Der 16. November 1989: Auf dem Wenzelsplatz in Prag demonstrieren 15'000 Menschen gegen den Kommunismus. Es kommt zu wüsten Szenen mit der Polizei. 600 Personen werden verletzt. Am 17. November treten Studenten und Schauspieler in Streik. Damit beginnt die Samtene Revolution. Die Kommunisten werden davongejagt.
Kurz nach der Wende kommt der damals 27-jährige Glenn Spicker aus Connecticut nach Prag. Die Stadt begeistert ihn. Hier eröffnet er zunächst ein Jazz-Lokal, das Red Hot and Blues Café. Dann hat er eine Idee: Er baut ein Kommunismus-Museum auf. Zusammen mit tschechischen Freunden will er zur Vergangenheitsbewältigung beitragen. Ein Yankee, der den Tschechen und Slowaken den Kommunismus erklärt - kommt das gut?
Perverser geht es nicht. Das Kommunismus-Museum liegt an bester Lage in einem Adelspalast. Direkt daneben befindet sich eine McDonald´s-Filiale. Grotesker noch: Neben dem Museums-Eingang liegt der Eingang zum Prager Casino.
Der Eintrittspreis zum Museum beträgt 180 tschechische Kronen. Das sind neun Schweizer Franken, nicht billig für Prag. Die ältere Dame an der Kasse wirkt sehr in sich gekehrt. Zehn Meter hinter der Kasse sitzt eine weitere ältere Dame. Sie entwertet das Eintritts-Ticket. Weshalb eine zweite Dame? Arbeitsbeschaffung? Wir sind die Einzigen im Museum.
Dann geht's los. In einem engen Gang stehen riesige Lenin-Statuen aus Eisen, ein Fahrrad aus kommunistischer Zeit, eine Marx-Statue. Bilder von Marx und Engels.
Wieso gibt es keine Besucher? Viele Tschechen betrachten es als Beleidigung, dass ein umtriebiger Amerikaner ihre Vergangenheit aufarbeiten und damit Geld verdienen will. In Fremdenführern wird das Museum angepriesen. In Hotels hängen Werbeplakate - auf Englisch. So wird denn die Ausstellung vor allem von Touristen aufgesucht. Wenn überhaupt.
Natürlich ist das Museum ein Krimskrams-Museum. Da gibt es Dutzende von Lenin- und Karl Marx-Büsten, da gibt es einen nachgebauten Lebensmittelladen, alte Mopeds, alte Funkgeräte und Gasmasken, ein nachgebautes Klassenzimmer und ein Büro von Parteioberen. Und viel mehr.
Das meiste wurde auf Flohmärkten und Trödelläden zusammengekauft. Arnold Bartetzsky, der in Leipzig lehrende Kunsthistoriker, nennt es „ein kommerzielles Erzeugnis der zeitgenössischen Spasskultur“. Hier werde der Kommunismus von „seiner lustigen Seite“ gezeigt.
Ein Besucher schreibt ins Gästebuch: „Selten hat ein Museum einen solch detaillierten Kommentar zu den schwärzesten Tagen ihrer Geschichte gezeigt“. Genau das stimmt nicht. Über die Leiden der Tschechen und Slowaken unter dem Kommunismus, über ihre Entbehrungen und ihre Unterdrückung erfährt man hier wenig.
Und dennoch: Auch Krimskrams kann informativ sein. Das Museum bietet keine Analyse des tschechoslowakischen Kommunismus. Da waren keine Politologen oder Museums-Spezialisten am Werk. Aber es zeigt Erinnerungsstücke und interessante Köstlichkeiten, vor allem Plakate und Fotos. Da wird das kommunistische Schlaraffenland hochgejubelt. Wie grotesk doch das alles war.
Die Texte zu den ausgestellten Objekten sind nüchtern. Amerikanische Kalte-Kriegs-Rhetorik fehlt. In einem Nebenraum ist ein kleines Kino eingerichtet. Hier wird die Samtene Revolution von 1989 in ergreifenden Filmdokumenten gezeigt.
Unbedarft wirkt der aus Pappe fabrizierte Nachbau eines Teils der Berliner Mauer. Und die spassige Seite ist offenbar für amerikanische Touristen gedacht. Auf einem Plakat sieht man junge Frauen. Spicker liess darauf den englischen Text drucken: „Ich würde ja einen BH tragen, vorausgesetzt es gäbe in den Läden welche“.
"Wie viele Besucher hat denn das Museum?" Die ältere Dame an der Kasse zuckt zusammen. Wir fragen nicht weiter.
Auf dem Eintrittsticket ist ein Bild von Stalin abgebildet. Auf der Rückseite des Billets wird Werbung für das Restaurant Propaganda gemacht. "Visit our new Pub". Dort gibt es sieben Sorten Bier vom Fass. Das Restaurant ist eines von mehreren, die Glenn Spicker inzwischen in Prag eröffnet hat. Nach dem Kommunismus verkauft er jetzt Bier.