Es gibt in Aden eine Vorhut von Soldaten, die neu in die Kämpfe zwischen Huthis und ihren Feinden eingreift. Möglicherweise sind dies keine saudischen Soldaten, sondern von ihnen und ihren Verbündeten ausgebildete und ausgerüstete jemenitische Freiwillige. Das Risiko, direkt saudische Militärs einzusetzen, wäre gross.
"Fremde Soldaten" in Aden
Es gibt seit dem vergangenen Samstag Berichte, nach denen "fremde Soldaten" in Aden gelandet seien und in die dortigen Kämpfe eingegriffen hätten. In Saudi Arabien wurde dementiert, dass es sich um "Kräfte der Koalition" handle. Mit der Koalition ist die Gruppe von arabischen Staaten, die unter saudischer Führung und Hauptbeteiligung die Bombardierungen in Jemen durchführt, gemeint.
Doch werden amtliche Sprecher, Milizsprecher und Beobachter aus der umkämpften Stadt Aden zitiert, die sagen, eine beschränkte Zahl von fremden Soldaten sei in Aden aktiv. Sie hätten in die Kämpfe um den internationalen Flughafen eingegriffen, die sich seit Wochen in Aden abspielen. Der Flughafen hat mehrmals den Besitzer gewechselt. Pro-Huthi-Kämpfer und pro-Hadi-Kämpfer hatten ihn abwechselnd ganz oder teilweise in Besitz genommen. Die fremden Soldaten, so war zu vernehmen, hätten nun mitgeholfen, die Huthis vom Flughafen zu vertreiben.
Die "Fremden": wahrscheinlich Jemeniten
Möglicherweise handelt es sich bei diesen "fremden Soldaten" um Jemeniten, die in den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgebildet und ausgerüstet wurden und die nun in die Kämpfe eingreifen. Nach dieser Version, die ebenfalls umgeht, soll es sich um junge Soldaten handeln, die von älteren Offizieren angeführt würden. Diese Älteren sollen ehemalige Offiziere des südjemenitischen Staates sein, der sich 1994 wieder von Nordjemen trennen wollte, aber den Krieg verlor, der damals zwischen den beiden Teilen Jemens geführt wurde. Bei diesen älteren Offizieren würde es sich um Personen handeln, die damals ins Ausland geflohen sind und dort, wie bekannt, eine Exilbewegung ins Leben riefen, die weiterhin für die Wiederbelebung des südjemenitischen Staates wirkt.
Es gibt auch Berichte darüber, dass Saudi Arabien versucht, jemenitische Stämme für den Krieg gegen die Huthis zu mobilisieren. Geld, Waffenabwürfe, und Ausbildungszentren innerhalb Saudi Arabiens werden erwähnt. In den nördlichen Teilen der Wüstenregion des Jawf stehen lokale Stämme bereits gegenwärtig im Kampf mit den Huthis, die versucht hatten, in ihre Region vorzudringen. Auch sie sollen saudische Waffen durch Flugzeugabwürfe erhalten haben.
Jemeniten für den Kampf am Boden
All dies macht wahrscheinlich, dass "die Koalition" und in erster Linie Saudi Arabien, darauf ausgehen wird, Jemeniten für den Kampf gegen die Huthis zu mobilisieren, den sie selbst seit dem 26. März von der Luft aus führen. Bodentruppen werden unumgänglich sein, um die Huthis zu besiegen. Als die Luftangriffe damals begannen, forderten die Saudis ihre pakistanischen Verbündeten auf, Truppen für den Krieg im Jemen zur Verfügung zu stellen. Doch der pakistanische Ministerpräsident, Nawaz Scherif, brachte die Frage der Truppenentsendung vor das pakistanische Parlament, und dieses beschloss einstimmig, keine Truppen zu senden. Ob ähnliche Forderungen auch an Ägypten ergingen, weiss man nicht. Doch der Umstand, dass Präsident Sissi anregte, eine panarabische Sicherheitstruppe aufzustellen, könnte bedeuten, dass er, der zur Zeit keine parlamentarische Legitimation hat, diesen Weg einschlug, um die Hilfsaufforderungen aus Saudi Arabien zu umgehen.
