Wo stehen die Etrusker in der Weltgeschichte? Darauf antwortet noch vor dem Rundgang eine übersichtliche Zeittafel, an deren Ende Kaiser Augustus, welcher deren glanzvolle Kultur im Jahr 27 v. Chr. in das römische Reich eingehen liess, die Besucher begrüsst. Auch dieses Porträt gehört der dem Museum 1991 geschenkten Sammlung des Chemikers und Industriellen Marcel Ebnöther (1920–2008), aus deren seit 1975 erworbenem etruskischem Teil die Ausstellung besteht.
Die Sammlung fand der Kurator Werner Rutishauser reich und vielfältig genug, um damit dem Publikum die Kultur als Ganzes nahezubringen. Dementsprechend hat er die über 200 Objekte den Themen zugeordnet, die diese Welt charakterisieren und nun den Rundgang gliedern. Dazu vermittelt jeweils eine informative Texttafel knapp das Wesentliche, sodass am Schluss ein gutes Bild der etruskischen Kultur mitsamt der damit zusammenhängenden Probleme entsteht.
Den Anfang machen die Anfänge, nämlich Zeugnisse der in Mittelitalien vorangehenden früheisenzeitlichen Villanova-Kultur, und damit die seit der Antike diskutierte Frage nach dem Ursprung der etruskischen Kultur. Von Geheimnis kann dabei keine Rede mehr sein, nachdem die gründliche archäologische Erforschung des Landes zwischen Arno und Tiber die ununterbrochene Besiedlung und den kontinuierlichen kulturellen Aufstieg von prähistorischen Lebensformen bis zur Blüte der Stadtstaaten im 7. bis 5. Jahrhundert v. Chr. erwiesen hat.
Allerdings bewirkte hier, wie auch in Griechenland, die nach 800 v. Chr. immer enger werdende Berührung mit den nahöstlichen Kulturen eine markante äusserliche Veränderung in allen Lebensbereichen und Kunstgattungen. So folgt den noch urtümlich wirkenden, zunächst handgeformten Impasto-Gefässen um 650 v. Chr. die schwarz-glänzende, raffiniertere Bucchero-Keramik. Dass es sich um Festgeschirr handelt, das schliesslich den Toten ins Grab begleitete und so auf uns kam, zeigt die reiche eingeritzte oder plastisch hinzugefügte Verzierung mit geometrischen Motiven, Tieren und auch menschlichen Figuren. Daneben nimmt die griechisch beeinflusste, helltonige italo-geometrische, etrusko-korinthische und dann die schwarz- und rotfigurige Keramik immer mehr zu.
Typische Themen
Passend ausgewählte Vasen illustrieren folgende Themen: Handel, Kriegsführung, Festlichkeit. Neben der Keramik spielen die Objekte aus Bronze – Waffen und Rüstungsteile, Geräte und Statuetten sowie Schmuck – eine markante Rolle.
Das Land der Etrusker ist nämlich durch reiche Metallvorkommen gesegnet, die eine hochstehende metallurgische Produktion begünstigt und den Gütertausch mit den Nachbarn stimuliert haben. Willkommene Akzente setzen zwischen den Stücken der Schenkung Ebnöther gut ausgewählte Leihgaben aus schweizerischen und ausländischen Sammlungen – besonders aus den Museen von Kopenhagen –, die der schön gestaltete, instruktive Katalog als Sammlungsverzeichnis allerdings nicht aufnehmen konnte.
Ein wichtiger Gegenstand der Etruskerforschung ist die Sprache. Zwar ist die Schrift, wie hier anschaulich dargelegt wird, mit der griechischen verwandt und daher problemlos lesbar. Doch ist der an sich reiche Bestand an Inschriften inhaltlich so einseitig, die Sprache in ihrem historischen Umfeld so isoliert, dass sich die Forschung noch lange wird anstrengen müssen, um sie vollständig zu klären. Ebenfalls vieldiskutiert ist die Stellung der etruskischen Dame in ihrer Gesellschaft, die auf die griechischen Nachbarn exotisch, wenn nicht gar anstössig wirkte. Die Ehegattin trat im repräsentativen Gelage nämlich gleichrangig neben dem Hausherrn auf. Gleich wichtig war ja ihre Rolle nicht nur für den Fortbestand der eigenen Familie, sondern auch für den Zusammenhalt unter den tonangebenden Sippen.
Vom menschlichen Leben führt der Rundgang zur Begegnung mit Höherem: zu Gottheiten, Zukunftsschau, Heiligtümern. Etruskische Tempel waren mit lebensfrohen farbigen Tonverkleidungen ausgestattet. Eindrucksvoll sind hier vor allem die als Mädchen- bzw. Satyrkopf gestalteten Stirnziegel.
Seit dem früheren 19. Jahrhundert am berühmtesten sind die Wandmalereien in etruskischen Gräbern. Nicht nur konnte für Schaffhausen das Kopenhagener Faksimile einer Gelageszene in Tarquinia ausgeliehen, sondern damit auch ein interessanter Bezug zur Geschichte des Museums hergestellt werden. Es ist nämlich das Werk des Schaffhauser Künstlers Heinrich Wüscher-Becchi (1855–1932), der ab 1895 vom dänischen Industriellen und Gründer der Ny Carlsberg Glyptothek Carl Jacobsen mit dieser Arbeit beauftragt worden war und sich nach seiner Rückkehr aus Italien um die Erhaltung des Klosters Allerheiligen verdient gemacht hat.
Den Schluss des bereichernden Besuches bildet ein Blick auf die seit 2008 laufenden Forschungen der Universität Zürich in der etruskischen Hafenstadt Spina im Po-Delta, die eine Vorstellung von damaligen Wohnhäusern vermitteln.
Bis 18. Februar 2018. Katalog: W. Rutishauser (Hrsg.): Etrusker. Antike Hochkultur im Schatten Roms. Philipp von Zabern/Museum zu Allerheiligen Schaffhausen. CHF 57.00.