Es begann mit einem Video auf Facebook und Twitter. Die Römer Zeitung «Il Messagero» wurde darauf aufmerksam. Dann publizierten auch die grossen italienischen Blätter, der «Corriere della sera» und «La Repubblica» die Botschaft. Und dann war der Teufel los.
Michela Isca ist Krankenpflegerin (Krankenschwester) in einem Spital in der italienischen Stadt Pescara.
Eines Tages fand sie unter dem Scheibenwischer ihres Autos ein Pamphlet der Corona-Leugner. Darin werden die Lockdown-Massnahmen der Regierung scharf verurteilt. Mit abenteuerlichen Zahlen wird auf dem Flugblatt die Pandemie heruntergespielt. Fazit: Alles ist Hysterie.
In Italien sind bisher über 50’000 Menschen an Corona gestorben. Die Mortalität liegt 22 Prozent über jener des Vorjahres. Die Zahlen der Infizierten und Toten steigen wieder stark.
Die Verharmlosung der Pandemie lässt Michela nicht auf sich sitzen. In einem achtminütigen Video, das sie in den sozialen Medien verbreitete, verwendet sie harte Worte.
Punkt für Punkt widerlegt die «Infermiera» die Behauptungen der Corona-Leugner (in Italien heissen sie: «negazionisti»).
Der Paukenschlag
Es sei Unsinn zu behaupten, Corona sei «ein Grippchen, an dem nur Über-70-Jährige sterben». In den Spitälern seien die Ärzte und die Pflegerinnen und Pfleger am Limit. Die Arbeitsbelastung sei enorm. Das Personal erdulde täglich schreckliches Leid. Es gebe eine Krankenschwester für fünf intubierte Patienten. «Es ist die Schuld derjenigen wie Sie, die die Regeln nicht eingehalten und sich nicht mit einer Maske geschützt haben, dass wir heute an diesem Punkt sind.»
Und dann der Paukenschlag:
«Wir sind keine Helden», sagt Michela, «wir sind keine Heiligen, aber wir sind Profis, die mit Hingabe und Ernsthaftigkeit arbeiten. Ihr Corona-Leugner verdient es nicht, dass wir uns für Euch aufopfern. Wenn Sie krank werden, kommen Sie nicht ins Krankenhaus. Nicht, weil ich Sie nicht pflegen würde, sondern weil Sie es nicht verdienen.»
Belegte Intensiv-Betten
Das Video schlug da und dort wie eine Bombe ein. Michela wird in den sozialen Medien mit Pech und Schwefel überhäuft. Doch viele andere bekunden Verständnis.
Auch in Italien, wo die zweite Welle über das Land schwappt, sind die Intensiv-Betten in den Spitälern rar geworden. Sollen sie von Leuten besetzt werden, die gegen harte Schutzmassnahmen demonstrierten und so zur Weiterverbreitung der Pandemie beitrugen? Diese Frage wird auch in Italien längst heftig diskutiert. Das Video von Michela hat der Diskussion nun neue Brisanz verliehen.
«Diese Unmenge von Schwachköpfen»
«Diese Irren sollen uns die Spitalbetten wegnehmen», heisst es auf Facebook. «Nie und nimmer, werft sie aus dem Spital, macht Platz für jene, die Respekt vor der Pandemie haben!»
Ein User Nummer 130935 MG schreibt: «Ich bin voll und ganz der Meinung, dass die diejenigen, die Corona leugnen und die grundsätzlichen Regeln nicht respektieren, nicht behandelt werden sollen. Warum müssen Ärzte und Krankenschwestern ihr Leben riskieren, um die Unmenge von Schwachköpfen zu retten?»
«Wechseln sie den Beruf»
Andere haben gar kein Verständnis für Michela.
Eine Francesca Della Piera schreibt: «Sie haben die Pflicht, jeden zu behandeln. Ihr Lohn wird auch von jenen bezahlt, die sie in dem Video beleidigen. Sie haben ihren Beruf gewählt und sind nicht dazu gezwungen worden. Wenn er ihnen nicht gefällt, wechseln sie den Beruf.»
Ein anderer schreibt: «Wo kämen wir hin, wenn wir die Betreuung von Kranken von ihrer Ideologie und ihren Ansichten abhängig machen würden?»
Frauenfeindliche Attacken
Und: «Ein zivilisierter Staat zeichnet sich dadurch aus, dass er jedes menschliche Wesen ernst nimmt und pflegt, ob es nun unbescholtene Bürger sind oder andere.»
Eine Userin enerviert sich: «Was sind Sie für eine Krankenschwester. Von ihnen möchte ich nicht gepflegt werden. Nicht einmal ein Aspirin nähme ich von ihnen.»
Und natürlich wird Michela mit Dutzenden üblen frauenfeindlichen Attacken beglückt.
«Natürlich wollte ich provozieren»
Am Tag danach schob Michela einen Facebook-Eintrag nach. «Mein Ziel war es, die Corona-Leugner davon zu überzeugen, sich selbst zu schützen. Das Leben ist heilig. Natürlich wollte ich provozieren.»
Das ist ihr gelungen.
Auch rabiat ging es zu: Ein Florentiner sagt: «Wenn ich einen dieser Corona-Leugner in einem Intensiv-Bett entdecke, zerre ich ihn auf die Strasse und werfe ihn in den Arno.»
Der Arno ist der Fluss, der durch Florenz fliesst.