Thomas Jordan tritt per September 2024 von seinem Amt als Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank zurück. Sein Rücktritt kommt überraschend. Als 61-Jähriger hätte man ihn gerne noch einige Jahre in diesem Amt gesehen. Jordan hat in seinen zwölf Präsidialjahren die Geldpolitik der Schweiz eindeutig geprägt – und das mit grossem Erfolg.
Als in Bern ausgebildeter Makroökonom versteht er sein Metier profund. Er ist nicht nur von den Meinungen von Experten abhängig, sondern er versteht selbst, worum es geht. Als Leiter des 1. Departementes, das für die Geldpolitik zuständig ist, hat er zusammen mit seinen zwei Kollegen eine blendende Performance hingelegt: Die Konsumentenpreise sind in der Schweiz während seiner Präsidialzeit seit 2012 nur um knapp 5 Prozent angestiegen.
Höhere Preisstabilität als im Ausland
Diese Entwicklung ist viel besser als das im Ausland der Fall ist. So stiegen die Konsumentenpreise in Deutschland tatsächlich um 28 Prozent. Das ist ein radikaler Unterschied für eine Institution, die die Preisstabilität zum Ziel hat. Jordan hat es verstanden, die Preisstabilität zum Zentrum seines Wirkens zu machen und realistisch gesehen, dass dies nur einer politisch unabhängigen Zentralbank gelingen kann.
Natürlich gab es auch kritische Situationen: Eurokrise, Frankenstärke, Negativzinsen, Corona und CS-Untergang. Man kann post festum einzelne Entscheidungen kritisieren, aber heute wissen wir auch das, was im Moment der Entscheidung unbekannt war. Aber im Grossen und Ganzen ist die Performance der SNB nicht nur gut, sondern sehr gut. Und Jordan hat dabei ohne Allüren und in bodenständiger Art sein Amt ausgeführt.
Zäher Kampf gegen die Franken-Aufwertung
Der Kampf gegen den teurer werdenden Franken hat die Bilanz der Nationalbank verlängert. Man musste in grossem Ausmass ausländische Aktiven kaufen und halten. Zusammen mit der Aufwertung des Frankens hat dies zum Versiegen der Ausschüttungen an Bund und Kantone geführt. Was ein politisches Problem ist, bei dem sich Jordan erfolgreich durchgesetzt hat.
Ein sehr guter Präsident geht, dem wir für seine Zukunft alles Beste wünschen. Er hinterlässt eine Institution, die sich in guter Verfassung befindet. Aber es werden sicher neue Probleme kommen: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschlechtern sich, das weltweite Verschuldungsproblem wird zu Anpassungen führen und der Trend beim Schweizerfranken wird weiter nach oben gehen.
Blick auf mögliche Nachfolger
Jordans Nachfolger ernennt der Bundesrat auf Empfehlung des Bankrates. Vieles spricht dafür, dass der gegenwärtige Vizepräsident und Zögling von Jordan das Rennen machen wird. Unter ihm wird sich an der Geldpolitik nicht viel ändern – und das ist gut so. Kritischer ist wohl die Ernennung eines neuen Direktoriumsmitglieds. Diese Szene ist sehr offen, weil auch externe Kandidaten in Frage kommen. Ob Bundesrat und Parlament die Gelegenheit nutzen, um einzelne organisatorische Reformen, beispielsweise eine Erhöhung des Direktoriums auf fünf Mitglieder, zu beschliessen, bleibe dahingestellt.
Bruno Gehrig, früher Professor an der Universität St. Gallen, von 2003 bis 2009 Vizepräsident der Schweizerischen Nationalbank, Verwaltungsratspräsident der Swiss Life, von 2010 bis 2016 Verwaltungsratspräsident der Fluggesellschaft Swiss, bis 2013 Vizepräsident des Verwaltungsrates der Roche Holding. Ausserdem war er bis 2014 Mitglied des Verwaltungsrates der UBS und war Vorstandsmitglied von Economiesuisse.