Eigentlich wollte George Clooney bereits 2007 einen Polit-Thriller über das unbarmherzige amerikanische Wahlkampf-System und einen korrupten Kandidaten drehen. Doch dann bewarb sich Barack Obama um die Präsidentschaft, und der überzeugte Demokrat Clooney verzichtete auf Zynismus, um Obama nicht zu schaden. Doch jetzt, vor dem Start des Wahljahrs 2012, ist das Timing perfekt.
«The Ides of March» - der deutsche Titel «Tage des Verrats» wird dem Inhalt nicht ganz gerecht – besammelt einige herausragende Schauspieler und - zwei - Schauspielerinnen. George Clooney ist einer von ihnen, aber er firmiert auch als Regisseur, Mitverfasser des Drehbuchs und als Produzent (u.a. gemeinsam mit Leonardo di Caprio). Eine amerikanische Filmkritikerin konstatierte kürzlich, Clooney besitze «effortless magnetism», also unangestrengtes Charisma, und dieses Attest erklärt ziemlich genau, weshalb Clooney so attraktiv und so leinwandbeherrschend wirkt. Hier aber hat er sich und seine Rolle ziemlich zurückgenommen.
Als Regisseur hinter der Kamera handelte der Weltstar weise und überliess die eigentliche Hauptrolle einem jungen Schauspieler, der ihm irgendwann vor der Kamera zum Nachfolger heranwachsen könnte. Ryan Gosling spielt mit Bravour einen jungen, zwar ehrgeizigen, aber dennoch idealistischen Stabsmitarbeiter, der als geschmeidiger Pressechef für die Kampagne des Gouverneurs und Präsidentschaftskandidaten Mike Morris arbeitet. Steve Meyers (Gosling) will unbedingt, dass der Gouverneur erst zum Kandidaten der demokratischen Partei und schliesslich ins Weisse Haus gewählt wird – weil er an dessen Politik glaubt und weil er dann mit dem Posten des Pressechefs rechnen darf.
Straucheln wegen Sex
Der Film bildet das System amerikanischer Primärwahlen und der Präsidentschafts-Wahlkämpfe hervorragend ab. Ganz so dramatisch wie in «The Ides of March» sind sie zwar längst nicht immer, aber hin und wieder verzweifeln die Wahlhelfer nach Enthüllungen über ihr Idol. Finanzielle Korruption ist dabei eher selten das Leitmotiv, es ist viel eher der Sex, der schon manchen Anwärter straucheln liess.
Auch dieses Film-Drama zeigt, was geschehen kann, wenn jemand nicht mit dem Kopf reagiert und am Ende seine Illusionen und gar seine Seele verliert, um die Karriere zu retten. Aber es zeigt auch, wie eng verschlungen die einzelnen Funktionen des Wahlkampfstabes sind und welcher Motor sie antreibt: Vertrauen oder Misstrauen. Je höher die Charge, desto weniger Menschen gibt es, denen man über den Weg trauen kann. Zum Schluss sind alle auf sich selbst gestellt. Worte werden auf die Goldwaage gelegt, nicht nur diejenigen, die ein Konkurrent öffentlich äussert, sondern auch jene innerhalb des Teams.
Diese Teams sind ein Phänomen: Rehäugige junge Frauen, dank Begabung oder «Vitamin B» hart arbeitende Volontärinnen, altgediente Politfüchse, die häufig gleich denkende Weggefährten des Kandidaten-Anwärters sind, ernsthafte junge Politologen, smarte Kommunikations-Gurus und gut Vernetzte, die das Gras wachsen hören. Die täglichen Umfragezahlen sind ihre Bibel, jeder Prozentbruchteil nach oben oder unten erfordert eine neue Strategie. Und mittendrin der Kandidat, «our man», an den alle inbrünstig zu glauben haben, den es zu beschützen und zu briefen gilt, damit er in der gnadenlosen Debatte mit dem Konkurrenten eine gute Figur macht. Dekoration liefern hübsche Ehegattinnen, verboten sind hässliche Leichen im Keller bzw. Affären, denn die mitreisenden Medienleute kennen kein Erbarmen. Grossartig die grosse Marisa Tomei als Ida Horowicz, hochbegabte Reporterin der New York Times, die sehr hoch pokert. Macht oder Moral – das ist überall die Frage.
Symbiotisches Zusammenwachsen
Je länger eine Kampagne dauert, desto symbiotischer entwickelt sich die Beziehung der Medienleute zum Wahlkampftross, zu dem sie ja irgendwie auch gehören, ja selbst zu den Leuten vom Secret Service, die für die Journalisten eingeteilt sind. Zu ihrem Schutz oder zu ihrer Überwachung? Das spielt irgendwann kaum mehr eine Rolle. Alle hören jeden Tag mehrmals die gleiche Rede vor anderem Publikum, und werden einmal zwei Sätze umgestellt, ist das bereits des Nachdenkens oder gar eine Geschichte wert. Und ist man von der Redaktion zum ständigen «covern» jener Kampagne abgeordnet worden, die den Sieger hervorbringt, so bleiben alle weiterhin zusammen im Weissen Haus.
George Clooney brilliert in der Rolle der Präsidentschafts-Hoffnung, des idealistischen Gouverneurs Mike Morris. Hier kann Clooney Kritik üben – das Drehbuch basiert auf dem Theaterstück «Farraguth North» von Beau Willimon -, indem er beispielsweise in einer Wahlrede die Amerikaner auffordert, den Kopf nicht länger in den Sand zu stecken, «den Sand von Irak, den Sand von Afghanistan». Er wirkt durch und durch als Ritter ohne Fehl und Tadel. Ryan Gosling in der Hauptrolle hat ein Gesicht, auf dem die Kamera verweilen und Gedanken zeigen kann. Grandios spielen Philip Seymour Hoffman als mit allen Wassern gewaschener Wahlkampfmanager des Gouverneurs und Paul Giamatti als sein Gegenstück beim Konkurrenten. Evan Rachel Wood, die nur äusserlich selbstbewusste rehäugige Volontärin, ist noch dazu Tochter des Parteipräsidenten.
Der Film von und mit dem «schönsten Mann der Welt» ist ein Kammerspiel, aber er leuchtet die Abgründe aus, in die eine Kampagne ihre Protagonisten stürzen kann. Und er zeigt, wie schnell es geht, bis Ideale nur noch Makulatur sind und bis die Moral der Macht geopfert wird. Wer von der bisher merkwürdigen Kandidatenenkür der US-Republikaner noch nicht genug hat, warte zum Vergleich einfach auf die Wahlkämpfe im nächsten Jahr. Aber zunächst hat der Streifen ein halbes Dutzend Nominationen für den «Golden Globe» geholt und wird bereits als heisser «Oscar»-Anwärter gehandelt.