Selten hat sich eine europäische Stadt durch Jahrhunderte hindurch derart intensiv als Kunststadt positioniert wie die alte Stadt am Rheinknie. Hier wurde schon 1661 mit dem Ankauf des Amerbachkabinetts durch Universität und Stadt Basel der Grundstein gelegt zur Gründung der ersten öffentlichen, das heisst, allen Interessierten und nicht nur dem Adel zugänglichen, Kunstsammlung der Welt.
Spitzenplatz unter den weltweit wichtigsten Sammlungen
Mit der 1832 erfolgten Schenkung aus der reichen Sammlung des „Museum Faesch“ begann eine Tradition eines ungewöhnlich grosszügigen Mäzenatentums, die sich bis in die heutigen Tage fortsetzt. So beherbergt das schon 1980 durch ein mäzenatisch gestiftetes Museum für Gegenwartskunst erweiterte Haus heute eine der grössten Kunstsammlungen der Welt. Die Times hat das Basler Kunstmuseum kürzllich in einem Ranking auf Platz 5 der weltweit wichtigsten Kunstsammlungen eingestuft.
Ein mit der Zeit gehendes Museum muss sich heute mit wichtigen und/oder grossen Sonderschauen positionieren, um nicht kontinuierlich Besucher zu verlieren. Dafür aber reichte der Platz in dem 1936 durch die Architekten Christ & Bonatz errichteten Gebäude am St. Albangraben schon lange nicht mehr aus.
Immer mussten wichtige Bestände der Sammlung für die Werke der Sonderausstellungen Platz machen, was nicht nur ärgerlich war und viel Arbeitskraft bündelte, sondern auch die Kunstwerke durch das ständige Verschieben gefährdete. Der Wunsch nach einem eigentlichen Ausstellungsbau wurde mit den wachsenden Publikumsansprüchen immer dringlicher.
Wie vom Himmel gefallen
Nun befindet sich das Kunstmuseum Basel aber an einer dicht besiedelten und stark frequentierten Position innerhalb des ohnehin engen Raumangebots des Stadtkantons Basel. Wie vom Himmel gefallen erschien daher eines Tages das Angebot der schon früher mit namhaften Schenkungen und Interventionen auf den Plan getretenen Basler Kunstmäzenin Maja Oeri (aus der berühmten Basler Mäzenatenfamilie Hoffmann/Sacher) mit dem Ankauf des zum Verkauf stehenden Areal des „Burghofs“, der dem Kunstmuseum gegenüber lag.
Dadurch konnte das Projekt eines Hauses für Sonderausstellungen lanciert werden. Der international ausgeschriebene Wettbewerb wurde vom Basler (!) Architekturbüro Christ & Gantenbein gewonnen. Inwiefern die verwandtschaftlichen Beziehungen der Familie Christ hier mitspielten (der 46-jährige Emanuel Christ ist der Grossneffe des Museumsarchitekten Rudolf Christ von 1936), überlassen wir der Fama.
Logistische Parforceleistung
Schon bald erwies sich der ursprünglich veranschlagte Baukredit als unzureichend und wurde auf 100 Millionen Franken aufgestockt. Hiervon übernahm die Stadt Basel die Hälfte. Die andere Hälfte, also 50 Millionen Franken, wurde von Maja Oeri und der von ihr errichteten Laurenz-Stiftung übernommen. Allein schon die Überwindung der zwischen den beiden Häusern durchführenden Dufourstrasse wurde zu einem logistischen Hürdenlauf sondergleichen.
Da das architektonische Projekt einen unterirdischen Zugang zwischen den beiden Häusern vorsah (ein Detail, welches schlussendlich offenbar mitentscheidend für den Zuschlag an Christ & Gantenbein gewesen war), mussten sämtliche unter der Strasse liegenden städtischen Leitungen 10 m tiefer gelegt werden.
Aug’ in Auge mit dem Hauptbau
Der Bau selbst nützt fast jeden Quadratzentimeter der übernommenen Grundsteinfläche aus. Er tut dies jedoch auf eine derart elegante und bestechende Art und Weise, dass von den früheren Befürchtungen eines „Betonbunkers“ nichts mehr übrig blieb. Apropos Beton: Natürlich bildet dieser das – im übrigen erdbebensicher gemachte - Grundgerüst. Die Verkleidung jedoch, in den Ausstellungsräumen durch Kratzputz, im Treppen- und Publikumsbereich durch grauen Carrara-Marmor, lässt keinen Gedanken an Bunkerhaftigkeit aufkommen.
