Allerdings an einem Pfingstsamstag, an dem viele seiner treuesten Besucher, - und gelegentliche Käufer von Klees, Mondrians, Giacomettis, Arps, Lichtensteins etc. in ihren Ferienhäusern im Berner Oberland oder im Süden weilten.
Sie sendeten Reminiszenszen: Vrone Burckhardt, eine der ‚grandes dames’ des Basler Kulturlebens: "Ich war eine junge Sekretärin in einem Advokaturbüro an der Bäumleingasse, als dieser junge Mann auf der anderen Strassenseite eine Galerie eröffnete und diese Seltsamkeiten in die Vitrine stellte, wie einen Klee. Natürlich ging niemand diese Sachen anschauen. Da hielt man sich an die renommierten Galerien."
Angeschaut hat sich diese Klees jedoch der damals blutjunge Schriftsteller Walter Schneider, der jeden Mittag in der Galerie verbrachte und diese ungewohnten Visionen in sich einsog: "Ich lebte förmlich in Klees Werken und habe darüber Gedichte geschrieben." Auch für die Malerin Raya Herzig waren die Ausstellungen eine Inspiration: "Ganz grosse Kunst! Ich genoss sie immer wieder und ging dann voller Ideen und Komplexe zugleich nach Hause." Nach Hause nehmen konnte man auch eine andere Glanzleistung Beyelers; die ausführlichen Ausstellungskataloge und Künstlerbücher des ehemaligen Schriftsetzers. Vrone Burckhardt: "Diese sind heute ja selbst Sammlerstücke von einem gewissen Wert. In anderen Galerien bekam man nur irgendwelche Zettel bei den Vernissagen in die Hand gedrückt."
Später, als Beyeler mit der Übernahme grosser Sammlungen dann auch "verständlichere" Bilder zeigte, kam auch die Basler Gesellschaft und blieb. Und sie kaufte. Denn eines war bald einmal klar: Beyeler hatte ein untrügliches Auge für Qualität. Und dieses verpflichtete. So mussten manchmal zwei Bilder eines Malers verkauft werden, um ein drittes, noch besseres, kaufen zu können. Das Renommee dieser Kennerschaft, seine persönlichen Kontakte zu den grossen Künstlern des 20. Jahrhunderts und sein internationales Netzwerk machten seine Galerie zu einer der fünf wichtigsten auf dem Erdball.
Grosse Sammler aus aller Welt kamen nach Basel, um bei ihm zu kaufen und zu verkaufen. Doug Tomkins zum Beispiel, der frühere Besitzers des Modeimperiums Esprit mit Sitz in San Francisco, verkaufte seine bedeutende Kunstsammlung bei Beyeler, um davon weite Flächen Waldes in Chile zu kaufen und ihn damit vor dem Abholzen zu retten. Theodora Vischer, die das "Schaulager" in Münchenstein als neue Verbindungsform von Lager und Ausstellungsort etabliert hat, erinnert sich an "den ersten Netzwerker der Kunstwelt": "Er hat sich eine gewisse Naivität erhalten, eine Begeisterungsfähigkeit und den Glauben vertreten, dass die Kunst Schönheit in die Welt bringen kann. Was heute kaum mehr möglich ist."
Ausserdem habe er mit seiner Galerie ein Energiezentrum für moderne Kunst in Basel geschaffen und dieses mit der Art noch ausgeweitet. Vischer: "Eine seiner grossen Leistungen ist, dass er trotz seines Erfolges gerade in den 80er-Jahren hier geblieben ist und die Galerie nicht in ein urbanes Zentrum wie Paris, New York oder London verlegt hat. Seine Bedeutung für die Kunststadt Basel, auch seine ständige Lobbyarbeit für das Kunstmuseum hinter den Kulissen, ist nicht zu überschätzen."
Dieses Energiezentrum liegt bis heute noch in einem zweigeschossigen Altstadthaus in der Nähe des Münsters. Dessen steilen Stiegen, die kleinen, tiefen, verwinkelten Räume bieten auch ausserhalb der Vernissagen bewegungstechnische Anforderungen. Und doch war es gerade diese private Atmosphäre, die für manche moderne Kunst leichter erlebbar machte. Vischer: "Einen frühen Rauschenberg wie im eigenen Wohnzimmer betrachten zu können, war ein besonderes Erlebnis."
Dieser bescheidene Sitz der Galerie war ganz im Sinne von Ernst Beyeler, der aus der Bescheidenheit, zur grossen Befriedigung seiner Basler Freunde, fast einen Kult machte. Jeden Morgen kam er mit dem Velo aus Riehen über die langen Erlen angefahren. Er spielte nicht Golf, er war im Ruderclub. In Paris leistete er sich viele Jahre lang nur ein Hotel ohne Telefon. Und die Galerie hatte nur Ofenheizung.
Am Samstag wartete eine lange Schlage vor dem geöffneten Büro des Galeristen, das nun, mit einer Samtkordel wie im Museum oder im Schloss, nicht den Einblick doch den Eintritt verwehrend, wie ein Schrein besucht wurde. Leise murmelnd sog man nun, war man an der Reihe, das Fluidum dieses genialen Menschen ein.
Claudia Neugebauer, die 39 Jahre lang, ihr ganzes Berufsleben, an seiner Seite und in diesem Büro verbracht hat, beschreibt seinen Stil so: "Er war der Patron, wir das Team. Er entschied, wir führten aus. Philosophische Gespräche über Kunst gab es nicht. Es ging immer nur um das Geschäft. Er hatte das Telefon am Ohr und gab uns Anweisungen. Diese zielstrebige Hartnäckigkeit, viel Glück und eine unglaublich gute Nase, machten seinen Erfolg aus."
Claudia Neugebauer schliesst nun nach dem testamentarischen Willen von Ernst und Hildy Beyeler die Galerie, deren Bestände am 21.und 22. Juni in London versteigert werden. Der Erlös wird der Fondation zur Deckung der Betriebskosten des Museums zugeführt.
Dieses Museum in Riehen, eine ganz unbaslerische Zurschaustellung der eigenen Bestände, ist mit seinem klaren lichten Bau von Enzo Piano, dem Park mit altem Baumbestand, und den spektakulären Ausstellungen, - momentan von Richard Serra und Constantin Brancusi - schon seit seiner Entstehung 1997 ein Anziehungspunkt für eine internationale Besucherschar. Es und seine Bestimmung "Das Interesse der breiten Bevölkerung an der modernen Kunst zu fördern und junge Menschen an die Kunst heranzuführen" werden bleiben.
Die Galerie aber wird geschlossen. Kunstkenner Hans von Graevenitz: "Wir haben 50 Jahre lang hier mit der Galerie gelebt, Eindrücke bekommen, Gespräche geführt. Eine Ära geht zu Ende. Kein guter Tag."