2005 setzte die UNO-Menschenrechtskommission den Ökonomen John Ruggie zum UNO-Sonderbeauftragten für Menschenrechte und transnationale Unternehmen ein. Im Juni dieses Jahres nahm der Menschenrechtsrat die „Guiding Principles on Business and Human Rights“, das Ergebnis der fünfjährigen Arbeit Ruggies, an.
Gemäss dieser Richtlinien sind Unternehmen in Zukunft nicht nur für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, wenn diese direkt aus der Geschäftstätigkeit der Unternehmen resultieren, sondern auch, wenn die Unternehmen über ihre Produkte und Dienstleistungen indirekt Menschenrechte verletzen.
Darunter fällt eindeutig auch die Finanzierungstätigkeit der Banken, sei es direkt durch Kreditvergabe oder indirekt durch die Unterstützung bei der Platzierung von Aktien und Anleihen. Auch die OECD hat sich endlich des Themas angenommen. Die neuen Richtlinien für multinationale Konzerne enthalten ein Kapitel über Menschenrechte. Es sind zwar nur unverbindliche Leitsätze, doch laut Lukas Siegenthaler, Leiter des für diese Fragen zuständigen „contact point“ beim SECO ist zu hoffen, dass sie den Umgang mit strittigen Fällen in Zukunft beeinflussen werden.
Was geschieht in der Schweiz?
Die Schweiz ist eine wichtige Drehscheibe für den internationalen Goldhandel. Newmont und andere Konzerne liefern das Rohgold an die Firma Valcambi SA in Balerna bei Chiasso. Dort wird es raffiniert und zu Goldbarren verschmolzen. Ab da lässst sich seine Herkunft nicht mehr feststellen und damit auch nicht, unter welchen Bedingungen es abgebaut wurde.
Die Schweizer Grossbanken UBS und CS beteiligen sich direkt an der Finanzierung von Minenprojekten oder im Rahmen von Banksyndikaten, die durch Kredite, Anleihen- oder Aktienausgaben Firmen wie die Barrick Gold Corporation und andere finanzieren. Die Firma Xstrata und die Glencore-Tochtergesellschaften sind Schweizer Firmen, denn sie haben ihren Sitz im Kanton Zug.
Es erstaunt daher nicht, dass sich viele Organisationen der Schweizer Zivilgesellschaft gegen die Menschenrechtsverletzungen beim Abbau von Gold und anderen Rohstoffen stark machen. Sie haben sich aktiv beim „Ruggie-Prozess“ engagiert, sind aber laut einer Medienmitteilung von Amnesty International und sieben weiteren Nichtregierungsorganisationen der Meinung, dass der Schutz der Menschenrechte vor Verletzungen durch Unternehmen und die Wiedergutmachung für die Opfer nicht genügend sei.
Kompetenzzentrum für Menschenrechte
„Des einen Schatz, des anderen Leid“ lautet der Titel einer Petition, welche die kirchlichen Entwicklungsorganisationen Fastenopfer und Brot für alle im Mai 2011 einreichten. Mit dem Ziel, die „Guiding Principles“ rascher umzusetzen, fordern sie den Bundesrat auf, die gesetzlichen Grundlagen für mehr Transparenz bei den Finanzflüssen zu schaffen und die rechtliche Verantwortlichkeit von Schweizer Unternehmen für ihre Aktivitäten im Ausland zu verstärken.
Unternehmen sollen ihre Finanzergebnisse nach Land offen legen und angeben, in welchen Ländern sie unter welchen Namen tätig sind und wie viel sie in den einzelnen Ländern versteuert haben. Ferner sollen Unternehmensleitungen mit der Verankerung einer gesetzlichen Sorgfaltspflicht angehalten werden, Massnahmen zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen durch das Unternehmen oder seine Tochterfirmen zu ergreifen.
Auch die Universitäten nehmen sich des Problems an: Am 1. Januar 2011 wurde ein neues Kompetenzzentrum für Menschenrechte ins Leben gerufen. Es wird von den Universitäten Bern (Koordination), Freiburg, Neuchâtel und Zürich sowie mehreren assoziierten Instituten getragen. Der «Bereich Wirtschaft und Menschenrechte» steht unter der Leitung von Professorin Christine Kaufmann von der Uni Zürich. Das auf fünf Jahre angelegte Zentrum ist ein Pilotprojekt und soll gegebenenfalls den Bund dazu veranlassen, eine unabhängige nationale Menschenrechtsinstitution gemäss den Pariser Prinzipien der Uno zu schaffen.
Einsatz von Zyanid verbieten
Der wichtigste Schritt wäre, den Einsatz von Zyanid in Tagbauminen zu verbieten. In den Rohstoffländern selbst wird ein solches Verbot wegen der Abhängigkeits-verhältnisse nie zustande kommen, daher muss es in den Ländern geschehen, wo die Minenkonzerne ihren Sitz haben. Wenn sich diese ihrer Mitverantwortung für ihre Tochtergesellschaften und Partnerfirmen nicht mehr entziehen können, werden auch die Umgehungswege blockiert. Derweil wird in allen einschlägigen Publikationen für Investitionen in Gold geworben. Dazu werden Aktien der Minenkonzerne zum Kauf empfohlen.
Es ist ein Wettlauf mit der Zeit und es steht zu befürchten, dass die Menschen der Dritten Welt auch dieses Rennen verlieren werden. Bis die Minenkonzerne und die Banken, die sie finanzieren, gerichtlich zur Rechenschaft gezogen werden können, werden die Zerstörung, die sie angerichtet haben, ein irreparables Ausmass erreicht haben.
Zweierlei Ellen
Aus Sicht eines Argentiniers oder Chilenen mutet es wohl zynisch an, wie die Schweizer ihren Aletsch-Gletscher hochhalten. Er gilt als Naturwunder und steht unter Schutz. Die Schweiz ist stolz darauf , dass er von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Der Aletsch ist touristisches Gold wert.
Die bedrohten Gletscher von Pascua Lama grenzen an das UNESCO Weltnaturerbe San Guillermo in Argentinien, ein Gebiet grossartiger Schönheit, wo sich die Ausbeutung der Minen bereits bemerkbar macht. Gegen die Goldgier der Industriestaaten sind Naturwunder der Anden schutzlos. Das Messen mit zwei Ellen ist eine Selbstverständlichkeit geworden und erregt keinen Anstoss.
Weiterführende Informationsquellen:
[email protected] oder www.evb.ch
www.multiwatch.ch
www.transparency.ch
www.brotfueralle.ch (Ökumenische Kampagne 2011: "Bodenschätze und Menschenrechte")
www.noalamina.org (auch Englisch)