Ein Titel, der auf das gleichnamige Bild aus dem Jahr 1968 von Alfred Jensen hinweist. Ein Bild, das durch seine klaren Linien und Formen, durch Farbigkeit und leuchtende Schönheit sowie eine raffinierte Bildaufteilung besticht. Ein Bild, das auf eindrückliche Weise die Konturen und Dimensionen einer einzigartigen, hochkarätigen Sammlung, widerspiegelt. Nach Bern geht die Ausstellung nächstes Jahr nach Würzburg, was die internationale Ausstrahlung erahnen lässt.
Die Ausstellung zeigt zahlreiche Werke der Gegenwart so von Vaclav Pozarek, Florian Slotawa, Ilya Kabakow, James Turell (First Light 1989/90, eine imposante und eindrückliche Auswahl von 20 Arbeiten auf Papier), Royden Rabinowitch, Franz Fedier, Rober Müller, Markus Rätz um nur ein paar Beispiele zu nennen. Im Vordergrund stehen vorwiegend Werke, die in den letzten Jahren Aufnahme in die Sammlung gefunden haben. Daneben sehen wir aber auch Werke von Paul Klee, André Derain. Georges Braque, Pablo Picasso, Fernand Léger, Henri Laurens. Es sind dies Werke, welche die Basis der Rupf-Sammlung bilden. Sie alle stehen im Dialog miteinander.
Zu den interessantesten Anschaffungen der letzten Jahre darf wohl Joseph Beuys Honigpumpe angesehen werden. Besondere Erwähnung verdient auch die Installation Berner Sockel von Florian Slotawa. Um eine Reihe von Skulpturen aus der Sammlung zu präsentieren (Blatt-Torso von Hans Arp, Porträt Margrit Rupf von Max Fueter, Nu agenouillé von Henri Laurens und Liegende Kuh von Ewald Mataré) baute Slotowa diverse Gegenstände aus dem früheren Hausrat der Rupfs auf und gestaltete so die Berner Sockel für die gezeigten Skulpturen. Originalität und Einmaligkeit sowohl dieser Ausstellungs-Gruppe als der eigentlichen Sammlung finden hier sichtbaren Ausdruck. Nicht zuletzt auch dank einer äusserst klugen, subtilen einheitlich wirkenden und aussagestarken Zusammenstellung durch die Kuratorin Susanne Friedli. Sie ist auch Geschäftsführerin der Hermann und Margrit Rupf Stiftung.
Es ist nicht das erste Mal, dass das Kunstmuseum Bern, nach Hermann Rupfs Willen Hüterin und Betreuerin der Sammlung (in enger Zusammenarbeit mit der Stiftung Hermann und Margrit Rupf), die Rupf-Collection der Öffentlichkeit zugänglich macht. Abgesehen von einer Reihe früherer Präsentationen (die erste 1956) konnte Ende 2005 Anfang 2006 die Rupf-Sammlung im Rahmen einer breitgesteckten Jubiläums-Ausstellung aus Anlass des 50jährigen Bestehens der Stiftung in ihrer ganzen Vielseitigkeit und Schönheit bewundert werden. Zu beiden Ausstellungen erschienen Begleitpublikationen, die jeweils einen reichhaltigen und aufschlussreichen Text-, Bild- und Dokumentationsteil beinhalten und eine nahtlose, vertiefte Einführung in die Sammlung gestatten.
Eine Sonderstellung
Laut Matthias Frehner, Direktor des Kunstmuseums Bern, nimmt die Sammlung von Hermann und Margrit Rupf „sowohl national wie international eine absolute Sonderstellung ein“. Sie sei zu den „ganz wenigen, wirklichen Pioniersammlungen ihrer Zeit zu zählen“. In allererster Linie konzentrierte sich ihr Interesse auf Werke des Fauvismus, Kubismus und Surrealismus in den frühesten Entwicklungsstadien, was der Sammlung von Anfang an ein eigenes Gepräge verlieh. Rupf zählte zu den allerersten Schweizer Privatsammlern von Gegenwartskunst. Niemand trat als Sammler zu Beginn des 20.Jahrhunderts „so früh und so konsequent für die vorderste Avantgardekunst seiner eigenen Gegenwart ein wie Rupf“, ist Frehner überzeugt. Um 1915 besass Rupf bereits nahezu 30 Werke des Kubismus, von Picasso, Braque, Gris und Léger.
