Schließlich war es das erste Mal in fünf Dekaden, dass eine amerikanische-Außenministerin das kleine Land aufsuchte, gegen das die USA ohne die gesetzlich notwendige Genehmigung des Kongresses neun Jahre lang, von 1964 bis zur Unterzeichnung des Friedensabkommens in Paris 1973, den wohl verheerendsten Krieg der letzten 50 Jahre geführt hat. In diesen Kriegsjahren regneten mehr Bomben auf das winzige Land als im 2. Weltkrieg auf Japan und Deutschland zusammengenommen (über 2,5 Millionen Tonnen, beinahe eine Tonne pro Einwohner).
Nach dem Ende des Krieges war Laos ein Land von Nomaden geworden, ohne Dörfer oder Bauernhöfe, mit 30'000 Toten unter der Zivilbevölkerung und noch mehr Krüppeln unter den knapp drei Millionen Einwohnern, von denen eine Million zu Flüchtlingen geworden waren. Die Hmong, die auf Seiten der USA gekämpft hatten, gewannen kein eigenes Heimatland, sondern lösten sich als ethnische Einheit nach drei Migrationswellen praktisch auf; 30 000 überlebten in Flüchtlingslagern in Thailand, 55'000 siedelten sich in den USA an.
80 Millionen nicht explodierte Bomben
Bis heute leidet Laos unter den Folgen des Krieges. Nicht weniger als 80 Millionen Bomben waren nicht explodiert und bedrohen bis heute Leben und Gesundheit der Menschen in Laos. Bis heute haben diese Bomben über 20'000 weitere Opfer gefordert und fordern jedes Jahr 300 mehr. Tatsächlich waren achtzig Prozent aller Bomben, die auf Laos niedergeprasselt waren, sogenannte Clusterbomben, eine der perfidesten Waffen im Arsenal kriegführender Nationen.
Diese Bomben vom Aussehen einer Ananas konnten keine Panzer knacken oder Bunker sprengen. Sie sollten auch nicht töten. Sie sollten den Feind nur kampfunfähig machen, so dass mehr Feinde durch den Transport, die Betreuung und Versorgung Verwundeter gebunden würden, also nicht aktiv ins Kampfgeschehen eingreifen konnten. Jede dieser kleinen Antipersonenbomben enthielt 250 Stahlkugeln. Jeder Bomber klinkte bei einem Einsatz 1000 dieser Bomben aus, so dass 250 000 dieser Kugeln über einem Gebiet von der Größe von vier Fußballfeldern ausgelöst wurden.
In tausend Jahren ist die Gefahr gebannt
Eigentlich hatten die Militärstrategen geplant, diese Waffe gegen größere Truppenkonzentrationen einzusetzen. Angesichts der Schwierigkeiten jedoch, die feindlichen Truppen in den Wäldern und Tunneln zu lokalisieren, wurden sie gezielt eingesetzt, „um die physische und soziale Infrastruktur (des Feindes) zu zerstören“, wie aus einem Bericht eines US Senate Refugee Subcommittee aus dem Jahr 1970 hervorgeht.
In den vergangenen 37 Jahren haben die USA 0,28 Prozent der Äcker und Felder in Laos von Bomben geräumt. Jährlich stellte Washington drei bis fünf Millionen Dollar (neuerdings zehn Millionen) für Bombenräumprogramme in aller Welt zur Verfügung. Für ihre Suche nach vermissten Soldaten aus allen Kriegen seit 1941 geben die USA jedes Jahr über 105 Millionen Dollar aus.
Schätzungen gehen davon aus, dass die acht Millionen Hektar (37 Prozent der Landesfläche), auf denen Gefahr von Clusterbomben droht, beim derzeitigen Tempo erst in 1000 Jahren geräumt sein werden. Das UN-Entwicklungsprogramm berichtete, dass „UXO/Minen-Räumung (UXO, unexploded ordinance) eine absolute Vorbedingung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung von Laos ist… dass (wegen der Minen/Bomben) die ökonomischen Möglichkeiten des Tourismus, hydroelektrischer Stromerzeugung, des Bergbaus, der Forstwirtschaft und vieler weiterer Arbeitsgebiete, die als Wachstumsgeneratoren für Laos angesehen werden, begrenzt, kompliziert und teurer sind“
**"Wir müssen mehr tun", sagte Hillary
„Good bye, and see you next war“, hatte sich einst die US Air Force aus Laos verabschiedet. Dies traf nicht ein, die US-Außenministerin Hillary Clinton traf ein. Sie diskutierte mit dem laotischen Ministerpräsidenten Choummali Saignason und Außenminister Thongloun Sisoulit über Investitionsmöglichkeiten, äußerte Bedenken gegen einen geplanten Damm am Mekong, besuchte einen buddhistischen Tempel und eine US-finanzierte Werkstatt zur Herstellung von Prothesen und traf auch einen jungen Mann, der an seinem 16. Geburtstag seine beiden Hände und sein Augenlicht verloren hatte, als eine Clusterbombe explodierte. „Wir müssen mehr tun“, versprach Hillary Clinton dem Schwerbehinderten. „Das ist einer der Gründe, warum ich heute hierher kommen wollte, um mehr Menschen über die Arbeit zu erzählen, die wir gemeinsam angehen sollten.“
In einer für diese Woche angekündigten Multimillionen-Dollar Initiative für Südostasien der US-Regierung soll auch größere Unterstützung bei der Beseitigung der Bomben vorgesehen sein. Das klingt nicht sehr überzeugend, besonders in Anbetracht der Washingtoner Haltung zu der hinterhältigen Waffe.
