In Sanaa sind die Huthis, die seit Mitte des vergangenen Jahres Sanaa besetzt halten, zum ersten Mal mit Teilen der jementischen Streitkräfte zusammengestossen. Doch nach Geländegewinnen der Huthis wurde ein Waffenstillstand geschlossen.
Das Vorgehen der Huthis
In Sanaa sind am Sonntg heftige Kämpfe zwischen den Huthis und Truppen der Präsidialgarde ausgebrochen. Sie stellen den bisherigen Höhepunkt von zunehmenden Spannungen dar, die sich zwischen dem Präsidenten Abdrabbo Mansur al-Hadi und den Huthis ergeben. Die Huthis versuchen, in kleinen Schritten immer mehr Macht über die von ihnen besetzte Hauptstadt Sanaa zu erlangen, indem sie einerseits gegen die Privatwohnungen und Amtssitze von Personen vorgehen, die sie als ihre Feinde einstufen und andrerseits mit allen Mitteln darauf dringen, ihre Anhänger in die entsprechenden Positionen zu befördern. Dies gilt von einfachen Polizisten und Bürokraten, aber auch von den Spitzen aller staatlichen Stellen und Behörden.
Es ging kürzlich in erster Linie um die leitenden Polizeipositionen in Sanaa und offenbar auch um Versuche, die Beförderung von Armeeoffizieren in ihrem Sinn zu beeinflussen. Jene Personen, die sie dabei fördern, sind neben Huthi Mitgliedern auch Anhänger des früheren langjährigen Staatchefs Ali Abdullah Saleh.
Erdöl gegen Mitsprachrecht bei der Armee
In einigen Hintergrundberichten hiess es am vergangenen Freitag, ein Feldkommandant der Huthis, dessen Einheiten am Rande der Erdölprovinz Schabwa stehen, habe sich mit dem gegenwärtigen Verteidigungsminister getroffen und ihm vorgeschlagen, er werde mit seinen Truppen nicht nach Schabwa einmarschieren, wenn im Gegenzug der Präsident den Huthis ein Mitsprachrecht bei der Ernennung von hohen Militärkommandanten der Armee gewähre. Dies sei dann vereinbart worden.
Polizeispitzen ausgetauscht
Am Tag zuvor war gemeldet worden, der Präsident habe hohe Polizeioffiziere ihres Kommandos enthoben, die den Islah, den Feinden der Huthis, nahestanden, und er habe sie durch Personen ersetzt, die entweder als Freunde der Huthis gelten oder als Anhänger des früheren Präsidenten. Die Namen des neuen Kommandanten der Sonderkräfte der Polizei ("Special Forces") , eines neuen Polizeikommandanten und des neuen Stabschefs der Polizei, wurden in diesem Zusammenhang genannt.
Entführung des Spitzenbeamten der Präsidentschaft
Am Sonntag wurde sodann der Stabschef des Präsidenten, Ahmed Awad bin Mubarak, von den Huthis entführt. Dies geschah unmittelbar nach einer Sitzung, in der der Staatschef die politischen Kräfte über den Entwurf der neuen Verfassung Jemens informieren wollte. Dabei gab es offenbar Streit. Die Vertreter der Huthis und jene der Partei des früheren Präsidenten verliessen die Sitzung unter Protest.
Man weiss, dass die Huthis nicht einverstanden sind mit der geplanten Aufteilung des Landes in fünf autonome Provinzen, weil sie sich durch die Zuteilung einer kleinen und armen Provinz im Norden benachteiligt fühlen, und man kann annehmen, dass dieses den Streitpunkt bildete.
Antikorruptionskampagne als Vorwand
Die Huthis erklärten, sie hätten den Stabschef "festgenommen", um zu verhindern, dass das Übereinkommen vom 21. September 2014 "gebrochen" werde. Dies war die Übereinkunft zwischen allen politischen Kräften einschliesslich der Huthis, nach der eine neue Regierung unter Einschluss der Huthis und der Partei des früheren Staatschefs gebildet werden sollte. Im Gegenzug hatten die Huthis versprochen, sie würden nach der Regierungsbildung Sanaa verlassen. Doch nach der Einsetzung der neuen Regierung hielten sie sich nicht daran. Als Vorwand ihres Verbleibens in Sanaa erklärten sie, sie hätten dafür zu sorgen, dass die Korruption in der Regierung beendet werde.
Korruptionsvorwürfe sind populär, weil allgemein angenommen wird, die Politiker und die Machthaber seien äussert korrupt. Korruptionsvorwürfe - ohne Beweise - dienen den Huthis in vielen Fällen dazu, ihre mehr oder minder gewaltsame Übernahme von Positionen in der Regierungbürokratie zu begründen oder zu rechtfertigen.
Zahlreiche andere Übergriffe wurden gemeldet, die sich gegen Regierungsinstitutionen und Medien richteten oder auch gegen Schulen und Immobilien der pro-islamischen, sunnitischen Islah Partei.
Einstellung der Erdölförderung
Die "Festnahme" des Stabschef des Präsidenten, Awad bin Mubarak, der aus der Provinz Schabwa stammt, veranlasste den Provinzgouvereur von Schabwa, Ahmed Ali Belhaj, dazu der dortigen Erdölgesellschaft zu befehlen, die Förderung einzustellen und auch die Erdgasanlage der Provinz, die einzige des Landes, stillzulegen. Er erklärte, dies werde andauern, bis Awad bin Mubarak freikomme.
Die Waffen sprachen - vorübergehend?
Nach all diesen Nadelstichen und Spannungselementen kam es dann am Montag früh zu Schiessereien zwischen der Präsidialgarde und den Huthis. Beide Seiten erklärten, die andere habe begonnen. Auch in dem Stadteil Hadda, wo viele Botschaften untergebracht sind, kam es zu Gefechten. Später wurde auch von Vermittlungsversuchen gesprochen. Gegen Montag Nachmittag scheinen sie erfolgreich gewesen zu sein. Die Schiessereien klangen ab. In ihrem Verlauf sollen die Huthis nach Aussagen der Informationsministerin der Regierung das staatliche Fernsehen beschossen und eingenommen haben.
Die schwache Position des Präsidenten
Bisher hat die Seite des Staatschefs den Huthis stets nachgegeben, warum ist unklar. Es könnte gewesen sein, weil sie objektiv schwächer ist als jene der Huthis. Es ist aber auch denkbar, dass Präsident al-Hadi, der sich auf die Amerikaner, auf die Golfstaaten und auf die Uno abstützt, von seinen internationalen Partnern immer wieder zur Nachgiebigkeit überredet wird, mit der Begründung, ein Bürgerkrieg müsse um jeden Preis vermieden werden. Hadi ist auch finanziell von diesen internationalen Stützen abhängig.
Ungewissheit über die Loyalität der Armee
Ob der Präsident in der Lage wäre, sich den Huthis zu widersetzen, wenn es zu einem Entscheidungskampf käme, hängt davon ab, inwieweit er sich auf die jemenitischen Streitkräfte stützen könnte, wenn diese vor die Entscheidung gestellt würden, entweder für ihn oder für die Huthis und deren gegenwärtigen Freund und Partner, Ex-Präsident Ali Saleh Abdullah, Partei zu ergreifen. Die Präsidialgarde hat sich in den jüngsten Kämpfen offensichtlich für al-Hadi, den Präsidenten, den sie zu bewachen hat, eingesetzt. Doch dies besagt nicht, dass die ganze Armee dies täte, wenn sie dazu aufgefordert würde. Möglicherweise ist dies der Hauptgrund der sich bisher regelmässig bestätigenden Nachgiebigkeit des Präsidenten.