Am 30. Januar 1968 greifen 80’000 nordvietnamesische Kämpfer über 100 amerikanische und südvietnamesische Stellungen an.
500’000 amerikanische Soldaten sind in Südvietnam stationiert. Sie und die südvietnamesische Armee sind von der Offensive völlig überrascht.
Der Grossangriff geht als „Tet-Offensive“ in die Geschichte ein. Sie dauert bis zum 23. September 1968. Der Name „Tet“ bezieht sich auf das vietnamesische Neujahrsfest „Tết Nguyên Đán“, das am 31. Januar stattfindet.
Der deutsche Fotograf Horst Faas ist seit Anfang an dabei. Die amerikanische Nachrichten- und Fotoagentur „Associated Press“ (AP) hatte den 29-Jährigen schon 1962 in den damals intensiver werdenden Vietnamkrieg geschickt.
Die Tet-Offensive vor 50 Jahren bringt dann die Wende. Zwar ist der Grossangriff für die Nordvietnamesen ein militärisches Fiasko. Der Vietcong wird in die Knie gezwungen und kampfunfähig. Er verliert bis zu 100’000 Kämpfer; das ist etwa die Hälfte des Gesamtbestandes.
Propagandistisch jedoch ist die Tet-Offensive für die Nordvietnamesen ein Grosserfolg. Viele Jahre vor Francis Ford Coppolas Film „Apocalypse Now“ tragen die Bilder von Horst Faas wesentlich dazu bei, dass die öffentliche Meinung Ende der Sechszigerjahre kippt.
Die Zuschauerinnen und Zuschauer in den USA erfahren plötzlich, dass sich die Amerikaner schlimmster Kriegsverbrechen schuldig machen. Und der Westen muss auch zur Kenntnis nehmen, dass die Nordvietnamesen keineswegs demoralisiert sind, wie es die amerikanische Propaganda weismachen will. Es gelingt den nordvietnamesischen Kämpfern immer wieder – trotz amerikanischer Grosspräsenz – auch im Süden zuzuschlagen. Die Verluste der Amerikaner steigen und steigen.
Die Tet-Offensive ist ein Meilenstein im Vietnamkrieg. Sie löst die ersten grossen Anti-Kriegsdemonstrationen aus. Die Amerikaner beginnen einzusehen, dass sie den Krieg nicht gewinnen können. Es dauert noch sieben Jahre bis er beendet wir.
Die Fotos von Horst Faas (Bild) werden in den Sechzigerjahren zu Ikonen der Anti-Kriegsbewegung. Für die nordvietnamesische Propaganda sind sie ein Geschenk. Faas lebt in Saigon mit seiner Frau Ursula. Beide teilen sich ein Jahr lang ein Haus mit David Halberstam, dem legendären Kriegsreporter der „New York Times“. Halberstam sagt, Faas sei „der Journalist in der Geschichte, der die meisten Kampfhandlungen begleitet hat“. Der deutsche Fotografie-Professor Michael Ebert sagte einst dem „Spiegel“: „Seine Bilder sind keine heroischen Schlachtgemälde. Sie zeigen die Welt ungeschminkt und den Krieg so brutal und abscheulich, wie er ist.“ Später erhält Faas einen zweiten Pulitzerpreis für ein Bild von einem Massaker in Bangladesh.
Doch Faas wird nicht nur mit zwei eigenen Pulitzerpreisen geehrt: Er hat auch wesentlichen Anteil an zwei weiteren.
So besteht er als AP-Bürochef in Vietnam darauf, dass – gegen hartnäckigen Widerstand aus Washington – ein Foto des Amerikaners Eddie Adams veröffentlicht wird. Es zeigt, wie ein vietnamesischer Polizeichef auf offener Strasse einen angeblichen Vietcong hinrichtet. Das Bild löst nicht nur in den USA einen Sturm der Entrüstung aus. Adams wird später einem Pulitzerpreis ausgezeichnet.
Faas sorgt als verantwortlicher AP-Chef in Saigon auch dafür, dass ein Bild veröffentlicht wird, dass zu einem der berühmtesten Kriegsfotos werden sollte. Es zeigt die Flucht der neunjährigen Kim Phuc Phan vor einem Napalmangriff am 8. Juni 1972. Aufgenommen wird die Szene im südvietnamesischen Dorf Trảng Bàng vom vietnamesisch-amerikanischen Fotografen Nick Nick Út. Die Verantwortlichen von AP in den USA wollten das Bild wegen des nackten Mädchens nicht veröffentlichen. Faas setzt sich über die Direktiven hinweg und lässt das Bild publizieren. Nick Út erhält dafür 1973 den Pulitzerpreis.
Diese Bilder, die plötzlich um die Welt gehen, erschüttern die Weltöffentlichkeit. Die Fotos von Horst Faas zeigen auch immer wieder, dass die USA mit Napalm und dem Entlaubungsmittel Agent Orange Krieg führen. Folge ist ein radikaler Umschwung der öffentlichen Meinung. Horst Faas hat wesentlich dazu beigetragen, dass der für die USA längst verlorene Krieg nicht noch weiter in die Länge gezogen wurde.
Bei einem Korrespondententreffen in Hanoi zieht sich Faas 2005 eine Infektion zu. Seine Beine sind ab jetzt gelähmt. Er stirbt am 10. Mai 2012 mit 79 Jahren.
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Nordvietnam befand sich in der kommunistischen Einflusszone, Südvietnam in der westlichen. Ziel der Amerikaner im Kalten Krieg war es, Südvietnam vor dem Kommunismus zu bewahren. Das gelang nicht. Heute ist ganz Vietnam vereint und ein kapitalistischer Tigerstaat – von den USA gelobt und hofiert.
Insgesamt starben im Vietnamkrieg – je nach Schätzung – zwischen vier und fünf Millionen Menschen, davon 58’000 amerikanische Soldaten. Auf einem Transparent bei einer Anti-Kriegsdemonstration in Washington hiess es: „My son was killed in Vietnam. What for?“