Endlich! Die Fäden sind zerrissen. Der Streit zwischen Viktor Orbán, Ministerpräsident und Vorsitzender der Regierungspartei Fidesz, und seinem längsten Mitstreiter, Lajos Simicska, ist voll ausgebrochen. Milliardär Simicska verfügt über beste Beziehungen.
Orbán und Simicska waren einst Studienkollegen. Gemeinsam haben sie Fidesz vor fast 30 Jahren gegründet. Im März 1990 hatten in Ungarn die ersten freien Parlamentswahlen seit 1947 stattgefunden. Fidesz zog als die kleinste Fraktion ins Parlament ein. Die Aufgabenteilung zwischen den beiden sah so aus: Orbán gibt den Ton an und hält die politischen Zügel in der Hand, während Simicska für das wirtschaftliche Wohl der Partei sorgt. Dazu wurden dubiose Geschäfte getätigt. Nach dem Amtsantritt der ersten Orbán-Regierung im Jahr 1998 wurde Simicska zum Chef der Steuerbehörde berufen. Schon nach einem Jahr zog er sich zurück und ging wieder in die Wirtschaft. Doch er und Orbán galten weiterhin als unzerrtrenniches Paar.
Streit
Damit ist jetzt vorerst Schluss: Simicska kündigte an, dass er Orbán vernichten und seine „Diktatur“ beenden wolle. „Ich habe diesen Menschen gross gemacht, wenn es sein muss, werde ich ihn auch zertreten.“ Simicska hält sich nicht zurück. Er bezeichnet Orbán öffentlich als „Wichser“ und erklärt, er wäre nicht erstaunt, wenn er, Simicska, selbst wegen seiner Attacken einem Attentat zum Opfer fiele.
Auslöser des Streits ist eine Werbesteuer, mit der Orbán alle ungarischen Medienunternehmen belegt hat. Simicska behauptet, Orbán habe ihm damit einen Dolch in den Rücken rammen wollen. Erfunden wurde diese Steuer vor allem, um den RTL-Klub zu bestrafen, ein ungarisches zu Bertelsmann gehörendes Tochterunternehmen. Danach hätte RTL die Hälfte der Werbeeinnahmen an den Staat abliefern sollen. Doch kurz vor dem Besuch von Angela Merkel in Ungarn intervenierte Elisabeth Mohn von Bertelsmann, daraufhin wurde nachverhandelt. Nun soll die Werbesteuer nur noch fünf Prozent für alle betragen. Doch die Steuereinnahmen waren bereits im Staatshaushalt eingeplant. Jemand musste also zahlen. Und wer anderes konnte das sein als der reiche Simicska.
Gegen "Orbáns Machtfülle"
Dieser weigert sich zu zahlen. Er sieht sich als Opfer. Es gehe ihm nichts ums Geld, sagt er, sondern um die Machtfülle seines einstigen Freundes. Zudem missfällt ihm Orbáns Annäherung an Putin. „Wir haben nicht die Sowjets aus dem Land gejagt, um uns jetzt mit den Russen anzufreunden“, sagt er.
Simicska kontrolliert fast alle zum rechten Spektrum gehörenden Medien. Jetzt beschimpft er nicht nur den Regierungschef massiv, sondern auch seine Chefredaktoren, die seine Attacken gegen Orbán nicht mittragen wollen. Viele von ihnen haben die Schreibtische in den Simicska-Medien schon verlassen. Ein allzu grosses Risiko haben sie damit nicht auf sich genommen. Bald werden sie in den regierungstreuen und regierungsabhängigen öffentlich-rechtlichen Medien einen Platz finden. Nach dem Abgang leitender Redaktoren seiner Medien kriegte Simicska einen Wutanfall, brüllte herum und übernahm selbst die Funktion eines Chefredaktors eines seiner Medien.
Zu einflussreich geworden
Aber etwas ist merkwürdig: Das Werbegeld, das die Simicska-Medien generierten, kamen fast ausschliesslich von staatlichen Stellen und staatseigenen Firmen. Der Staat will jetzt also etwas zurücknehmen, das er früher gegeben hat. Unklar ist, wie viel der eingenommenen Werbegelder Simicska an Fidesz weitergeleitet hatte. Wird ihn Orbán auch deshalb belangen wollen? Das wäre tatsächlich unverschämt.
Für den Premierminister ist Simicska offenbar zu einflussreich geworden. Simicska stehen riesige finanzielle Mittel zur Verfügung. Er verfügt über beste Beziehungen zur politischen und wirtschaftlichen Elite und gilt als der dritteinflussreichste Mensch in Ungarn.
Jetzt will er seinen Krieg gegen den Regierungschef, seinen einstigen Vertrauten, erst recht starten. Kein Mensch kann im Moment Orbán so gefährlich werden wie Simicska.