Die Saudis haben von Beginn an erklärt, sie wollten eine Bombenkampagne führen, doch weitere Schritte darüber hinaus seien nicht ausgeschlossen, falls sie sich als notwendig erweisen sollten. Offenbar wollen jedoch die Saudis ihre eigenen Truppen nicht oder noch nicht einsetzen.
Die Erfahrung von 2009
Als Saudi Arabien 2009 versuchte, dem damaligen Präsidenten, Ali Saleh Abdullah, gegen die Huthis zu Hilfe zu kommen, gingen diese über die saudische Grenze zum Gegenangriff vor. Sie drangen über 50 Kilometer in das Königreich ein und besetzten den Flecken Jizan, eine saudische Provinzhauptstadt beim Roten Meer, am westlichen Abschnitt der jemenitischen Grenze. Die saudische Regierung schritt zu Geldzahlungen an die Huthis, um sie zum Abzug aus Jizan zu bewegen. Der damalige saudische Kriegsminister hat seither nie wieder einen wichtigen Regierungsposten erhalten.
Die Episode ist relevant für den gegenwärtigen Krieg. Zwar sind die Saudis heute sehr viel besser gerüstet als damals, sie haben inzwischen für viele Milliarden Waffen in den USA gekauft. Jedoch dürfte es für sie jedenfalls sicherer sein, wenn sie sich nicht auf einen Bodenkrieg mit den kampfgeübten Huthis einlassen müssen.
Innenpolitik im Schatten des Krieges
Der jementische Krieg ist für Saudi Arabien nicht nur von Bedeutung, weil es um die heikle jemenitische Grenze geht, und nicht alleine weil die Saudis fürchten, Iran versuche, die Huthis zu instrumentalisieren, um sie als Provokateure gegen das Königreich einzusetzen. Es geht auch um innenpolitische Belange.
Unmittelbar vor dem Beginn der Bombenkampagne gegen die Huthis und deren militärische Verbündete aus der jemenitischen regulären Armee hatte der im Januar neu auf den Thron gelangte König Salman seinen Sohn, Muhammed, der als sein Lieblingssohn gilt, zum Verteidigungsminister eingesetzt. Kurz darauf, als der Bombenkrieg bereits begonnen hatte, schritt der König zu einer Neuordnung seiner Regierung und seiner Erbfolge.
Wechsel in der Thronfolge
Das Königreich hat seit dem verstorbenen König Abdullah sowohl einen Thronfolger wie auch einen stellvertretenden Thronfolger, der als der zweite Prinz in der Thronfolge gilt. Salman ernannte einen neuen Thronfolger in der Person seines Neffen, Muhammed ben Nayef ben Abdul Aziz. Der bisherige Thronfolger, Moqrin ben Abdul Aziz, ein jüngerer Halbbruder des Königs, "ersuchte aus Gesundheitsgründen um seinen Rücktritt". Zweiter Thronfolger wurde der Lieblingssohn des Herrschers, Prinz Muhammed ben Salman.
Der neue Thronfolger, Muhammed ben Nayef, behielt seinen Posten als Innenminister, und er wurde zugleich auch Stellvertretender Ministerpräsident. Der zweite Thronfolger wurde Verteidigungsminister und dadurch der Hauptverantwortliche für den gegenwärtigen Krieg. Mit vermuteten 34 Jahren ist der neue Kriegsminister und zweite Thronfolger einer der jüngsten Minister des Königreiches. Auch der seit über 40 Jahren amtierende Aussenminister, Prinz Saud al-Faisal, "bat um seinen Rücktritt" und wurde durch den Botschafter in den USA, Adel Abdel Jubeir, ersetzt. Dieser ist nicht ein Mitglied der Saud Familie, wie fast alle früheren Aussenminister.
Die dritte Generation rückt nach
Für Saudi Arabien ist die wichtigste Neuerung, die sich aus dieser Neuordnung ergibt, dass nun ein Mitglied der dritten Generation nach dem Reichsgründer, Abdul Aziz Ibn Saud, Thronfolger wird. Bisher hatte die Regel gegolten, dass alle Söhne des Reichgründers, er soll über 40 Söhne gehabt haben, dem Alter nach den Thron übernahmen. Prinz Moqrin, der als Thronfolger ausschied, wäre auch einer dieser Söhne gewesen. Statt seiner wird nun ein 55 jähriger Enkel des Reichsgründers, Mohammed ben Nayef, Thronfolger und ein 34 jähriger ebenfalls Enkel (und Sohn des gegenwärtigen Königs) der zweite Thronfolger. Das heisst Salman hat den Übergang zur nächsten Generation beschleunigt.