Nach und nach wurde eine Sammlung aufgebaut, die internationales Renommée erlangte. Sicher fehlt es nicht an Sammlern, Sammlungen und Stiftungen, die für die Kunst und die Künstler wie übrigens für die Allgemeinheit von grosser, ja vitaler Bedeutung sind. Es sei hier an Sammlungen wie jene von Arthur und Hedy Hahnloser (Winterthur), Raoul La Roche (Basel), Amerbach (Basel), Laurenz Stiftung (Oeri/Roche, Basel), Sammlung Im Obersteg (früher Oberhofen am Thunersee, heute Basel) oder an die Stiftung des Basler Kunsthändlers Ernst Beyeler erinnert. Und nicht vergessen sei die Bührle Sammlung. Beweggründe und Ausrichtung waren stets unterschiedlich, Gemeinsamkeiten lassen sich aber immer wieder erkennen. Die Rupfs „funktionierten“ aber anders, gingen ihren eigenen Weg.
Der Weg zur Sammlung
Am Anfang dieser aussergewöhnlichen Kunstsammlung stand auch eine ebenso aussergewöhnliche Persönlichkeit, eigenwillig, vielseitig orientiert, hochbegabt. Hermann Rupf (1880 – 1962) wuchs in Bern auf und besuchte in der Bundesstadt die Schulen. Der Vater betrieb ein Mercerie-Geschäft. Der junge Rupf schlug eine Bankierlaufbahn ein. Von 1901 bis 1903 war er in Frankfurt als Bankkorrespondent tätig wo er einen gewissen Daniel-Henry Kahnweiler kennen lernte. Es war der Anfang einer grossen Freundschaft. Die beiden trafen sich nach Frankfurt wieder in Paris, wo sie während zwei Jahren zusammen eine Wohnung hatten, gemeinsam Museen, Ausstellungen, Konzerte besuchten und sich intensiv am Kulturleben der französischen Hauptstadt zu Beginn des 20 Jahrhunderts beteiligten. In dieser Zeit entdeckte Rupf die Kunst. Er kehrte zurück nach Bern und trat in das väterliche Geschäft ein, das inzwischen vom Schwager geführt wurde und Hossmann Rupf hiess. Im legendären Mercerie-Laden am Berner Waisenhausplatz, gegenüber dem Käfigturm (heute befindet sich dort ein Optikergeschäft), kümmerte sich Hermann Rupf anfangs um eine Sammlung besonderer Art: ein Sortiment von Knöpfen, Nähfaden, Reisverschlüssen, Strümpfen, Handschuhen usw. usw. Doch rasch reiste Hermann Rupf wieder nach Paris, wo er seinen Freund Kahnweiler wieder traf, der nun eine Kunstgalerie, oder wie dieser sagte, „einen Laden“ eröffnet hatte. Rupf wurde mit dem Erwerb eines Gemäldes von Derain im Jahre 1907 zum ersten Kunden Kahnweilers.
Das Sammlerpaar
Im Berner Geschäft fand Hermann Rupf auch seine zukünftige Gattin, Margrit Wirz (1887 – 1961) die „Ladentochter“, wie Verkäuferinnen damals noch betitelt wurden, und die er 1910 heiratete. Sie erwies sich sehr rasch als ebenfalls höchst talentierte Kunstliebhaberin und Kennerin. Und so war es fortan das „Sammlerpaar Hermann und Margrit Rupf“, das gemeinsam nach Paris reiste, Freund Kahnweiler besuchte, mit dem das Paar zeitlebens freundschaftlich verbunden blieb, was wohl den Aufbau der Rupf-Kunstsammlung massgebend beeinflusste und prägte. Es war auch Kahnweiler, der Rupf mit Picasso und anderen Künstlern bekannt machte.
