-Präsidenten
Die Huthis haben einen Präsidialrat ernannt. Er soll den gestürzten Präsidenten al-Hadi ersetzen. Zudem wurde das jemenitische Parlament aufgelöst. Ersetzt wurde es durch eine eigene, 525 Mitglieder zählende Volksvertretung. Diese Volksvertreter wurden aus den „Volksräten“ ausgewählt. Solche Volksräte haben die Huthis in allen Gebieten, die sie kontrollieren, errichtet.
Unklar ist, ob es ihnen gelungen ist, die Armee und die Polizei mit Tausenden eigenen Milizionären zu integrieren, wie sie es vom abgesetzten Präsidenten al-Hadi gefordert hatten. Sie werden es gewiss versuchen. Ex-Präsident Ali Saleh Abdullah, der noch immer einen grossen Einfluss auf die Armee hat, könnte ihnen dabei behilflich sein.
Wenig überzeugende Huthi-Regierung
Wie weit die Huthis in der Lage sind, Jemen von Sanaa aus zu regieren, ist ungewiss. Einige Fachleute und hohe Beamten dürften mit ihnen zusammenarbeiten.
Offenbar haben die Huthi-Machthaber der Regierung von Regierungschef Chaled Mahfus Baha mit Bestrafung gedroht, falls sie sich weiter weigerten, die Regierungsgeschäfte weiterzuführen. Das zeigt, dass den Huthis einflussreiche, qualifizierte Leute fehlen, vor allem in den zwei Dritteln des Landes, die nicht zaidistisch sind.
Iran als Stütze der Huthis
Die Huthis suchen nun offen Rückhalt bei Iran. Zum ersten Mal seit über zwanzig Jahren ist wieder ein iranisches Flugzeug von Teheran kommend in Sanaa gelandet. Auf dem Rückflug nach Teheran befand sich eine Huthi-Delegation. Angeführt wurde sie von Salah as-Sammad, der gleichen Person, die die Huthis nach Aussagen al-Hadis zum Vizepräsidenten machen wollten.
In der Entourage von Ajatollah Ali Chamenei, dem politischen und religiösen Führer Irans, werden die Huthis offen gelobt. Ali Akbar Velayati, der frühere Aussenminister und gegenwärtige Berater Chameneis, erklärte, Iran hoffe, die Huthis würden eine ähnliche Rolle spielen, wie Hizbullah in Libanon. Aus dem iranischen Aussenministerium, das von der Regierung geleitet wird, war nichts dergleichen zu vernehmen. Nach offiziellen Angaben sprach die Huthi-Delegation mit den Iranern über die Intensivierung der jemenitisch-iranischen Beziehungen. Vor allem auf wirtschaftlichen Gebiet soll die Zusammenarbeit verstärkt werden.
Die Rolle, die Iran im jemenitischen Nachbarland spielt, beunruhigt natürlich Saudi-Arabien. Al-Hadi kann deshalb damit rechnen, dass die Saudis ihn weiterhin stützen werden. Mit Ali Saleh Abdullah haben die Saudis inzwischen gebrochen. Dies wurde klar, nachdem Saudi-Arabien dem jemenitischen Ex-Präsidenten verboten hatte, am Begräbnis von Königs Abdullah teilzunehmen.
Versöhnungsgespräche, ja, aber wo?
Der Versöhnungsprozess zwischen den Huthis und al-Hadi ist gescheitert. Dieser Prozess war von Uno-Vertreter noch vor dem Sturz al-Hadis eingeleitet worden. Jetzt wird versucht, die Verhandlungen wiederzubeleben, da ein Bürgerkrieg droht.
Wo sollen die Versöhnungsgespräche stattfinden? Darüber wird im Moment gestritten. Al-Hadi hat neutrale Orte zwischen Sanaa und Aden vorgeschlagen, etwa die Städte Taez oder Ibb. Würden die Huthis diese Vorschläge ablehnen, käme seiner Ansicht nach auch die saudische Hauptstadt Riad in Betracht. Doch die Huthis beharren auf Sanaa als Tagungsort. Unterstützt werden sie bei dieser Forderung vom General People’s Congress (GPC), der Partei von Ex-Präsident Ali Saleh
Damit ist man auf Feld eins zurückgefallen: Man streitet über den Ort der Gespräche, von der Substanz ist noch gar nicht die Rede.
Die Kämpfe gehen weiter
Unterdessen gehen in den Randgebieten die Kämpfe weiter. Im Jawf, wo die Erdölquellen liegen, kämpfen lokale, sunnitische Stämme gegen die Huthis. Auch al-Qaeda-Aktivisten ziehen gegen die Huthis ins Feld. Gleichzeitig aber unterlässt es al-Qaeda nicht, auch der jemenitischen Armee in den Wüstengebieten Verluste beizufügen. In den Städten verüben Qada-Kämpfer immer wieder Selbstmordanschläge.
Die Amerikaner setzen Drohnen gegen Qaeda-Führer ein – und machen sich bei der Bevölkerung verhasst, weil die Drohnen immer wieder Unschuldige treffen.