Grosse Fenster mit feuerverzinkten Läden geben schöne Ausblicke auf den Hauptbau und dessen Umgebung frei. Der Architekt Christ formuliert das so: „Die beiden Gebäude schauen sich auf Augenhöhe gegenseitig an.“ Insgesamt wurde die Hängefläche der Räume um ein Drittel jener des alten Hauptbaus erweitert.
Sehr erfreulich ist die Tatsache, dass die Ausstellungsräume - veranlasst vom dezidierten Wunsch des Museumsdirektors - mit verfugten edlen Eichenböden ausgestattet sind. Dies dürfte nicht nur dem Publikum zugutekommen, sondern vor allem auch dem Aufsichtspersonal, das sich leider in allzu vielen neuen Museen der Welt mit ihren Spritzbeton- und Steinböden die Füsse ruiniert.
Betriebskosten als lauernder Knackpunkt
Wobei wir beim Betrieb des neuen Hauses wären. Allein die Besucherdienste wurden anzahlmässig zwar verdoppelt, doch dürfte das auf Dauer nicht ausreichen. Ausser vagen Andeutungen schweigen sich über die Gesamtbetriebskosten des immerhin 8'000 Quadratmeter umfassenden Neubaus nicht nur die Beteiligten von Stadt und Museum vornehm aus. Auch den beeindruckend reichhaltigen Publikationen zu Neubau und den derzeit laufenden Sonderausstellungen des Hauses ist nichts darüber zu entnehmen.
Mit dem Problem der Betriebskosten darf sich wohl ab September dieses Jahres der dem - durch Pensionierung ausscheidenden - Bernhard Mendes Bürgi nachfolgende Direktor Josef Helfenstein herumschlagen. Es ist nach all dieser Anfangs-Euphorie zu wünschen, dass nicht, wie schon allzu oft und in aller Welt, ein grossartiges Projekt an den Betriebsmitteln scheitert beziehungsweise ernüchternd redimensioniert werden muss.
Eröffnungsausstellung „Sculpture on the Move“
Doch bleiben wir im Erfreulichen. Dazu zählt gewiss die Eröffnungsausstellung des „Neubaus“ (dies die offizielle Bezeichnung des Erweiterungsbaus). „Sculpture on the Move 1946-2016“ bildet das kuratorische Gegenstück zur 2002 erfolgten Ausstellung „Painting on the Move“ und konzentriert sich in zwei Stockwerken des Neubaus auf das dreidimensionale Schaffen vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute. Mit ausgewählten Werken aus dem Kunstmuseum Basel und bedeutenden Leihgaben aus aller Welt eröffnet sich laut dem kuratierenden Direktor Bürgi „ein dichtes, überaus reiches Spannungsfeld“.
Unter den ausgestellten Werken befinden sich Ikonen wie Max Bills „Unendliche Schleife von 1960/61 aus dem Pariser Centre Pompidou oder, aus Basler Besitz, Walter de Marias gefährliches „Bed of Spikes“ von 1968/69, dem ein ganzer, wohlweislich abgetrennter Raum zur Verfügung gestellt wurde. Im nahen, am Rheinufer liegenden Museum für Gegenwartskunst (neu „Kunstmuseum Basel Gegenwart“) genannt, wird die Ausstellung fortgesetzt.
Barnett Newman im Kupferstichkabinett
Der sanierte und erdbebensicher gemachte alte Hauptbau profitiert mit der Neuhängung der Sammlung generell von mehr Luft und Raum um die kostbaren, weltberühmten Bestände.
Der überaus bedeutende Besitz aus dem Kupferstichkabinett, eine Sammlung von rund 300'000 Werken auf Papier vom 16. Jahrhundert bis heute, wird weiterhin in einem Seitenflügel des Hauptbaus aufbewahrt und von Zeit zu Zeit mit gezielten Ausstellungen öffentlich zugänglich gemacht. Zur Eröffnung wird nun erstmals ein Überblick über das gesamte grafische Schaffen des amerikanischen Künstlers Barnett Newman (1905-1970) gewährt, darunter die berühmte Lithografienfolge der „Cantos“.
Insgesamt vier gut gemachte, aufschlussreiche Publikationen begleiten die Eröffnung. Der Eintritt in alle drei Häuser ist anlässlich des Opening am Sonntag, 17., und Montag 18. April für das Publikum frei. Eingeweihte raunen, dass an den Eröffnungstagen rund 20'000 Leute erwartet werden. Ab Dienstag, 19. April, beginnt der ordentliche Museumsbetrieb mit gleichen Öffnungszeiten und Preisen für alle drei Häuser.