Dass der jährliche Monsun derart stark ausfallen würde, kam für Meteorologen überraschend. Ob das Wetterphänomen ganz allgemein mit dem Klimawandel zu tun hat, wird unter Ökologen und Wetter-Experten kontrovers diskutiert. Wie jedesmal bei einer allzu heftigen Monsun-Saison muss auch diesmal als möglicher Auslöser der El-Niño-Effekt herhalten. In Vietnam, Bangladesh und vor allem in Myanmar hat der überstarke Monsun anfangs August die grössten Verwüstungen angerichtet.
Reisfelder überschwemmt
In Myanmar sind nach amtlichen Zahlen bisher rund hundert Menschen ums Leben gekommen. Da der Zugang zu verwüsteten Gebieten, insbesondere in West-Burma, noch immer behindert ist, gehen die Behörden jedoch von einer viel höheren Opferzahl aus. Zwölf der insgesamt vierzehn Provinzen und Divisionen Burmas im Zentrum, im Norden sowie im Westen sind betroffen.
Im Rakhine-Staat an der Grenze zu Bangladesh sind die Verwüstungen grösser als anderswo im Land. Überall sind Häuser, Strassen, Brücken und grosse Acker-Flächen zerstört. Vielenorts gibt es keinen Strom und keine Telefonverbindungen mehr. Nach Informationen des Landwirtschaftsministeriums in Yangon sind insgesamt eine halbe Million Hektar Reisfelder überschwemmt. Zwar gingen die Pegelstände der meisten Gewässer inzwischen leicht zurück. Doch in der Reiskammer des Landes, dem Ayeyarwaddy-Delta, steigt das Wasser weiter.
Hilfreich und gut
Das Monsun-Desaster zeigt auch, wie schnell sich Myanmar in den letzten Jahren seit der politischen Öffnung 2011 verändert hat. Noch beim Zyklon Nargis vor sieben Jahren – es kamen 140‘000 Menschen ums Leben – hatte die damalige Militärregierung jede Hilfe von aussen wochenlang abgelehnt. Diesmal hat die Zentralregierung sofort reagiert. Präsident Thein Sein – ein ehemaliger General und enger Vertrauter des einstigen Diktators, General Nummer 1 Than Shwe – bat die internationale Gemeinschaft dringend um Hilfe. Und diese Hilfe ist bitternötig, denn das Rohstoff-reiche Myanmar ist das zweitärmste Land Asiens und gehört zu den zehn ärmsten Nationen der Welt.
Thein Seins Hilferuf hat eine innenpolitische Dimension. Der Premier will den Burmesinnen und Burmesen zeigen, wie hilfreich die Regierung und mithin die dahinter stehende, den Militärs zugeneigte Mehrheitspartei ist. Nicht von ungefähr, denn am 8. November finden allgemeine Wahlen statt, bei denen nach allgemeiner Ansicht die Opposition der Nationalen Liga für Demokratie von Friedennobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi einen Erdrutschsieg davon tragen wird. Ob Thein Seins Fürsorge für das Volk am prognostizierten Wahlresultat noch etwas ändern wird?
Starker Rückgang der Waldfläche
Neben der politischen hat der ungewöhnlich heftige Monsunregen auch eine ökologische Seite. Der starke Rückgang des Waldgebietes habe, so vermuten Umwelt-Experten, den Klimawandel neben allen andern negativen Auslösern zusätzlich beeinflusst. In der Tat ist auch in Myanmar wie anderswo in Asien die Waldfläche in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. Die Zahlen aus verschiedenen Quellen – Uno, FAO, Statistiken aus Myanmar und China – sind widersprüchlich, doch alle weisen in dieselbe Richtung: die Waldfläche schwindet. Nach Satelliten-Bildern der Uno sind heute noch 48 Prozent der Landes-Gesamtfläche von Wald bedeckt, davon zehn Prozent tropischer Regenwald. In den letzten 25 Jahren ging 1 Prozent des Regenwalds oder 370‘000 Hektaren jährlich verloren. Noch in den Siebziger Jahren des letzten Hunderts waren fast 70 Prozent des Landes mit Waldbäumen bedeckt.
