Die Stadt Zürich fördert Kunst unter anderem dadurch, dass sie zeitweise Skulpturen im Freien aufstellt. Das nennt sich dann «Kunst im öffentlichen Raum». Eine bevorzugte Stelle dieses Raums ist der Maagplatz beim Prime Tower in Zürich West. Umgeben von verglasten Gebäuden, herausgeputzter Industriearchitektur, einer vierspurigen Hochstrasse mit geschwungenen Zu- und Abfahren sowie dem weiten Gleis-Vorfeld des Hauptbahnhofs liegen da ein paar asphaltierte Flächen, Zwischenräume ohne klare Funktion. Sie fordern Kunst geradezu heraus. Und diese lässt sich nicht lange bitten.
Diesmal kommt der österreichische Plastiker Werner Feiersinger zum Zug. Er darf hier mit städtischer Förderung ein bunt gestrichenes Stahlrohrgebilde zeigen, eine Art Gestell, das aber nicht gestellt, sondern gelegt ist. Wer ein bisschen Heidegger kennt, wird bei «Gestell» schon hellhörig. Der raunende Denker hat unter diesem Begriff über Technik philosophiert. Nun liegen seine Auslassungen in metallener Form auf dem Maagplatz vor Augen.
Ob Feiersinger wohl ein Heidegger-Leser ist? Das muss er nicht sein, genauso wenig wie die städtischen Beamten, die mit Kunst im öffentlichen Raum beschäftigt sind. Sie haben in dem auf dem Maagplatz abgelegten Objekt denn auch kein Gestell, sondern eine Leiter gesehen. Auch dies ist offensichtlich ein fruchtbarer Ansatz, wie die amtliche Interpretation des Werks zeigt.
Allerdings drängt sich der Verdacht auf, die Amststelle Kunst & öffentlicher Raum arbeite mit standardisierten Textbausteinen. Man liest: «Was zunächst einem vertrauten Kanon unterworfen scheint, irritiert bei näherer Betrachtung; was ein erster Blick als festen Wert taxiert, wird unterwandert und entgleist ins Paradoxe.» Es dürfte schwer halten, eine moderne Kunst-Installation zu finden, auf die der zitierte Satz nicht irgendwie passt.
Richtiggehend kritisch wird der Text der Amtsstelle Kunst & öffentlicher Raum dann mit folgender Feststellung: «All das wird unterlegt mit einem Subtext, der sich gegen die Verwertungslogik des Kapitalismus wendet.» Solches gesagt zu einem zweckfreien Produkt, dessen materieller Wert vom (kapitalistischen) Kunstmarkt definiert wird – das ist feinsinnige Subversion gegenüber dem modernen Kunstbetrieb.
Den Werterhalt von «Untitled, 2015» hat sich das zuständige Amt der Stadt Zürich zur Herzensangelegenheit gemacht. Mit einer sauber am Boden festgeschraubten amtlichen Plakette, und zwar gleich in zweifacher Ausführung an beiden Enden des Gestells oder der Leiter, wird das «Beschädigen oder Besteigen des Kunstwerkes» (man beachte das subtil museale «-werkes») nicht einfach nur verboten, sondern «strengstens untersagt.» Damit nicht genug. «Eine Missachtung wird gebüsst», heisst es weiter. Aus dem Textzusammenhang geschlossen, kann nur die Missachtung des Kunstwerkes gemeint sein. Man hüte sich also, es mit abschätzigem Blick herabzuwürdigen. Und das ist tunlich ernst zu nehmen, denn: «Dieser Platz wird überwacht.»