Nordkoreas «junger Marschall» verliess Singapur guten Mutes. Zuhanden der digitalen und analogen Weltpresse sagte er optimistisch: «Wir haben die Vergangenheit hinter uns gelassen und ein historisches Dokument unterzeichnet. Die Welt wird eine grosse Veränderung erleben.» Trump liess sich nicht lumpen: «Wir zwei werden uns noch oft begegnen.» Nun begegnen sie sich tatsächlich wieder am 27./28. Februar in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi.
Symbolisch
Dass die zweite Trump-Kim-Begegnung in Vietnam stattfindet, kommt nicht von ungefähr. Hanoi und Pjöngjang hatten über Jahrzehnte gute, wenn nicht zuweilen wie gerade jetzt exzellente Beziehungen. Der vietnamesische Treffpunkt könnte jedoch auch in mancherlei Beziehung als symbolisch interpretiert werden. So sagte US-Präsident Trump nach dem Singapur-Gipfel vieldeutig: «Gegner und Freunde können Freunde werden.»
Das trifft akkurat auf Vietnam zu. Die Amerikaner führten gegen Vietnam zwischen 1960 und 1973 einen verlustreichen Konflikt. Im Vietnamkrieg, welchen die Vietnamesen den amerikanischen Krieg nennen, fielen über 50’000 US-Soldaten, und rund drei Millionen vietnamesische Soldaten und Zivilisten verloren ihr Leben. Die Amerikaner verloren den Krieg. Doch bereits 1995 versöhnten sich die einstigen Todfeinde. Heute sind Amerika und Vietnam befreundet.
Ökonomisches Vorbild
Vietnam ist andrerseits vielleicht auch ein ökonomisches Vorbild für Nordkorea. Seit Doi Moi 1986, also seit der Wirtschaftsreform und Öffnung nach aussen nach chinesischem Vorbild, wächst Vietnam rasant. Seit jener Zeit hat sich das Per-Capita-Einkommen der Vietnamesinnen und Vietnamesen versechsfacht. Trotz Öffnung jedoch, und das dürfte für Nordkorea wichtig sein, ist die allmächtige Kommunistische Partei Vietnams noch immer solide an der Macht. Vor dem Hanoi-Gipfel wird Kim Jong-Un bei seinem Staatsbesuch in Vietnam Gelegenheit haben, das vietnamesische Entwicklungsmodell aus der Nähe zu beobachten.
Herausforderung
Im Unterschied zu Nordkorea allerdings verfügen Vietnamesinnen und Vietnamesen über sehr viel mehr persönliche Freiheiten als Nordvietnamesinnen und Nordvietnamesen. Nordkoreas junger Führer Kim Jong-Un ist sich der Herausforderung sicher wohlbewusst, hat er doch bereits mehrmals in China den marktorientierten Staatskapitalismus aus der Nähe studieren können.
Nordkorea ist zwar immer noch recht dicht von der Aussenwelt abgeschnitten. Immerhin gibt es jetzt schon ein nationales Intranet, über eine Million nur für Nordkorea funktionierende Handys, rund 500 lokale, geduldete Märkte und wegen der internationalen Sanktionen noch unterentwickelte Sonderwirtschaftszonen.
«Gemeinsamer Wille»
In Singapur kamen Trump und Kim überein, auf die «komplette Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel hinzuarbeiten» und «neue Beziehungen zwischen beiden Ländern» zu schaffen. Für das Treffen in Hanoi hat US-Aussenminister Mike Pompeo recht hohe Erwartungen und erhofft «substantielle Fortschritte».
Der US-Beauftragte für Nordkorea Stephen Biegun drückt sich diplomatischer aus: «Ein Plan für konkrete Verhandlungen und ein gemeinsames Verständnis für das gewünschte Ziel» müssten ausgearbeitet werden, sowie auch einen «gemeinsamen Willen, Konzessionen zu machen».
Knackpunkt
Der Knackpunkt liegt im Begriff «Denuklearisierung». Bereits Kims Grossvater, Staatengründer Kim Il-Sung, verwendete ihn erstmals 1992. In unzähligen Verhandlungen versprachen die Nordkoreaner jeweils das Blaue vom Himmel, hielten praktisch aber nichts. Seit 2006 werden Atombomben getestet, letztmals im September 2017. Als «Zeichen guten Willens» hat Kim seither einige Raketentest- und Atomanlagen unter den Scheinwerfern internationaler Medien vernichten lassen.
Doch die Internationale Atomenergie-Agentur, eine Uno-Organisation, sowie Experten sind überzeugt, dass das vorerst nur Propaganda ist. Immerhin hat Kim Jong-Un in seiner Neujahrsansprache sich verpflichtet, dass Pjöngjang «weder Nuklearwaffen produzieren, weiterverbreiten, noch weitergeben werde».
«Denuklearisierung»
Der Begriff «Denuklearisierung» hat für Nordkorea und die USA je eine andere Bedeutung. Für Pjöngjan müssten zur Denuklearisierung «alle Elemente nuklearer Bedrohung von Nord- und Südkorea sowie von benachbarten Regionen, von denen die Koreanische Halbinsel ins Visier genommen werden könnte» entfernt werden. Das wiederum würde auch amerikanische Kapazitäten betreffen. Für die Vereinigten Staaten wiederum heisst Denuklearisierung nicht mehr und nicht weniger als eine «komplette, überprüfbare und unumkehrbare» atomare Abrüstung Nordkoreas.
Unsichtbar am Verhandlungstisch
Nordkoreas einziger Verbündeter China wird in Hanoi unsichtbar mit am Verhandlungstisch sitzen. Die chinesisch-nordkoreanischen Beziehungen haben sich in den letzten beiden Jahren merklich verbessert, wenn sie auch noch nicht «so eng wie Lippen und Zähne» sind wie einst zur Zeit von Kims Grossvater Kim Il-Sung. Für das Reich der Mitte hat der Status quo in Ostasien Priorität. Deshalb sagt Zheng Jiyong, Professor an der Shanghaier Fudan-Universität: «Wenn die USA und Nordkorea sich annähern, würde das genau den politischen Absichten Chinas entsprechen.»
US-chinesisches Ziel
In einem Kommentar der «Global Times», dem englischsprachigen Ableger der Parteizeitung «Renmin Ribao» (Volks-Tageszeitung) heisst es denn auch: «Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel ist nicht nur das gemeinsame Ziel Pekings und Washingtons, sondern auch im wohlverstandenen Interesse Pjöngjangs.»
Der Kommentator fügt hinzu: «Als eine verantwortungsvolle Grossmacht und als Ständiges Mitglied des Uno-Weltsicherheitsrates will China keine Weiterverbreitung von Nuklearwaffen.»
«Kim mag einige überraschen»
US-Präsident Trump ist trotz der Warnungen seiner Geheimdienste optimistisch: «Ich freue mich, den Vorsitzenden Kim zu sehen und den Frieden voranzubringen.» Zu seinem neuen Freund Kim zwitscherte Trump frohgemut: «Er mag einige überraschen. Mich aber nicht, weil ich ihn kennengelernt habe und ich total verstehe, wie fähig er ist. Nordkorea wird eine andere Art von Rakete werden – eine ökonomische nämlich.»