Keine Schlacht entging seinem Pinsel oder seinem Zeichenstift. Da wirft sich Winkelried in die Lanzen der habsburgischen Ritter. „Sorget für mein Weib und Kind“ ruft er, bevor er stirbt.
„Eine ganze Schlachtplatte serviert uns Jauslin“, erklärt der Basler Historiker Peter Habicht gegenüber Journal21. Natürlich auch Morgarten.
Dramatisch, wie Karl der Kühne in Nancy zu Tode kommt.
Karl Jauslin, am 21. Mai 1842 in Muttenz (BL) geboren, prägte das Geschichtsbild vieler Generationen – zumindest bildlich. Von Genf bis St. Margrethen hingen seine Darstellungen in den Schulstuben. Da die Bilder sowohl mit deutschen als auch französischen Legenden versehen waren, wurde er auch in der Westschweiz berühmt. Die Werke haben dazu beigetragen, die Schweizer Geschichte zu verklären, zu mythologisieren.
Das hat seinen Grund: Der Sonderbundkrieg (1847) hatte die Schweiz zerrissen. Mit der Bundesverfassung von 1848 fasste man die zerstrittenen katholischen und liberal gesinnten Kantone zusammen, schüttete Gräben zu und schuf einen einheitlichen Staat. Zumindest auf dem Papier. Mit der Beschwörung einer glorreichen Vergangenheit trug Jauslin zum „Nation-building“ bei, erklärt Peter Habicht. „Mit seinen Werken will Jauslin via Geschichte eine gemeinsame Identität schaffen.“
1891 wurde in der Schweiz erstmals ein Nationalfeiertag, der 1. August, gefeiert. Jauslin wurde beauftragt, das erste 1. August-Plakat zu entwerfen.
In seinen Bildern wimmelt es von Helden. Nur einmal zeigt er auch die Schrecken des Krieges. Die Botschaft ist wohl: Zerstrittenheit bringt den Tod.
Jauslin, dessen Vater früh starb, arbeitete zunächst als Handlanger auf dem Bau, dann machte er eine Lehre bei einem Dekorationsmaler. Seine Freundin verliess ihn und wanderte mit ihrer Familie nach Amerika aus. Darunter litt er und blieb ein Leben lang ledig.
1870 ging er nach Stuttgart, wo er für die Familienzeitschrift „Über Land und Meer“ und für die „Deutsche Kriegszeitung“ Illustrationen zum eben ausgebrochenen deutsch-französischen Krieg zeichnete.
1871 schrieb er sich in der Königlichen Kunstschule in Stuttgart ein, wo er vier Jahre lernte. Unterstützt wurde er von seiner Mutter und zwei seiner Schwestern, die in der Fabrik arbeiteten, um ihm finanziell helfen zu können. Nach einem Abstecher nach Wien kehrte er nach Muttenz zurück, wo er bis zu seinem Tod lebte.
Berühmt wurde er durch seine Schlachtbilder. Doch „als Illustrator ist er wichtiger denn als Maler“, sagt Peter Habicht. Bekannt wurde er zunächst durch seine Kalender-Illustrationen. Für 15 Volkskalender arbeitete er regelmässig. Er war das, was wir heute einen „Workaholic“ nennen. Vom frühen Morgen bis am späten Abend zeichnete und malte er. Er hat Tausende Bilder, Illustrationen und Aquarelle geschaffen. Alle wichtigen Ereignisse kamen unter seine Feder oder seinen Pinsel.
Jauslin war vor allem ein ausgezeichneter Zeichner. Er hatte einen Sinn für Bildkompositionen und Dramatik. „Das geht direkt ans Gefühl“, sagt Peter Habicht.
Die Basler Fasnacht hat ihn eine Leben lang fasziniert.
Zum „Nation-building“ gehörte auch, dass nach der Gründung des Bundestaates in der ganzen Schweiz grossartige patriotische Feste gefeiert wurden. Sie sollten die nationale Integration stärken. Jauslin zeichnete und malte immer wieder historische Festumzüge.
Doch er malte und zeichnete nicht nur die Festumzüge. Er entwarf auch die Kostüme. Tausende Kostüm-Skizzen sind vorhanden. Selbst besass er mehrere historische Uniformen, Rüstungen und alte Waffen. Mit selbst entworfenem Outfit nahm er an historischen Umzügen teil. Hier ein Selbstbildnis.
Im Ortsmuseum Muttenz sind etwa hundert Bilder von Karl Jauslin zu sehen. Kuratiert wurde die neugestaltete Ausstellung 2014 von Peter Habicht. Insgesamt befinden sich in Muttenz über 5'500 Bilder, Illustrationen und Aquarelle von Jauslin.
Ruedi Bürgin, der Präsident der Muttenzer Arbeitsgruppe Museen, erzählt uns, dass immer neue Bilder dazukommen. Nach dem Tod Jauslins stand sein Haus mit all den Illustrationen und Aquarellen leer. Seine Mutter und seine zwei Schwestern (die dritte war nach Amerika ausgewandert) verschenkten mal dieses, mal jenes Bild. Einige dieser Werke „kommen jetzt nach und nach zurück und werden dem Museum übergeben“, erklärt Bürgin.
Einmal reichte Jauslin ein Bild für eine Ausstellung ein – doch nie wieder. Der Basler Kunstverein lehnte das Gemälde ab. Was hatte der Schlachtenmaler Jauslin eingereicht? Ausgerechnet ein Marien-Bild.
Am 25. September 1904 nahm Jauslin, malerisch als Bannerträger gekleidet, in Liestal an der Einweihung des Denkmals für die Opfer des Bauernkrieges teil. Bevor sich der Festzug in Gang setzte, erlitt er einen Schlaganfall und starb am 12. Oktober 1904.
Ortsmuseum Muttenz, Schulstrasse 15, 4132 Muttenz
Geöffnet 14.00 –17.00 Uhr am letzten Sonntag im Monat, ausgenommen Juli und Dezember (oder auf Anfrage)
Sonderschau mit 5 neuen Landschaftsbildern von Karl Jauslin am 28.05.2017 und am 25.06.2017