„Schönes Ferienhaus am Meer zu vermieten“, heisst es in der Annonce im Internet. Roberto und Gloria sind interessiert. Sie möchten mit ihren zwei Kindern zwei Wochen südlich von Rom ausspannen. Das Inserat verspricht vier helle Zimmer und direkten Zugang zum Strand. Die Miete ist überraschend günstig. Dem Inserat sind Fotos beigefügt, die ein romantisches Haus zeigen, umgeben von alten Bäumen. Interessenten werden gebeten, sich telefonisch zu melden.
Roberto ruft an. Ein freundlicher Herr mit norditalienischem Akzent antwortet. Ja, das Haus sei noch frei, ein Glücksfall. Man einigt sich auf den Preis. Roberto wird gebeten, eine Anzahlung von 700 Euro auf ein bestimmtes Konto einzubezahlen. „Den Rest zahlen sie dann am Schluss ihrer Ferien“, sagt der freundliche Herr, „vorausgesetzt, das Haus hat ihnen gefallen“.
Es gibt keine Nummer 16
Einige Tage später erhält Roberto per Post einen Vertrag und Kopien von Identitätspapieren des Vermieters. Roberto zahlt die 700 Euro ein und freut sich auf die Ferien.
Drei Wochen später geht’s los. Roberto, Gloria und die Kinder fahren von Monza Richtung Süden. Um 16.00 Uhr sind sie in Formia und suchen das Haus Nummer 16 an der Via Umbria.
Es gibt keine Nummer 16. Es gibt keine Via Umbria. Roberto versucht, den freundlichen Vermieter anzurufen. Niemand antwortet.
Da staunt die alte Dame
„Schöne Ferienwohnung bei Trani zu vermieten“, steht im Angebot im Internet. Die Fotos zeigen eine begrünte Terrasse mit Blick auf die Adria. Pietro und Alessandra sind interessiert. Ein netter Herr antwortet. Man einigt sich auf Datum und Preis. Pietro leistet eine Anzahlung von 700 Euro. Er werde sie persönlich empfangen und ihnen die Schlüssel überreichen, sagt der nette Herr am Telefon.
Einen Monat später stehen Pietro und Alessandra vor dem hübschen Haus. Es ist noch schöner als auf den Fotos. Pietro klingelt. Eine alte Dame öffnet. Sie ist erstaunt. „Dieses Haus ist nicht zu vermieten, wir haben nie mit einer Agentur zusammengearbeitet. Wir wohnen seit 18 Jahren hier, wir vermieten nichts, wir haben nie etwas vermietet“.
Der Hund bellt vor Freude
Gianni und Silvia wollen mit ihren beiden Töchtern zwei Wochen ans Meer. Ein Inserat im Internet offeriert ein schönes Häuschen südlich von Gallipoli in Apulien. Gianni telefoniert, ein netter Herr antwortet, Gianni erhält per Post den Vertrag und zahlt 700 Euro.
An einem Samstagnachmittag fahren die Vier vor dem Haus bei Gallipoli vor. Niemand öffnet. Gianni will den netten Herrn anrufen, niemand antwortet. Er ruft die Polizei. Das Haus gehöre einem reichen Anwalt, sagt der herbeigerufene Beamte, da seien sicher keine Wohnungen zu vermieten. Als der Polizist geht, fährt ein weisser Alfa Romeo vor. Ein junges Paar steigt aus. „Wir haben hier eine Ferienwohnung gemietet“. Ihr Hund bellt vor Freude. „Anche voi!“, sagt Gianni. „Auch ihr habt die Wohnung gemietet!“
Nun stehen Gianni, Silvia, die Töchter, das Alfa Romeo-Paar und der Hund im Garten – und haben sich die Ferien anders vorgestellt.
Entwarnung
Jetzt hat Alessandro Gobbis, ein Mailänder Staatsanwalt, Entwarnung gegeben. Elf Personen wurden angeklagt, Italiener und Rumänen. Gegen elf weitere wird ermittelt. Die meisten von ihnen sind der Polizei wegen früherer Delikte bekannt. Ein Chef der Bande soll sich auf der Flucht im Ausland befinden.
Der Trick war simpel: Häuser oder Wohnungen wurden angeboten, die es nicht gibt. Oder: die es gibt, aber nicht zu vermieten sind. Einige von ihnen wurden zwei oder drei Mal für den gleichen Zeitraum angeboten. Geködert wurde die Kundschaft mit überraschend tiefen Preisen. Sobald ein Kunde angebissen hatte, wurden die Angebote im Internet gelöscht. Im Normalfall verlangte der „nette Herr“ eine Anzahlung von 20 Prozent des Mietzinses. Die Konten, auf denen die Beträge einbezahlt wurden, wechselten ständig. Offenbar gelang es der Bande nicht nur Internetkonten, sondern auch das E-Banking der Kunden zu knacken.
Deliktsumme: eine Million
Die Polizei geht davon aus, dass so über 600 Häuser und Wohnungen vermietet wurden. Allein in der Region Mailand sind 254 Klagen mit einer Deliktsumme von 350'000 Euro eingegangen. Vermutlich wurde insgesamt etwa eine Million Euro betrügerisch eingetrieben. Auch an Weihnachten und Neujahr standen Häuser und Wohnungen im Angebot, so in Bormio, Courmayeur und Livigno. Seit mindestens fünf Jahren war die Bande tätig.
Da Polizei fürchtet, dass Nachahmer auf den Geschmack kommen könnten. Sie empfiehlt den Mietern, aufmerksam zu sein und selbst zu prüfen, ob es das Haus gibt und ob es zu vermieten ist. Interessenten sollten, so der Ratschlag, bei Touristenbüros vor Ort oder bei der Polizei Informationen einholen. Manchmal genügen schon simpelste Massnahmen. Hätten Roberto und Gloria das Telefonbuch konsultiert, hätten sie erfahren, dass es in Formia keine Via Umbria gibt.