Das passt zur Weihnachtszeit, deren Lichter allzu oft der Ausblendung der längsten Nächte und der Geister, die sie unsicher machen, dienen sollen. Aber die Geister möchten sich nicht ausklammern lassen – und sie finden ihre Wege.
Anne Sewitzky, die 1978 geborene Norwegerin, weiß, wie repressiv das Gebot, immerzu glücklich und friedlich zu sein, wirken kann, und welche Spannungen es gerade um die familienfrohe Weihnachtszeit erzeugen kann. In einer sehr religiösen Umgebung aufgewachsen, hat sie Theologie studiert, dann aber habe sie den Glauben verloren und sich der Musik, dem Theater und schliesslich dem Film zugewendet und die Filmschule in Lillehammer absolviert. „Happy, Happy“ (2010) ist ihr erster Spielfilm. Das Drehbuch dazu stammt von ihrer Freundin Ragnhild Tronvoll, die an derselben Schule abgeschlossen hat.
Zwei Kleinfamilien
Die Geschichte ist einfach: Ein städtisches Paar, Elisabeth und Sigve mit Noa, ihrem schwarzer Adoptivsohn, kommen für die Weihnachtsferien aufs verschneite Land in Südnorwegen. Sigve hofft auf einen Neuanfang, nachdem Elisabeth, eine Anwältin, ihm untreu geworden ist. Diese folgt ihm ungerne in die Abeschiedenheit. Das Ferienhaus gehört der stets fröhlichen Kaia und ihrem kurzangebundenen Mann Eirik, der sich als Jäger und Naturmensch vorstellt. Kaia, in Heimen aufgewachsen, inkarniert die ideale liebende Frau, Vermieterin und Mutter – die Familie sei ihr das Wichtigste im Leben. Systematisch geht die „Wahnsinnig-glückliche“ über die Abneigung hinweg, die ihr Mann ihr entgegenbringt. Der Sohn Theodor hält zum Vater.
Begeistert empfängt Kaia die neuen Mieter – Elisabeth gibt sich kühl, Sigve charmant. Theodor sieht Noas Bilderbuch über die Sklaverei und schlägt dem schwarzen Knaben daraufhin vor, sein Sklave zu sein. Die Erwachsenen nehmen davon keine Kenntnis. Sie spielen selber – mal Bilderrätsel, mal ein Partnerspiel, welches Sigve mitgebracht hat. Damit kommt Dynamik in das Zusammenleben der beiden Paare.
Gleichwohl bleibt das Ungesagte, Ungelebte, Verleugnete das Entscheidende. Dabei wird zwar kaum gelogen, es wird nur einfach im Rahmen der gegebenen Verhältnisse keine Sprache gefunden. Der kleine Noa, der durchgehend Theodors Sklave spielt, wirkt stumm und dumm. Als er aber zu reden anfängt, wird klar, daß er verstanden hat, worum es geht.
Nicht das ultimative Glück
Sewitzkys Geschichte endet am Weihnachtsabend. Da ist keinerlei ultimatives Glück, keine restlose Offenheit, keine definitive Erlösung, da ist nur ein neues Gleichgewicht, mit dem man sich zufrieden gibt – Gleichgewicht zwischen Abenteuer und Sicherheit, widersprechenden Wünschen, Schweigen und Aussprechen. Jedenfalls muss nicht immer alles schiefgehen. Die Kinder, deren Spiele in den elterlichen Spannungsfeldern angefangen haben, bedrohlich zu werden, beruhigen sich. Sigve, Elisabeth und Noa fahren in die Stadt zurück. Eirik richtet seinen Platz in der Familie neu ein. Und Kaia emanzipiert sich aus der Sklaverei ihres Selbst- und Familienbilds.
Der Chor: gelassener Zeuge des Geschehens Umrahmt und durchsetzt ist diese Erzählung aus der Wintersonnenwendezeit von Musik – Chormusik. Ein fast grotesk wirkendes Vokalensemble aus vier geschniegelten Gospelsängern kommentiert das Geschehen mit afro-amerikanisch inspirierten Spirituals. Auch der reale Dorfchor mit seinem unbeirrbar freundlichen Dirigenten, bei dem Eirik und Kaja und vorübergehend ihre Gäste mitsingen, spielt eine tragende Rolle im Geschehen. Ironischer Bezug und Naivität gehen dabei eine merkwürdige Verbindung ein. Daß Sewitzkys Film weder trivial oder missionierend wirkt, ist dieser sakralen Komik, einer raffinierten Regie, dem gescheiten Buch und ausgezeichneten DarstellerInnen zu verdanken.