Margrit und Hermann Rupf waren kaum 30 Jahre alt, als sie mit dem Aufbau einer eigentlichen Sammlung begannen. Schlag auf Schlag kamen neue Bilder dazu. Sie schmückten die Wände aller Räumlichkeiten des erworbenen Reiheneinfamilienhauses an der Brückfeldstrasse 27 im Berner Länggassquartier. Vorwiegend wurden Bilder gekauft, sei es via Kahnweiler oder bei Künstlern selber, die direkt von der Staffelei, die Farben noch kaum trocken, den Weg in Rupfs Wohnzimmer fanden.
Ob von Picasso, Braque, Kandinsky, Gris, Klee um nur diese zu nennen, es waren stets Arbeiten, die noch unbekannt und unbewertet waren. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Kollektionen und Sammlern haben die Rupf vorwiegend Kunst für das Wohnzimmer erworben Und so waren oft sogar die Masse der Bilder entscheidendes Kriterium bei der Anschaffung, denn für überdimensionierte Bilder war an den Wänden kein Plätzchen mehr frei
Gründung einer Stiftung
Die Rupfs waren sich bald bewusst, dass ihre Werke nicht der Öffentlichkeit verborgen bleiben dürfen. Schon früh fanden auch diverse Meisterwerke (Braque, Klee usw.) als Leihgaben den Weg aus dem Wohnzimmer in verschiedene Ausstellungen, vor allem in Basel und Bern. Den Sammlern ging es jedoch um Kontinuität, um den Zusammenhalt des Bestandes. Es darf auch davon ausgegangen werden, dass die Gründung der Klee Stiftung und die Deponierung des riesigen Bestandes an Kleearbeiten im Kunstmuseum Bern zu Beginn der 50er Jahre, bei den Rupfs den Gedanken für eine eigene Stiftungsgründung belebten. Im Jahre 1954 entschieden sich Hermann und Margrit Rupf jedenfalls für die Gründung einer eigenen Stiftung. Etwa 260 Kunstwerke, Kunstbücher, und auch Vermögensteile usw. wurden in die Stiftung eingebracht. Und Hermann Rupf übernahm selber das Präsidium des Stiftungsrates.
Klar umschrieben wurde in der Stiftungsurkunde das Zukunftsziel: Erweiterung und Ergänzung der Sammlung, konzentriert auf Kunst der Gegenwart. Der Stiftungsrat, der seit ein paar Jahren vom ehemaligen Botschafter Philippe Lévy (und früherer Generaldirektor der Schweizer Mustermesse Basel) präsidiert wird, ist den Grundprinzipien des Sammlerpaares bis heute treu geblieben. Zielsetzung, Konzepte und Kaufstrategien werden immer wieder diskutiert und überprüft. Jahr für Jahr werden neue Werke angekauft. Der Bestand ist inzwischen auf ca. 1100 Werke angewachsen. Die Schweizer Kunst hat mit dem Zukauf von Werken der Gegenwart ihren Platz in der Sammlung gefestigt bekommen. Es gelingt auch immer wieder originelle Werke in die Sammlung zu integrieren. Dank einer grosszügigen, anonymen Spende konnten in den 90er Jahren beispielweise wertvolle Skulpturen von Hans Arp erworben werden und so der bestehende Arp-Bestand sinnvoll ergänzt werden.
Die stets ansteigenden Preise auf dem Kunstmarkt setzen allerdings Grenzen, denn die zur Verfügung stehenden Mittel sind beschränkt. und verunmöglichen heute den Erwerb klassischer Werke des 20.Jahrhunderts. Auch Rupf verfügte seinerzeit keineswegs über ein Guggenheim-Vermögen.
Die Sammlung fand mit der Stiftungsgründung definitiv Aufnahme im Kunstmuseum Bern. Rupf gab auch sogleich seiner Hoffnung Ausdruck, „dass es bald dazukommen möge, dass das Kunstmuseum Bern den nötigen Raum für eine Unterbringung der ihn zugedachten Kunstwerke erstelle“. Er machte sich auch über einen Neubau Gedanken. An Platzmangel leidet das Museum jedoch heute noch. Für das Berner Museum öffneten sich mit der Aufnahme der Sammlung neue Horizonte. „Mit dieser Sammlung hat das Kunstmuseum Bern internationales Prestige“ erlangt, wie Direktor Matthias Frehner bei der Ausstellungseröffnung Ende Oktober festhielt. „Es ist auf einen Schlag zu einem international führenden Museum der klassischen Moderne mit Schwerpunkte Kubismus, Bauhaus, Surrealismus geworden“, präzisiert Frehner im Katalog.