Die Gründe für den Rückgang sind vielfältig. In einem armen Land wie Burma wird nach wie vor viel Feuerholz für den täglichen Gebrauch verwendet. In neuerer Zeit spielt auch das Agro-Business eine immer wichtigere Rolle. Wälder werden für Plantagen abgeholzt. In grossem Stil wird jedoch, ähnlich wie in andern südostasiatischen Ländern, illegal abgeholzt. Der „Standort-Vorteil“ von Myanmar: es hat eine gemeinsame Grenze mit dem Grossabnehmer China. Teak und andere tropische Harthölzer sind dort ein begehrtes, hohe Gewinne versprechende Gut.
Fette Gewinne mit hölzernem Schmuggelgut
Es ist nicht so, dass die Regierung in Yangon dieser illegalen Tätigkeit tatenlos zusehen würde. Bereits in den 1990er Jahren noch unter der Militärherrschaft wurde ein erstes Gesetz gegen den illegalen Holzschlag verabschiedet, das letzte unter bereits demokratischeren Bedingungen am 1. April 2014. Doch bei der Durchsetzung hapert es. Unter der Militär-Diktatur waren allzu viele – von der lokalen bis zur nationalen Ebene und bis in die höchsten Ränge – in den illegalen Handel verwickelt. Wenig hat sich geändert. Das hölzerne Schmuggelgut generierte fette Gewinne. Lange Kolonnen von Lastwagen, beladen mit den begehrten tropischen Harthölzern, sind beidseits der chinesisch-burmesischen Grenze von Ruili (südwestchinesische Provinz Yunnan) noch immer zu beobachten.
In den letzten Jahren haben Regierung und Armee mit grösserem Nachdruck versucht, dem Holzfällverbot Nachdruck zu verschaffen. Bei einer Militäraktion im Norden wurden vor wenigen Jahren über 200 Chinesen verhaftet. 150 davon wurden zu lebenslänglicher Haft verurteilt, im vergangenen Juli bei einer allgemeinen Amnestie begnadigt und nach China deportiert. Der Knackpunkt bei der illegalen Holzfällerei ist ein nationales Problem, das Myanmar schon zur britischen Kolonialzeit Probleme bereitete.
Geldgierige Finger im Spiel
In den burmesischen Randprovinzen kämpfen zum Teil seit Jahrzehnten bewaffnete ethnische Minderheiten um mehr Autonomie wenn nicht gar um Unabhängigkeit. Die Kachin-Unabhängigkeits-Armee (KIA) an der Grenze zu China zum Beispiel finanziert sich durch Drogen- und Holzhandel. Die KIA schliesst Verträge mit chinesischen Auftraggebern ab, welche dann nicht von illegalem sondern von legalem Holzschlag sprechen. Damit das alles gelingt, haben natürlich auch heute lokale burmesische Regierungsbeamte und Militärkommandeure ihre geldgierigen Finger im Spiel. Ansonsten würde das ganze nicht klappen. Wie profitabel das illegale Holzbusiness ist, zeigt auch die Ausdehnung der illegalen Holzfällerei auf weiter südlich gelegene Gebiete bis hinunter nach Sagaing. Wegen der längeren Distanz fallen natürlich mehr Korruptions- und Transportkosten an. Trotzdem wirft das Geschäft noch immer hohe Gewinne ab.
Lösung durch Friedensabkommen mit Minoritäten?
Die Lösung soll ein Friedensabkommen mit den nationalen Minoritäten bringen, deren Staaten wie ein Kranz den Norden und zum Teil den Westen und Osten umfassen. Präsident Thein Sein hofft, das Abkommen noch vor den Wahlen im November unter Dach und Fach zu bringen. Das ist schwierig. Es geht den ethnischen Minoritäten nämlich um mehr Autonomie, und das heisst eben nicht nur mehr politische sondern auch erweiterte wirtschaftliche Selbständigkeit. Ob bei grösserer Verfügbarkeit von Land und Ressourcen durch autonomere Randprovinzen der Umwelt besser gedient sein wird als jetzt, darf füglich bezweifelt werden. Beispiele aus andern südostasiatischen Ländern, insbesondere Indonesien, zeigen, dass sich auch bei mehr Provinz-Autonomie wenig ändert. Leider.