In den Giardini findet man zum Beispiel den prämierten deutschen, den geheimnisvollen englischen, und den zenartig gestalteten griechischen Pavillon. Im Arsenale die Auswahl an zeitgenössischen Kunst der Kuratorin, sowie den höhlenartigen türkischen Beitrag.
Die Monumentalinstallation ‚Ascension’ von Anish Kapoor ist in der Basilica di San Giorgio auf der gleichnamigen dem Markusplatz vorgelagerten Insel zu sehen. Der indische Künstler mit Wohnsitz in London wollte eine mystische Erfahrung schaffen, die in allem Weltreligionen erfahrbar ist: die geistige Verbindung zu Gott. Seine im Zentrum des Kirchenkreuzes aufsteigende Dampfsäule erinnert an zahlreiche Motive religiöser Geschichten und ist zudem von grossem ästhetischem Wert.
Eine Installation als Glaubenssache
Die jungen Damen, die seit Juni zur Besucherbetreuung jeden Tag durchschnittlich sieben Stunden mit ihr verbringen, haben ein geradezu zärtliches Verhältnis entwickelt: "Sie ist immer anders. Manchmal kommt sie nicht vom Boden hoch, dann wieder wie ein hoher weisser Turm, der bis zur Kuppel ragt. Sie ist zart, oder imposant. Immer anders, je nach Wetter, Licht und Feuchtigkeitsgehalt der Luft."
Kunsthistoriker, Kritiker und Politiker haben sich im Vorfeld in den Medien heftige Redeschlachten geliefert. Der Grund: eine moderne Installation in der von Andrea Palladio 1565 konzipierten Kirche San Giorgio - ein Sakrileg! Der konkrete Anlass war die in der Kuppel angebrachte Abzugvorrichtung, die die Dampfsäule in die Höhe zieht. Aluminiumröhren führen von da nach aussen und von dort an der Kirche entlang nach unten. Man kann diese Installation als wirklich gelungen bezeichnen, aber in Venedig geriet sie zu einer Glaubenssache.
Die grosse und durchwegs begeisterte Besucherzahl gibt den Befürwortern recht. Nur etwas stört das mystische Erlebnis; der Lärm. Der Abzug tönt etwa so wie ein Riesenstaubsauger.
Der Tulpenstrauss von Jeff Koons
Rohe, grob behauene Steinblöcke, eine andere Installation von Anish Kapoor, finden sich in der neu eröffneten Fondazione Prada. Diese wurde neben der Ca Pesaro, dem Museum für moderne Kunst, am Canale Grande im Ca Corner della Regina eingerichtet, dem Haus in dem Caterina Corner, die spätere Königin von Zypern geboren wurde. Die Werke von Kapoor, Bruce Naumann und Donald Judd enfalten vor allem deshalb ihre starke Wirkung, weil die Fondazione das ursprüngliche Mauerwerk freigelegt und in seiner historischen Stärke stehen lassen hat.
Zum balloonartigen Hochglanztulpenstrauss von Jeff Koons und seinen Porzellanskulpturen bilden sie einen interessanten Gegensatz. Das Ca Corner della Regina wird über den Winter geschlossen, um die restlichen drei Stockwerke zu renovieren und geht im Frühjahr wieder auf.
Anselm Kiefers Schritte zur Wiedergeburt
Das ehemalige Salzlager der ‚Serenissima’ aus dem 16.Jahrhundert wurde von Renzo Piano spektakulär restauriert, so dass die Auswirkungen des Salzes auf das Gemäuer wie in einem Kunstwerk hervortreten. Hier zeigt die Fondazione Vedova Anselm Kiefers Dialog zwischen Salzlager und seinem Werk unter dem Titel ‚Salt of the Earth’. Kiefer hatte dazu den Raum 1:1 in seinem riesigen Pariser Atelier nachgebaut.
Sein Thema: die Alchemie und damit die Reinigung und Veränderung, auch durch das Salz. Kiefer glaubt, dass eine Person durch mehrere Stationen der Mutation gehen muss um sich von der Vergangenheit zu befreien und frei zu sein für eine neue spirituelle Dimension. Kunst sieht er als ein Mittel für diese Schritte zur Wiedergeburt an. Deshalb verwendet er für seine Bilder und Skulpturen symbolische Materialien und Prozesse wie die Elektrolyse. Gold und Salz dienen ganz im Sinne traditioneller Sichtweisen zu einer metaphorischen Transformation des Selbst.
In diesem Werk ging es Kiefer vor allem - auch im Dialog mit dem den Ausstellungsraum umgebenden Wasser - um die Reinigung. Damit meint er eine Reinigung Deutschlands von seiner Vergangenheit ebenso wie eine Reinigung auf der persönlichen Ebene.
Sein ‚Salz der Erde’ ist eine Skulptur von hintereinander hängenden Bleiplatten, mit Landschaftsphotographien belegt, die durch den Prozess der Elektrolyse völlig verändert wurden und teilweise durch grüne Patina bedeckt werden. Grün ist für Kiefer eine Farbe der Hoffnung und der Vereinigung von Gegensätzen. Hier treten die Eigenheiten der Materialien, die Radikalität, doch auch Schönheit der Veränderung hervor. Ein zutiefst eindrückliches Werk.
Die bedrohte Wiege der Kultur
Reinigung ist auch das Thema des ersten irakischen Pavillions an der Biennale. Hier befindet sich ein Ensemble von Werken irakischer Künstler. Aus politischen Gründen leben sie alle ausserhalb ihrer Heimat. Entspechend ist dieser Pavillion ausserhalb der Biennale gelegen und man läuft zu ihm wie zu einer eigenen Veranstaltung.
Der Irak, die Wiege der Kultur, angesiedelt im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris, war laut seiner sumerischen Dichter eine Wasserkultur. Denn Ebbe und Flut, Überschwemmung und Dürre bestimmten das Leben seiner Bewohner. Heute ist diese Kultur bedroht. Diese Bedrohung geht von den politischen Ereignissen aus, aber auch vonder immer dramatischer werdende Wasserknappheit in der Region.
In einem ehemaligen Hospiz in Castello, der ärmsten, sehr verwinkelten und kargen Gegend Venedigs, zeigen sechs Irakische Künstler aus zwei Generationen ihre individuelle Auseinandersetzung mit dem Lebenswichtigen, mit Geburt und Tod, mit Repression und Freiheit. Diese Auseinandersetzung wird auch hier durch das Wasser symbolisiert. Ganz im Zentrum der Werke steht, wahrscheinlich bedingt durch die Wirren der irakischen Geschichte, die Frage nach der Identität: der individuellen Identität und der der Region, der die Künstler entstammen.
Die von der Schweizerin Bice Curriger Biennale kurierte Biennale wird bis zum 27. November 2011 gezeigt.