Freund und Helfer
Hermann und Margrit Rupft pflegten mit zahlreichen Künstlern enge, freundschaftliche Beziehungen, die oft weit über die rein künstlerischen Belange hinausreichten. Kandinsky weilte mehrmals in Bern bei den Rupfs. Hermann Rupf beriet den Künstler in Finanzfragen und war behilflich bei Geldanlagen und Verschiebungen bei Berner Banken. Und als Freund Kahnnweiler, jüdischer Abstammung, Paris während des Ersten Weltkrieges verlassen musste, fand er Aufnahme an der Brückfeldstrasse 27 in Bern.
Rupf unterstützte die Künstler immer wieder mit Käufen. Zu den treuen Freunden zählten Paul und Lily Klee, die im Haus an der Brückfeldstrasse regelmässig zu Gast waren. Hermann Rupf war auch Präsident der Klee-Gesellschaft und der Berner Maler durfte jederzeit auf seinen Freund zählen. Die Zahl der Arbeiten von Klee in der Sammlung, nämlich nahezu 200, sagt schon alles über die Beziehungen Rupf-Klee. Immer wieder kaufte Rupf bei Klee selber oder auch bei Kahnweiler.
Der Bestand ist inzwischen auf knapp zwei Dutzend Werke zusammen geschrumpft. Als das Museum noch die Sammlung der Kleestiftung beherbergte war die damalige Museumsleitung der Anssicht, dass nun wohl allzu viele Klees unter einem Dach vereint wären und empfahl den Abbau des Klee-Bestandes in der Rupf Sammlung. Der grösste Teil wurde veräussert oder verschenkt. Nicht selten verschenkte Rupf nämlich Werke an Freunde und Bekannte, auch eine Angestellte der Mercerie kam so in den Besitz einer Arbeit von Klee
Kritiker und Sozialist
Hermann Rupf war nicht bloss Mercerie-Inhaber, Kunstsammler, und Wohltäter, er war auch Verwaltungsratsmitglied der Spar- und Leihkasse Bern, ein Freund von Luxusreisen und –ferien, Besitzer eines Chalets in Mürren im Berner Oberland , Liebhaber grosser Autos, der einen Studebaker fuhr usw…Rupf war auch ein gesellschaftspolitisch denkender und engagierter Bürger. Er trat früh der sozialdemokratischen Partei bei und war mit dem damaligen Leader und Wortführer des berühmten Generalstreiks von 1914, Robert Grimm, eng befreundet (der zeitweise sogar bei den Rupf wohnte).
Während zwei Jahrzehnten war Rupf zudem Mitarbeiter der sozialistischen Berner Tagwacht und schrieb Kunstkritiken, berichtete über Ausstellungen und Konzerte usw. Im Volkshaus hielt er Vorträge und plädierte für eine neue, sozialistische Gesellschaftsordnung. Er bedauerte „dass avantgardistische Kunst bei den Spiessbürgern auf Unverständnis stosse“, beklagte die „Mittelmässigkeit“. Er wollte eine „Kunst für alle“. Und Rupf, der aus der Kirche ausgetreten war, sah in der Kunst auch eine Art „Ersatzreligion“. 1957, fünf Jahre vor seinem Tod, wurde er von der Universität Bern zum Ehrendoktor ernannt.
Hermann Rupf war in der Tat eine schillernde Persönlichkeit. „Ein Mensch mit vielen Facetten, ein Mensch dessen Widersprüchlichkeit nur in der Form zu fassen wäre, die er so sehr liebte – als kubistische Gleichzeitigkeit der Sichtweisen“, wie Konrad Tobler, der Berner Kulturjournalist und Mitglied des Stiftungsrates der Hermann und Margrit Rupf Stiftung, so treffend in einem Beitrag im Jubiläums-Katalog 2005 schieb.
„Ractangle and Square“ – Von Picasso bis Judd. Erwerbungen der Rupf-Stiftungen. Kunstmuseum Bern, Hodlerstrasse 8 Bis 8 Januar 2012. Museum im Kulturspeicher Würzburg. Vom 5.Mai bis 22. Juli 2012