Der russische Nachbar bleibt auch nach Auflösung der Sowjetunion unberechenbar. Ein Beispiel ist die Verurteilung von acht angesehenen finnischen Bürgern nach dem Weltkrieg. Sie waren für Moskau Kriegsschuldige, während Finnlands historische Zeitschrift den Volkshelden 70 Jahre später eine Sondernummer widmet.
„Finnlandisierung“ ist vorbei
Der Titel lautet: „Sie bezahlten mit Gefangenschaft für Finnlands Unabhängigkeit.“ Präsident Paasikivi hielt am Ende des Weltkrieges den auf Bestrafung drängenden finnischen Kommunisten entgegen: „Eure Forderung erzeugt Märtyrer!“ Die jetzt von den Historikern vorgelegte Untersuchung bestätigt die Prophezeiung des finnischen Präsidenten. Zugleich signalisiert die Sondernummer, dass die als „Finnlandisierung“ bekannte Rücksicht auf den grossen Nachbarn beim finnischen EU-Mitglied abgebaut wird.
Unter den vor 70 Jahren zu Unrecht Verurteilten befinden sich auch ein finnischer Präsident und die Leitfigur der finnischen Sozialdemokraten. Die Bestrafung war schon 1944 eher eine Aufwertung und alle acht Betroffenen blieben in wichtigen Funktionen. Die damals noch starke kommunistische Partei Finnlands ist jetzt bedeutungslos. Die Rehabilitierung ist ein Signal für andere EU-Mitglieder an der Grenze zu Russland. Diese warten allerdings auch auf die Haltung, die Brüssel in solchen Belangen gegenüber Moskau einnehmen wird.
Keine Sonderverfahren im Rechtsstaat
Die massgeblich vom finnischen Historiker Jyrki Vesikansa veranlasste und betreute Nummer der Zeitschrift ist allerdings keine Abrechnung mit dem grossen Nachbarn. Wie der Historiker in seinem Kommentar feststellt, geht es in der Sondernummer um die Durchsetzung des Rechtsstaates. Und die finnische Verfassung enthält keine Grundlage für abweichende Sonderverfahren wie die von der damaligen Sowjetunion erzwungene Anklage gegen acht angesehene finnische Bürger.