An der Konferenz zur Ächtung von Clusterbomben im November 2010 in Laos nahmen über hundert Nationen teil – nicht aber die USA. Bereits 1997 hatte es Hillary’s Gatte, Präsident Bill Clinton, abgelehnt, sich den 111 Unterzeichnerstaaten der UN- „Konvention zum Verbot des Einsatzes, der Lagerung, Herstellung und Verbreitung von Anti-Personen-Minen und deren Zerstörung“ anzuschließen. 1,8 Millionen Clusterbomben fielen auf den Irak, 250 000 auf Afghanistan. Am 7. Juni 2010 berichtete der Daily Telegraph: “Nach Angaben einer Untersuchung von Amnesty International wurden 35 Frauen und Kinder von einer amerikanischen, mit Clusterbomben bestückten Rakete getötet, die in einem angeblichen al-Qaeda-Ausbildungslager im Yemen einschlug.“
Die einst linke Hillary
Einst bewunderte die junge Studentin Hillary Rodham die Neue Linke, engagierte sich für die Armen der Welt und kritisierte die amerikanische Realpolitik, die schamlos dringende humanitäre Probleme wie den Schutz unschuldiger Zivilisten vor den Auswirkungen amerikanischer Clusterbomben ignoriere. Sie machte Wahlkampf für den Vietnamkriegsgegner Eugene McCarthy, der mit seinen Überraschungserfolgen um die demokratische Präsidentschaftsnominierung 1968 Lyndon B. Johnson zum Rückzug aus dem Kandidatenrennen bewegte.
Sie schrieb ihre Senior College-Abschlussarbeit über Saul Alinsky, den Erfinder moderner Protesttaktiken, Autor der „Rules for Radicals“ und Schreckgespenst des Republikaners Newt Gingrich. Sie arbeitete für die führende linke Anwaltskanzlei in San Francisco unter dem ehemaligen Kommunisten Robert Treuhaft, setzte sich für die Rechte von Kindern ein und trat 1971 auf einer großen Friedensdemonstration an der Yale-Universität als Hauptrednerin auf.
Heute aber als Außenministerin erinnert sie eher an ihre politischen Anfänge, als die 17-Jährige für den amerikanischen Rechtsaußen Barry Goldwater Wahlkampf machte und an jene Hillary Clinton, die in den achtziger Jahren als Vorstandsmitglied bei Wal-Mart angesichts der wachsenden Kritik an der gewerkschaftsfeindlichen Politik der Firma stumm blieb. Im letzten Jahr kämpfte sie für eine Aufweichung der UN-Konvention und plädierte für eine internationale Gesetzgebung, die den Einsatz von Anti-Personen-Minen regelt. Die USA scheiterten mit ihrem Antrag. Und nun wirbt sie in Chinas Hinterhof um Verbündete im Machtgerangel mit dem Reich der Mitte.
37 Jahre nach dem Ende der amerikanischen Indochinakriege ist Laos nach Burma und Vietnam nur ein weiterer Stein in Washingtons Bemühungen, China einzukreisen. „Bis 2020 wird die Navy, die heute im Atlantik und im Pazifik ungefähr gleich stark ist, im Verhältnis 40-60 in diesen Meeren operieren“, erklärte US-Verteidigungsminister Leon Panetta bei einem Besuch auf der Marinebasis Cam Rahn Bay, die Vietnams Regierung den USA als Stützpunkt angeboten hat. In Darwin bauen die USA derzeit einen neuen Marinestützpunkt für 2500 Soldaten und Marines, und nach bereits 35 US-Militärstützpunkten in Südkorea entsteht auf der Insel Jeju eine weitere US-Flotten-Basis.
„Washington sieht diesen Stützpunkt als zentrale Säule in seinem Verteidigungssystem in der asiatisch-pazifischen Region“, schrieb die New York Times. China aber sieht das amerikanische Asien-Pazifik-Raketenabwehrsystem „als die größte Bedrohung“, zitierte das Blatt den südkoreanischen Militäranalytiker Cheong Wook-sik. Und ein chinesischer Luftwaffenoberst, Dai Xu, schrieb neulich, Beijing „kann amerikanischen Provokationen nicht immer nur zusehen. China muss eine klare rote Linie gegen die amerikanischen Versuche, es einzukreisen, ziehen.“