Mit dem Telephongespräch zwischen Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen und President-elect Donald Trump war die rote Linie überschritten. Die für Peking sakrosankte «Ein-China-Politik» wurde von der amerikanischen Supermacht in Frage gestellt. Seit 1972 Präsident Nixon sich zur Überraschung der Weltöffentlichkeit mit der Volksrepublik China arrangierte, galt dieses Prinzip. Selbst Taiwan – von China als «abtrünnige Provinz» apostrophiert – einigte sich im Konsensus von 1992 auf dieses Prinzip mit einer je eigenen Interpretation.
Aussenpolitik im 140-Zeichen-Stakkato
Donald Trump indes, wohl schlecht beraten, zwitscherte munter im 140-Zeichen-Stakkato, dass seine Administration nicht unbedingt an die Ein-China-Politik gebunden sein müsste, es sei denn «wir machen ein Geschäft mit China, das mit andern Themen verknüpft ist, Handel eingeschlossen».
Dann kam der Drohnen-Zwischenfall im Südchinesischen Meer. Die chinesische Marine beschlagnahmte eine amerikanische Drohne, erstattete sie aber nach kurzem diplomatischem Dialog zurück. Trump twitterte munter weiter drauflos: «Wir sollten China mitteilen, dass wir die gestohlene Drohne nicht zurückhaben wollen – sollen sie sie doch behalten!»
Doch Trump, während des Wahlkampfes für sein loses Mundwerk berühmt und berüchtigt, wetterte weiter drauflos, dass es eine Art hat. Aussenpolitisch am meisten Fett weg bekam China. The Donald griff China unter anderem an als «Währungsmanipulator». China habe «Amerika vergewaltigt», habe «unfair Steuern auf unsere Unternehmen erhoben», helfe Amerika nicht im Konflikt mit Nordkorea und habe den «grössten Diebstahl an Arbeitsplätzen in der Geschichte» begangen.
Bisher äusserte sich Peking eher zurückhaltend und sehr selbstbewusst. Trump, so sagte etwa ein Regierungssprecher, handle und twittere «aussenpolitisch wie ein Kind». In einem Kommentar der Global Times, herausgegeben vom Parteiblatt Renmin Ribao (Volks-Tageszeitung), hiess es, China habe viele Möglichkeiten, auf Trumps wirtschaftliche und handelspolitische Drohungen zu reagieren. «Wenn Trump», so der Kommentator, «die harte Tour spielen will, dann werden wir ihn nicht enttäuschen.» Trump sei unvorhersehbar, und so müsste Chinas Aussenpolitik mehr Einfallsreichtum entwickeln. Mehr Überraschung sei nötig nach dem Prinzip «während sie ihr Spiel spielen, spielen wir unser eigenes».
Gegenseitig abhängig
Präsident Obama hatte während seiner achtjährigen Amtszeit China stets mit Respekt behandelt im Bewusstsein, dass die USA und China für die voraussehbare Zukunft gegenseitig aufeinander angewiesen sind. Obama indes hat in seiner zweiten Amtszeit auch seine Asien-Politik grundlegend verändert, in Zusammenarbeit notabene mit der damaligen Aussenministerin Hillary Clinton. Oft nicht zum Vorteil Chinas. Der amerikanische Präsident begann ab 2012 eine «strategische Umkehr» seiner Aussenpolitik. Das Hauptinteresse galt fortan nicht mehr Europa und Nahost, sondern Asien (Pivot Asia).
Die Militärallianz mit Japan und Südkorea wurde intensiviert, ein Raketenabwehrsystem in Korea installiert, die Zusammenarbeit mit Australien, Vietnam und Indien deutlich verbessert. Handelspolitisch gleiste Obama die Trans-Pazifische Partnerschaft (TPP) unter Ausschluss von China auf, um «China daran zu hindern, in der Region seine Regeln» aufzuzwingen. Zudem kommandiert Washington regelmässig Marine und Luftstreitkräfte ins Südchinesische Meer ab.
Obama hielt das für geboten, um Chinas Durchsetzungswillen in Grenzen zu halten und erhielt dafür hinter vorgehaltener Hand Lob und Applaus von asiatischen Staaten. China interpretierte freilich die Haltung der USA, nicht ganz zu Unrecht, als Massnahmen, um Chinas Aufstieg einzudämmen. Obama indes überschritt nie eine diplomatische rote Linie. Vielmehr führte er mit China regelmässige Gipfelgespräche über Politik und Wirtschaft ein.
Mehr Konfrontation
Derzeit ist nur gewiss, dass es unter Präsident Donald Trump zwischen den USA und China in naher Zukunft wohl zu mehr Konfrontation und Konflikten kommen wird. Einen kleinen Lichtblick allenfalls spendet die Zusammensetzung des aussenpolitischen Personals in Washington. Dort sind sowohl friedliche Tauben wie kämpferische Falken vertreten. Einerseits zum Beispiel ernannte Trump als neuen US-Botschafter in China Terry Branstad. Der ehemalige Gouverneur von Iowa ist seit über dreissig Jahren bekannt mit Chinas Staats-, Partei- und Militärchef Xi Jinping. Andrerseits unterhält Trumps Stabschef Reince Priebus seit langem enge Beziehungen zu Taiwan.
Der zwitschernde Donald allerdings sollte sich in Acht nehmen. In einem Kommentar des Parteiblattes Global Times hiess es warnend an die Adresse von Trump: «China hat auf seine provozierenden Äusserungen eine ruhige Haltung bewahrt. Aber wenn er nach Amtsantritt China so wie in seinen Tweets behandelt, wird sich China keine Zurückhaltung mehr auferlegen.»