Das Eröffnungskonzert wurde vom SWR-Sinfonieorchester gespielt und vom italienischen Fernsehsender RAI Tre direct übertragen. Es fand in den spektakulären 600 Jahre alten Hallen des Teatro alle Tese statt. Darin wurden schon zu Dantes Zeiten Schiffe gebaut.
Unter der Leitung des Preisträgers wurden Bela Bartoks ‘Tanz Suite’, Igor Stravinskys ‘Agon’, sowie Eötvös’ ‘Konzert für zwei Klaviere’ und seine ‘Replica’ gegeben.
Das erste hatte Eötvös zum 125. Geburtag seines Idols und Landsmanns Bela Bartok geschrieben und ist eigentlich für Klavier und elektronisches Klavier konzipiert. Seine ‘Replica’, ein Dialog zwischen Viola und Orchester, entstand aus einer persönlichen Erfahrung.
Eötvös: "Mein gerade erwachsen gewordener Sohn entschied, dass das Leben nicht lebenswert sei. Drei Jahre lang versuchte ich ihn in Gesprächen immer wieder vom Gegenteil zu überzeugen, auch weil für mich, trotz Schwierigkeiten, das Leben immer interessant ist." Einen Kampf den er schliesslich verlor.
In seiner ‘Replica’ vertritt die Viola den Vater, das Orchester den Sohn. Der Vater drängt, versucht leidenschaftlich zu überzeugen, der Sohn antwortet mit phlegmatischer Schwermut. Der Vater instistiert, bäumt sich auf. Der Sohn bleibt bei seiner Trauer und Melancholie. Vitalität und Hoffnungslosigkeit wechseln sich ab. Die abebbende Lebenskraft endet abrupt. Ein intensives, zutiefst emotionales Hörerlebnis.
Preisträger Eötvös wurde 1944 in Transsilvanien in eine Musikerfamilie geboren, lebte als Kind als Flüchtling in Österreich, und studierte erst an der Musikakademie in Budapest und dann in Köln. Dort, dem Mekka der zeitgenössichen Musik der 50er- und 60er-Jahre, arbeitete er in engem Kontakt mit Karlheinz Stockhausen und Helmut Lachenmann, bis ihn Pierre Boulez 1979 als Dirigent seines ‘Ensemble Intercontemporain’ ans IRCAM nach Paris holte.
Dort war er für die Erstaufführungen vieler Werke verantwortlich, was Stockhausen bewunderte: "Er gehört zu den ganz seltenen Dirigenten, die alles dirigieren können, weil sie dabei den konzeptuellen Geist des Komponisten nutzen können. Er weiss um den inneren Zusammenhang der Werke, um die Wichtigkeit der Details und wie er dies dem Zuhörer vermitteln kann." Er liess Eötvös die meisten seiner Werke erstaufführen.
Erst vor 18 Jahren trennte dieser sich von der festen Verplichtung beim Ircam, um sich fortan zur Hälfte seiner Zeit der Komposition zu widmen. Auch da ist er Perfektionist. Um seine Oper ‘Die drei Schwestern’, angelehnt an Tchechovs Bühnenstück, für die Oper von Lyon zu schreiben, dirigierte er dort erstmal zwei Opern; er wollte die Akkustik des Bühnenraumes studieren.
So braucht er für die meisten Werke durchschnittlich fünf Jahre. Doch nun scheint die Zeit der Ernte gekommen. Das Barbican Center of London ehrt ihn mit der Aufführung seiner ‘Gebete’, einer Cantate für Chor und Orchester von 2002, sowie eines Marathons seiner Konzerte. Die Berliner Philharmoniker spielten diverse seiner Werke und die Oper in München führte seine’ Tragödie des Teufels’ auf. Er realisiert auch die Filmmusiken für Istvan Szabo.
Und nun bekommt er den ‘Goldenen Löwen’ in Venedig, denn, so der künstlerische Direktor der Biennale Luca Francesconi, "als Komponist wie Dirigent ist Eötvös ein Beipiel für die Harmonie zwischen Rationalität und Instinkt verbunden mit grösster Handwerkskunst. Genau diesen Ausgleich zwischen Kopf und Körper, Idee und ihrer Realization versuchen wir hier zu zeigen".
Eötvös ist nach György Kurtag der zweite ungarische Preisträger in kurzer Zeit. Peter Eötvös: "Wahrscheinlich weil wir Ungarn, wie das frühere Venedig, auf der Schwelle zwischen Ost und West stehen. Wir sehen mit den Augen des Ostens die Wunder des Westens." Pierre Boulez sieht dies pragmatischer und witzelt: "Ligeti, Kurtag, Georg Solti und jetzt Peter Eötvös. Die Ungarn sind wohl das Material , was sich am Besten zur Exportation eignet".
Zu unserer Freude.