Silvio Berlusconi wird im September 81 Jahre alt. Für eine Überraschung ist er noch immer zu haben. Einigen wird er nun plötzlich sympathisch.
Nach dem Sieg von Emmanuel Macron hat der frühere italienische Ministerpräsident die italienischen Rechtspopulisten gerüffelt, dass es im Politgebälk nur so krachte. Doch beginnen wir von vorn.
„Marine, unsere wertvollste Alliierte“
In Italien finden spätestens im kommenden Frühjahr Neuwahlen statt. In den Meinungsumfragen führt Beppe Grillos Protestbewegung „Cinquestelle“. An zweiter Stelle liegt Matteo Renzis sozialdemokratischer „Partito Democratico“. Die bürgerliche Rechte strampelt seit Jahren im Jammertal. Berlusconis einst staatstragende „Forza Italia“ ist zerstritten und kraftlos. Fast gleich stark wie die Berlusconi-Partei ist die fremdenfeindliche Rechtsaussenpartei „Lega Nord“. An ihrer Spitze steht Matteo Salvini – ein ausgewiesener Rassist und Freund von Marine Le Pen („Marine ist die wertvollste Alliierte, die wir haben“).
Salvini, der auch vor neonazistischen Kontakten nicht zurückschreckt und die frühere schwarze Integrationsministerin Cécile Kyenge mit einem Affen verglich, hatte die Idee, ein rechtsstehendes Bündnis zu schmieden – mit ihm an der Spitze.
„Wir sprachen über Fussball“
Die Beziehungen Berlusconis zur Lega Nord waren nie einfach. Jahrelang hatte Umberto Bossi die Lega geprägt. Mehrmals beteiligte er sich mit seiner Partei an einer von Berlusconi geführten Regierung. 2012 trat der gesundheitlich schwer angeschlagene Bossi als Parteivorsitzender zurück. 2013 wurde Matteo Salvini Parteichef. Schnell steuerte der jetzt 44-jährige einstige Journalist einen aggressiven Kurs. Mit rechtspopulistischem Trommelfeuer gelang es ihm, der Partei einen prognostizierten Wähleranteil von über zwölf Prozent zu bringen.
Schon seit längerem versuchte er, Berlusconi zu ködern. Die beiden trafen sich kürzlich auch – und sprachen über Fussball, wie sie nachher witzelten. In jüngster Zeit wurde Salvini aggressiver und fordernder. Er glaubte, die kränkelnde Berlusconi-Partei vereinnahmen zu können. Als rechtsbürgerlicher Spitzenkandidat wolle er in die künftigen Wahlen ziehen. Und dann Ministerpräsident werden.
Stich in die offene Wunde
Und da platzt etwas herein, was ihm gar nicht passt: der Sieg von Emmanuel Macron. Damit hat er nun gar nicht gerechnet. Le Pens Niederlage ist auch eine Niederlage für Salvini. Der Römer Politologe Giovanni Orsina spricht in der „Repubblica“ von einem „schweren Schlag“ für den Lega-Chef.
Berlusconi benützte die Gelegenheit und stach in die offene Wunde. Es werde kein Bündnis mit der Lega geben, sagte der 80-Jährige. Wenn es nicht einmal gelinge, in diesen Zeiten des Terrors und des Brexit zu gewinnen, dann werde „dieser Populismus niemals siegen“. Berlusconi liess klar durchblicken, dass er mit Salvini und seinen anti-europäischen Ideen und Theorien nichts mehr zu tun haben will. Im Gegenteil: Berlusconi würdigte Macrons Sieg als „Baustein im Wiederaufbau Europas“. Salvini solle endlich begreifen, dass er am Volk vorbeipolitisiere. Die Klatsche sass.
Salvini reagierte standesgemäss und wutentbrannt. Berlusconis Unterstützung für Macron sei „unerträglich“. „Unser Feind ist Europa“, Macron sei „das Schlimmste vom Schlimmsten, das absolut Böse“.
„Matteo Renzi ist ein Macher wie ich“
Nach Berlusconis Ohrfeige steht Salvini ziemlich dumm da. Auch in der Lega selbst beginnt man sich zu fragen, ob er der richtige Mann ist. Kompromisskandidaten, die weniger aggressiv politisieren, stehen bereit. Auch für eine Koalition mit Berlusconi.
Doch will dieser überhaupt nochmals mit der Lega zusammengehen? Nicht nur in Römer Journalistenkreisen spekuliert man über etwas, was vor kurzem noch undenkbar schien: Wieso geht Berlusconi nicht mit Matteo Renzi eine grosse Koalition ein? Es ist noch nicht so lange her, da sagte Berlusconi: „Matteo Renzi ist ein Macher wie ich.“