Mit diesem Schwergewicht eröffnet das Riehener Museum das neue Jahr, das an die erfolgreichen letztjährigen Ausstellungen anknüpfen will. Mit Brancusi, Segantini, Dali, Magritte und Miro hat die Fondation im letzten Jahr ihre Besucherzahl um zehn Prozent auf über eine halbe Million steigern können.
Und jetzt also Pierre Bonnard, dem Ernst Beyeler in seiner Basler Galerie schon 1966 eine Ausstellung gewidmet hat.
„Es ging lange, bis ich den Zugang zu den Werken Pierre Bonnards fand“, sagte der Direktor der Fondation Beyeler Samuel Keller. „Doch nun liebe ich sie“. Ähnlich äusserte sich der Kurator der Ausstellung, Ulf Küster. Die Gemälde des französischen Koloristen, eines Vertreters des Post-Impressionismus, bezaubern durch ihre strahlende Farbigkeit und ihre liebevoll gestalteten Alltagsszenen.
Bürgerliches Leben in gefälliger Harmonie?
Zu sehen sind Aktbilder seiner langjährigen Geliebten und späteren Ehefrau Marthe. Häusliche Intimität wird gezeigt. Man sieht seine Frau bei der Toilette und im Bad. Man sieht auch den Hund mit seiner Herrin am Frühstückstisch. Oder die Katze, die mit aufgerecktem Schwanz auf die Boullaibaisse mit ihren noch lebenden Zutaten starrt.
Lange Zeit wurde Bonnard als altmodischer und wenig schöpferischer Künstler bezeichnet. Während sich seine Kollegen mit dem Kubismus und der abstrakten Darstellung beschäftigten, malte Bonnard das bürgerliche Leben in gefälliger Harmonie. Ist er, wie oft kritisiert wurde, im Gegenständlichen und im Impressionismus stehen geblieben?
Es braucht Zeit und Aufmerksamkeit bis man bemerkt, dass auch Bonnards Werke zusätzliche Dimensionen enthalten. Die kürzlich verstorbene franko-amerikanische Künstlerin Louise Bourgeois muss das schon früh erkannt haben. Mit ihrer neun Meter hohen bronzenen Riesenspinne war sie letztes Jahr in mehreren Orten der Schweiz präsent. Einiger ihrer Werke wurden kürzlich in der Fondation ausgestellt. Sie war eine glühende Verehrerin Bonnards.
“Die Kunst ist doch nicht die Natur“
Auch er experimentierte, auch er suchte die Weiterentwicklung – allerdings eher in der Farbe als in der Form. Er gehörte der Künstlergruppe Nabis an. Ihr Name leitet sich vom hebräischen Wort für „Prophet, Erleuchter* ab. Bonnard und seine Gruppe widmeten sich den japanischen Holzschnitten und studierten dort die Vereinfachung der Linien und den gewagten Gebrauch der hellen Farben. Fasziniert war sie auch von der Möglichkeit, verschiedene Standorte in einem Bild zu gebrauchen.
Bonnard sagte 1937: „Als meine Freunde und ich Impressionisten untersuchten und versuchen wollten, sie weiter zu entwickeln, strebten wir danach, ihre naturalistischen Farbeindrücke zu überwinden. Die Kunst ist doch nicht die Natur! Wir gingen strenger mit der Komposition um. Ausserdem konnte man noch viel mehr aus der Farbe als Ausdrucksmittel herausholen ...”
Zunächst lehnte sich Bonnard an die graphischen Techniken an. Er illustrierte Zeitschriften, gestaltete Bucheinbände und Theaterdekorationen. So schuf der ausgebildete Jurist ein umfangreiches druckgrafisches Werk mit bekannten Farblithographien.
Inspiriert von Gauguin
Sein Plakat «France-Champagne» brachte ihm 1891 den grossen auch finanziellen Erfolg ein. Dieser erlaubte es ihm, seine juristische Laufbahn vollends aufzugeben. Als Maler wohnte er zuerst in nahem Kontakt mit Toulouse-Lautrec am Montmartre. Er inspirierte sich bei Renoir, sah seinen grössten Einfluss jedoch bei Gauguin und dessen leuchtenden, oft hart gegeneinander gesetzten, durch Linien abgegrenzten Farbpartien.
Er kauft sich ein Haus an der Seine bei Giverny, dort, auch Claude Monet wohnte und seinen berühmten Garten anlegte. Oft brauchte Bonnard mehrere Jahre bis er ein Bild fertiggestellt hatte. Die gemalten intimen häuslichen Szenen, die Ausblicke in den Garten, sind seine wirkliche Welt. Bonnard lebte scheu zurückgezogen, erst in einer Dreieckbeziehung, dann, nach seiner Heirat mit Marthe und dem Selbstmord der Geliebten, in Zweisamkeit mit Haustieren. Nach Giverny zog er 1939 in ein Haus in Le Cannet oberhalb von Cannes, wo er 1947 starb.
Berauschende Farbigkeit
In diesem geschützten Cocon entwickelt sich seine Malweise. Die von den japanischen Holzschnitten übernommenen Linien gibt er auf. Ab 1900 malt er bewegtere Farbformen mit aufgelösten Pinselstrichen.
Bonnard: „Die Hauptsache ist die Fläche mit ihrer Farbe und ihren Gesetzen, noch vor denen der Objekte“. Mit der beweglichen Perspektive in seinen Kompositionen übernimmt er eine Anregung der Kubisten, gibt die Zentralperspektive auf und schafft mit Spiegeln, Fenstern und Ausblicken gleichberechtigte Zentralpunkte im Bild, die den Betrachter zu erhöhter Konzentration, fast zum simultanen Sehen, zwingen.
Auch finden sich bei ihm Objekte, die in ungewöhnlicher Weise vom Bildrand an- oder gar abgeschnitten werden. Doch im Gegensatz zu den Kubisten entwickelt er eine intensive Farbigkeit und experimentiert mit den Wirkungen des Lichts. So bringt zum Beispiel das flirrende mediterrane Licht das Muster der Badezimmerfliessen in Schwingung und löst die festen Konturen von Menschen und Objekten auf.
Diese Auflösung des Festen, bei verwirrenden Einblicken in Räume, und dies in einer leuchtenden, fast berauschenden Farbigkeit, ist die wirkliche Leistung Pierre Bonnards. Ein Eintauchen in eine Welt voll Licht, Wärme und Farbe, die gerade in der gegenwärtigen eisigen Monochromie sehr willkommen ist.
(Die Ausstellung dauert bis zum 13. Mai.)