Der Niedergang der CS ist die Folge der übertriebenen Finanzialisierung. Zu den Spekulationsprodukten der Finanzialisierung gehören Credit Default Swaps. Diese haben zum Debakel der CS beigetragen.
Das Dilemma der folgenden Zeilen liegt darin, dass ich ein gefährliches und niederträchtiges Derivateprodukt, genannt Credit Default Swaps, erklären muss. Wichtig: Ein solcher Swap hat den Bankrun auf die CS beschleunigt. Credit Default Swaps spielten bereits bei der Finanzkrise 2007/2008 eine desaströse Rolle.
Was ist ein Credit Default Swap?
Der Credit Default Swap ist nichts anderes als eine Wette, die verschiedene Spieler im Bankencasino miteinander abschliessen. Wie bei einer Versicherung zahlt die eine Partei eine Prämie. Wird das Ausfallrisiko z. B. einer Aktie als hoch eingeschätzt, steigt die Prämie. Tritt der Schadensfall nicht ein, beschert ein Credit Default Swap dem Versicherer einen Gewinn. Credit Default Swaps sind reine Spekulationsgeschäfte. Sie können als Waffe bei einem Angriff auf Gesellschaften eingesetzt werden.
Der SRF-Club vom 28. März 2023
Das Thema dieser Sendung war «Wer zähmt die ‘Monster-Bank’», also die aus der Fusion von UBS und CS entstandene schweizerische neue Grossbank UBS. Eingeladen im Club war auch Prof. Marc Chesney, Professor für Quantitative Finance an der Universität Zürich, der seit Jahren einen kritischen Standpunkt gegenüber den Finanzmärkten und den Grossbanken vertritt.
Eine Bemerkung von Prof. Chesney liess die Runde verstummen
Prof. Chesney erwähnte in der Diskussion, das Volumen der Derivate in der Schweiz sei unheimlich hoch. Die Six-Gruppe publiziere seit Jahren wöchentlich die Nominalwerte der Derivate in der Schweiz. Diese betrügen das 30’000fache unseres Bruttoinlandproduktes.
Warum verstummte die Runde nach seiner Bemerkung? Weil die Teilnehmer nicht verstanden, welche Auswirkungen ein überbordender Derivatemarkt auf unsere Volkswirtschaft haben kann und was ein Credit Default Swap ist.
Warum werden die Derivatwerte publiziert?
Eine Ursache für die Finanzkrise 2007/2008 waren Versicherungsderivate, welche die weltgrösste Versicherungsgesellschaft AIG und viele Finanzinstitute in den Abgrund stürzten. Es handelte sich um die gefährlichen Credit Default Swaps.
In der Subprime-Krise vor 15 Jahren emittierte AIG Credit Default Swaps. Banken, welche die Krise voraussahen bzw. viele problematische Subprime-Bonds hielten, kauften solche Derivate. Wenn Credit Default Swaps auf eine einzelne Aktie, z. B. die CS-Aktie, zur Absicherung gekauft werden, steigt der Preis dieses Swaps. Der höhere Preis ist ein Indiz für die Schwäche der Aktie. Ein koordinierter Angriff von Investoren mit Credit Default Swaps kann eine Gesellschaft in den Ruin treiben.
Nach der Finanzkrise 2007/2008 entstand in der Politik grosse Hektik. Gesetze mussten her, viele westliche Staaten forderten die Publikation von Derivatezahlen. Parallel zu der gescheiterten «Too big to Fail»-Gesetzgebung entstand das komplizierte Bundesgesetz über die Finanzmarktinfrastrukturen. Dieses fordert die Publikation des Derivatevolumens. Mit der Publikation der Derivate ist eine Gesellschaft der SIX-Gruppe beauftragt. Die Grundidee war: Künftig sollen Derivative nie wieder eine Finanzkrise verursachen.
Warum interessiert sich niemand für das Volumen der Derivate?
Bundesrat und Parlament glaubten, mit dem Erlass des Bundesgesetzes über die Finanzmarktinfrastrukturen sei das Derivateproblem gelöst. Fragen stellende Bürger werden von der Six-Gruppe abgewimmelt. Transparenz liegt nicht im Ansatz vor.
Es ist eine grosse Tragik, dass Bundesbern die Bedeutung von Credit Default Swaps auf Aktien nicht erkannt hat und nicht versteht.
Offener Brief an Bundesrat Maurer geht ins Leere
Als besorgter und auf Finanzfragen spezialisierter Schweizer Bürger richtete Felix Bolliger Ende November 2000 einen offenen Brief an Bundesrat Ueli Maurer. Er wies auf das systemrelevante Finanzrisiko der hohen Derivatezahlen für die Schweiz hin. Weiter: Der Ausfall einer grossen Gegenpartei würde bei dieser unheimlichen Grössenordnung des Derivatevolumens eine Kettenreaktion auslösen, welche die finanzielle Selbständigkeit der Schweiz aus dem Lot bringen würde. Die Schweiz und ihre Bürger dürften diesem Risiko nicht ausgesetzt werden.
Die Antwort delegierte Bundesrat Maurer an das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF). Sie war enttäuschend. Die Gefahr des riesigen Derivatevolumens wurde verniedlicht.
Der Niedergang der CS wurde durch Credit Default Swaps beschleunigt
Der «Blick» schrieb bereits am 17. März 2023:
«Während Anleger auf die CS-Aktienkurse schauen, orientieren sich Finanzprofis an Kreditmärkten. Dass der Handel mit ‘Credit Default Swaps‘ bei der CS durch die Decke schiesst, verschärft deren Situation zusätzlich.
Es wird eine der Aufgaben der PUK sein, abzuklären, welche Rolle Credit Default Swaps auf CS-Aktien beim Bankrun gespielt haben.
Der Verdacht liegt nahe, dass unsere Nationalbank, die Finma und die Politik die Gefahr von Credit Default Swaps weiterhin nicht ernst nehmen.
Bei der Deutschen Bank gelang der Angriff nicht
In der Woche nach der historischen Zwangsheirat von UBS und CS sank der Aktienkurs der Deutschen Bank infolge des Handels mit Credit Default Swaps stark. Andrea Enria, der Vorsitzende des Aufsichtsgremiums der Europäischen Zentralbank, vermutet gemäss Financial Times, ein sehr undurchsichtiger, sehr oberflächlicher und sehr illiquider Handel mit Credit Default Swaps habe zum zweistelligen Aktiensturz der Deutschen Bank geführt. «Taumelt die Deutsche Bank?», fragten die Medien. Kanzler Scholz versuchte, die Wogen zu glätten. Der gemeine Angriff auf die Aktie der Deutschen Bank ging vorläufig ins Leere.
Prof. Marc Chesney, Felix Bolliger und der Autor dieses Artikels waren Mitglieder des Initiativkomitees der Volksinitiative «Mikrosteuer auf dem Zahlungsverkehr».