Saudi-Arabien will am kommenden Dienstag, 12. Mai, in Jemen eine fünftägige Kampfpause einschalten. Ab 23.00 Uhr soll nicht mehr bombardiert werden. Dies erklärte der saudische Aussenminister seinem amerikanischen Amtskollegen John Kerry.
Nach dieser Erklärung vom Freitagabend sind die Bombardierungen offensichtlich verstärkt worden. Brigadegeneral Ahmed Assiri, ein saudischer Militärsprecher, erklärte am Freitagabend, die Huthis hätten eine „Rote Linie“ überschritten, indem sie saudische Wohnstätten an der saudisch-jemenitischen Grenze bombardiert hätten. Die Sicherheit Saudi-Arabiens habe immer erste Priorität. Beim Beschuss von Najran, einer saudischen Ortschaft an der Grenze zu Jemen, seien zehn Personen getötet worden.
„Evakuiert Saada!“
Der Militärsprecher warnte, die saudische Luftwaffe werde Saada, die Hauptstadt der gleichnamigen Grenzprovinz angreifen. In der Stadt, Ursprungsort der Huthis, soll die saudische Luftwaffe Flugblätter abgeworfen haben. Darin wird die Bevölkerung gewarnt und aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Auf den Flugblättern hiess es, die Ausfallstrassen würden bis Freitagabend (8. Mai) nicht bombardiert. Offenbar sind zahlreiche Familien geflüchtet, doch viele Bewohner konnten nicht fliehen, weil das Benzin ausgegangen ist. Manche versuchten, sich in den umliegenden Bergen zu verstecken. Der Armeesprecher kündigte an, die Provinz Saada werde „24 von 24 Stunden“ bombardiert.
Es ist anzunehmen, dass Saudi-Arabien tatsächlich seine Bombenangriffe intensiviert. Ob danach die angekündigte Feuerpause in Kraft tritt, ist jedoch ungewiss. Dies hänge laut saudischen Sprechern davon ab, ob „die Huthis kooperieren“. Was das genau heisst, ist unklar. Es kann zweierlei bedeuten:
- die Huthis müssen das Feuer einstellen, oder
- die Huthis müssen die schon früher formulierten saudischen Forderungen akzeptieren und sich aus Sanaa zurückziehen und die Waffen abgeben.
Die Huthis schweigen
Die Huthis selbst haben sich noch nicht zur vorgeschlagenen Feuerpause geäussert. Ihr Sprecher sagte, sie seien noch nicht offiziell benachrichtigt worden. Sollte dies noch geschehen, werde man den Vorschlag prüfen. Es ist jedoch mit Bestimmtheit anzunehmen, dass die Huthis ihre Waffen nicht abgeben. Ebensowenig werden sie wohl Sanaa räumen. Ungewiss ist auch, ob sie bereit sind, das Feuer fünf Tage lang einzustellen – vor allem im südlichen Aden, wo am intensivsten gekämpft wird.
Fünf Tage - zu wenig
Für die jemenitische Bevölkerung wäre eine „humanitäre Pause“ nichts
weniger als lebenswichtig. Doch reichen fünf Tage aus, um die Bevölkerung mit den dringend benötigten Hilfsgütern zu versorgen? Nach Angaben der Hilfswerke ist der Benzinmangel das grösste Problem. Im Gebirgsland Jemen gibt es viele Dörfer hoch in den Bergen und tief in den Tälern. Dort droht eine Hungersnot. Ohne Treibstoff können den Dorfbewohnern nicht genügend Nahrungsmittel gebracht werden. Zwanzig Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) fordern deshalb einen permanenten Waffenstillstand.
Ungewiss ist, ob in den fünf Tagen des versprochenen Bombardierungsstopps überhaupt Treibstoff ausgeladen werden kann. Tanker, deren Inhalt für Jemen bestimmt ist, dürfen nur mit Zustimmung der saudischen und ägyptischen Kriegssschiffe in die Häfen Jemens einlaufen. Die Saudis wollen die Schiffe aber zuerst inspizieren, bevor sie sie in die Häfen einlaufen lassen wollen. Mit dieser Inspektion, die sehr langsam vor sich geht, soll vermieden werden, dass iranische Waffen den Huthis geliefert werden. Die Kapitäne der Frachtschiffe und Tanker wissen nicht, wie lange sie warten müssen, bis sie an die Reihe kommen. Manche, so wird gemeldet, hätten abgedreht, ohne ihre Ladung in Jemen zu löschen.
Ohne Treibstoff keine Versorgung
Auch der Weizen, der den Jemeniten als Grundnahrung dient, kommt zu 90 Prozent des Bedarfes per Schiff nach Jemen. Der Benzinmangel führt dazu, dass Nahrungsmittel nicht verteilt werden können. Das gleiche gilt für Medikamente. Die Spitäler erklären, ihre Vorräte seien zu Ende.
Die Hilfswerke warnen, ohne Treibstoff müssten sie ihre Tätigkeit
einstellen. Auch die Wasserversorgung hängt vielerorts, so auch in der
Hauptstadt, von Pumpen ab, die mit Diesel betrieben werden. Aus einer Tiefe von manchmal Hunderten Metern wird Grundwasser an die Oberfläche gepumpt.
Die Bomben fallen wie eh und je
Seit dem 26. März, als die Bombardierungen und die
Schiffsblockade begannen, hat Jemen von seinen Vorräten gelebt. Doch diese gehen zu Ende. Ob die versprochene Feuerpause auch ein Ende der Blockade bedeuten wird, ist unklar. Es ist zu befürchten, dass nach wie vor keine Schiffe anlegen können, weil Saudi-Arabien die Suche nach iranischen Waffenlieferungen nicht einstellen wird.
Es ist auch daran zu erinnern, dass die Saudis bereits einmal erklärt
haben, die Bombenangriffe seien eingestellt worden. Doch sie gingen weiter. Nur der Name der Militäraktion wurde geändert. Zuerst hiess sie: „Sturm der Entscheidung“ (decisive storm), nun heisst sie „Neue Hoffnung“ (renewed hope). Doch die Bomben fallen wie eh
und je.
Verhasste nördliche Machthaber
Die Huthis kämpfen weiter. Besonders in Aden dauern die Kämpfe an. Die Huthis sind dabei, sehr langsam, Strasse um Strasse um Quartier zuerst mit Artillerie anzugreifen und dann in Besitz zu nehmen. Sie geniessen dabei nach wie vor die Unterstützung jener Elite-Truppen der regulären Armee, die auf die Weisungen von Ex-Präsidenten Ali Abdullah Saleh hören, statt auf die der Regierung des exilierten Präsidenten al-Hadi.
In Aden werden die Huthis und ihr Kampfgenossen in erster Linie von
Bewaffneten aus der lokalen Bevölkerung bekämpft. Sie wollen vor allem nicht von der Hauptstadt Sanaa aus regiert werden – weder von den Huthis, noch von jedem andern Regime des nördlichen Landesteils. Sie wollen den südlichen Landesteil mit seiner Hauptstadt Aden von den verhassten nördlichen Machthabern befreien. Saudische Luftangriffe gegen die Huthis helfen ihnen dabei.