München wird wegen seiner sinnenfrohen Lebensweise abwechselnd die südlichste Stadt Deutschlands oder die nördlichste Stadt Italiens genannt. Mit Italien hat München zumindest eines gemeinsam: die absolute Ruhe von Weihnachten bis zur "Befana", der italienischen Hexe, die den Kindern am 6. Januar die Geschenke bringt. Und nicht zu vergessen: der deutsche Dreikönigstag. Während dieser Zeit sind die Münchner verreist oder ruhen zu Hause. Die Strassen sind weitgehend verwaist.
Finanzieller Engpass
Doch zur Wiederaufnahme von Richard Wagners "Der fliegende Holländer" strömten die Münchner zahlreich in der Staatsoper. Dafür mussten sie ausgeruht sein, denn die Oper wurde in einem zweieinhalbstündigen Marathon durchgespielt. Das bedeutet eine hohe Anforderung an Konzentration und Sitzmuskeln, der nicht alle gewachsen waren.
Wagner hatte seine vierte "Romantische Oper in drei Aufzügen" als Einakter mit drei Vorhangöffnungen konzipiert, weil sie im Grand Théatre de Paris vor einem Ballet gespielt werden sollte. In seiner damals finanziell desolaten Situation hoffte der junge Komponist, mit seinem Libretto, das auf Heinrich Heines Stoff des fliegenden Holländers basiert, einen Kompositionsauftrag an der Pariser Oper zu bekommen.
So reichte er im Juni 1840 das Libretto mit drei Gesangsnummern zur Audition ein. Doch dem Operndirektor gefiel zwar der Stoff, nicht aber die Komposition, und so sah sich Wagner gezwungen, seinen Textentwurf der Oper zu verkaufen. Der Kompositionsauftrag ging an Pierre Louis Philippe Dietsch. Doch Wagner gab nicht auf, entschied sich für einen kompositorischen Wettlauf und komponierte die Oper in nur sieben Wochen. Das ist wohl der Grund dafür, dass die Urfassung des "Holländers" von 1841 sehr geschlossen und stilistisch einheitlich wirkt.
Das Werk wurde am 2. Januar 1843 im Königlich Sächsischen Hoftheater in Dresden erstmals aufgeführt und war nur ein bedingter Erfolg. Das Publikum fühlte sich damit so überfordert, dass die Oper erst 20 Jahre später wieder auf einem Spielplan stand. Die Münchner sahen sie am 4. Dezember 1864 im Königlichen Hof-und Nationaltheater - diesmal mit Pausen.
Richard Wagner hat an dieser Oper immer weiter gearbeitet. Musikhistoriker meinen, es gäbe eben so viele Variationen wie vom Komponisten beeinflusste Aufführungen. Wahrscheinlich liegt das daran, dass Wagner hier am Anfang eines tiefgreifenden Wandels stand - sowohl stofflich wie musikalisch.
Wagner bearbeitet hier zum ersten Mal einen Mythos: "Das Unvergleichliche des Mythos ist, dass er jederzeit wahr und sein Inhalt, bei dichtester Gedrängtheit, für alle Zeiten unerschöpflich ist." Auch beginnt er hier seine Reihe der Erlösungen des fluch- und schuldbeladenen Mannes durch eine Frau, wobei die Erlösung des Individuums oft mit dem Untergang einer Welt einhergeht.
Höflicher Beifall
Und Richard Wagner legte mit dieser Oper den Grundstein zu einer neuen Musiksprache, die im "Ring der Nibelungen" und im "Parsifal" zu ihrer Vollendung kommt. Im "Fliegenden Holländer" sind davon nur Anklänge zu hören. Vieles ist noch unausgegoren; es fehlt der grosse Atem.
Die jetzige Münchner Produktion stammt vom Februar 2006, die Inszenierung vom Frankfurter Opernregisseur Peter Konwitschny. Sie zeigt die Welt des Holländers, der wegen eines Fluchs ewig die Welt umsegeln muss und nicht sterben kann, bis eine Frau ihm treu bleibt bis in den Tod. Das Bühnenbild mit den Kostümen erinnert an Rembrandts "Nachtwache". Die Welt der erlösenden Senta hingegen ist der moderne Fitness-Salon, wo Damen in engen, neonfarbigen Trikots wild auf Hometrainern radeln. Das Liebeswerben des höfischen ewigen Holländers neben der intensiv Fitness betreibenden Senta wirkt eher komisch als eindrücklich.
Der musikalische Rahmen ist allerdings untadelig. Der Japaner Kazushi Ono, Chefdirigent der Opéra de Lyon, die neuerdings von vielen als wirkliche Konkurrenz der Opéra de Paris angesehen wird, gibt ihr einen Schwung und eine Lebhaftigkeit, die mitreissen. Die Stimmen stehen für eine solide Produktion, wobei man vor allem von Klaus Florian Vogt, als Sentas früherem Verlobten Erik, viel erwartete, da er in Bayreuth überzeugt hatte. Die kräftige und ausdauernde Stimme eines Wagnersängers hat er zweifellos. Auch die dramatische Spielweise. Doch ein Schmelz, oder ein Timbre, das die Unverwechselbarkeit der Stimme ausmachen können, ist noch nicht erkennbar.
So war am Schluss der Beifall des opernkundigen Münchner Publikums eher höflich als begeistert. Man freut sich bereits auf die nächste Produktion dieses bewährten Opernhauses.