Bei einem Versuch mit 2000 ausgewählten Arbeitslosen bezahlt der finnische Staat während zwei Jahren einen Grundlohn von monatlich 560 Euro. Und dies unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer während der zweijährigen Phase eine Stelle gefunden hat und wieder Geld verdient. Das Experiment soll zeigen, ob das Grundeinkommen den Arbeitswillen steigert.
Der Anteil an Arbeitslosen ist in Finnland erheblich grösser als in der Schweiz und kann bei wirtschaftlichen Krisen schnell auf 20 Prozent steigen oder noch höher. Das Angebot an Arbeitsplätzen ist zudem weniger vielfältig als in der Schweiz und beschränkt sich zum grossen Teil auf die Sektoren der Holz- und Papierindustrie sowie auf Stahl und Maschinenbau.
Wegfall von Arbeitslosengeld
Der Grundlohn sollte Arbeitslose ermutigen, auch Aushilfe- und Teilzeitjobs zu übernehmen. Die 560 Euro Grundlohn und die Arbeitslosenunterstützung liegen auf vergleichbarer Höhe. Wer als Arbeitsloser pro Monat 560 Euro erhält, wird sich kaum für einen Job mit 700 oder 800 Euro interessieren, wenn dafür 560 Euro Arbeitslosengeld wegfallen. Wenn es sich bei dieser Summe dagegen um einen Grundlohn handelt, der sich mit Arbeit verdoppeln oder verdreifachen lässt, so ist der Anreiz erheblich grösser.
Wenn der Grundlohn die Zahl der Arbeitslosen vermindert und zum Wiedereinstieg motiviert, so entlastet er die Arbeitslosenversicherung. Zudem erleichtert er auch den Einstieg in Teilzeitstellen, einen Berufswechsel und eine eventuelle Probezeit. Sogar der amerikanische Ökonom Milton Friedmann als Prophet des Liberalismus dachte bei seiner Idee der negativen Einkommenssteuer an eine Art Grundlohn. Ihm ging es dabei allerdings in erster Linie um die Abschaffung des bürokratischen Aufwands für Beihilfe an kleine Einkommen und Fürsorge.
Macht das finnische Modell Schule?
Natürlich könnte der staatliche Grundlohn Lebenskünstler auch zum Verzicht auf Lohnarbeit verführen. Zurzeit stösst das finnische Experiment mit arbeitsunabhängigem Grundeinkommen in Europa auf grosses Interesse. Dies hängt natürlich auch zusammen mit der überall Arbeitsplätze vernichtenden Automatisierung. Auch anderswo wächst der Druck zum Berufswechsel und zur Anpassung an neue Arbeitsbedingungen. Ökonomen verfolgen das finnische Experiment mit Spannung. Wer die Arbeitswelt in Skandinavien kennt, wird allerdings auch die ungewisse Übertragbarkeit von Modellen aus dem staatsgläubigen Norden auf den anarchischen Süden Europas in Rechnung stellen.