Erfolgszwang für den Verteidigungsminister
Der Sohn König Salmans, Muhammed, der Verteidigungsminister, ist verantwortlich für den gegenwärtigen Krieg. Wenn er gut ausgeht, steigert das sein Prestige, wenn nicht, wird es leiden. Wie sehr, hängt natürlich davon ab, wie deutlich dieser Misserfolg wird. Am Prestige des Verteidigungsministers hängt jedoch auch die Zustimmung oder die - offene oder versteckte - Ablehnung des Übergangsmanövers des neuen Königs innerhalb der weiten Herrscherfamilie und weiter hinab in den Kreisen, die das Königreich tragen und lenken, Geistlichen und politischen Würdenträgern.
Die neue Ordnung hat bessere Aussichten auf Bestand, wenn der Krieg erfolgreich verläuft. Tut er das nicht, könnte sich der verlorene oder wenig erfolgreiche Krieg auch auf die neue Ordnung auswirken, die König Salman dekretiert hat.
Auch in Saudi Arabien drohen Engpässe
Das Königreich steht vor schwierigen Zeiten, sowohl im finanziellen Bereich wie auch in Bezug auf die Herausforderungen, die von den Kämpfern vom IS ausgehen, und auch, wie die Saudis glauben, von Iran. Finanziell steht Reserven von 700 Milliarden ein Budgetdefizit von 39 Milliarden gegenüber. Falls die gewaltigen Ausgaben des Königreiches gedrosselt werden müssten, würde dies die politischen Risiken erhöhen. Unter den 30 Millionen saudischer Bürger wächst schon gegenwärtig die Arbeitslosigkeit, und der Ölpreis bleibt vorläufig niedrig.
Dies geschieht paradoxerweise zum Teil dadurch, dass Saudi Arabien mehr Erdöl fördert denn je. Dies tut das Königreich wahrscheinlich in erster Linie, um Iran zu schädigen. Riad rechnet, dass das viel grössere Land Iran mit 77 Millionen Bewohnern und Wirtschaftsproblemen durch den Boykott der Amerikaner und Europäer stärker unter reduzierten Erdöleinnahmen zu leiden hat als das Königreich mit viel weniger Bewohnern und grossen Finanzreserven.
Wachsende Gefahr
In den letzten Wochen wurde die Aufdeckung von IS-Zellen und die Gefangennahme von 19 angeblichen IS-Aktivisten im Königreich gemeldet. Eine grosse Grenzsperre durch die riesigen Wüstenstrecken der saudischen Grenze zum Irak und zu Jordanien ist im Bau.
Die beiden Kriege, der in Syrien und der in Jemen, werden zusätzliche Milliarden kosten. In Jemen wären saudische Truppen höchstwahrscheinlich gefährdet. Einen Guerillakrieg in den dortigen Wüsten und Bergen könnten sie kaum erfolgreich führen. Das vorsichtigere Vorgehen bestünde zweifellos darin, dass Saudi Arabien versucht, jemenitische Stämme und jemenitische sunnitische Kämpfer gegen die Huthis zu finanzieren und zu mobilisieren, sogar wenn dies noch ein paar weitere Milliarden kosten sollte.
Feindbild Iran zur Gewissensentlastung
Kritik an Riad, weil das Vorgehen in Jemen den Jemeniten ohne Zweifel gewaltiges Elend bringt, wird in Saudi Arabien nicht sehr ernst genommen. Das Feindbild, das man sich von Iran macht, dient auch dazu, das eigene Vorgehen als unabdingbar zu deuten. Letzten Endes, so glaubt man in Saudi Arabien, sei Iran an allem schuld, also auch an den Leiden, die der saudische Krieg den Jemeniten zufügt. Schon gegenwärtig fehlt es in Jemen an Brot, an Wasser, an Treibstoff, an Elektrizität, und es ist offensichtlich, dass diese Mängel sich von Tag zu Tag schwerer auswirken werden. Eine Hungersnot wird nicht zu vermeiden sein, wenn der Krieg andauert.