Das Bild ist schön: wie sie dasteht, gemeinsam mit ihren Werken. Neben ihren Werken. Vor ihren Werken. Co Gründler, ganz bei sich selbst, ruhig, selbstbewusst, im Gleichgewicht. Man gehört zusammen. Und noch etwas fällt auf: obwohl das Unterbewusste eine wichtige Rolle in ihrer Arbeit spielt, ist alles pastellfarbig, fast wie Zuckerguss.
„Beyond Shadows and Minds“ heisst ihre Ausstellung hier in Arbon, in einer ehemaligen Ausstellungshalle von Saurer. Inzwischen ist es eine grosse, helle Galerie geworden, gleich hinter dem Schloss, in bester Lage. „Jenseits von Schatten und Geist“ würde der Titel auf Deutsch übersetzt ungefähr bedeuten. Auf Englisch klingt es irgendwie schöner, weiter, phantasievoller. Und Pate des Titels war kein Geringerer als John Lennon. „Sein Song ‚Mind Games‘ hat mich inspiriert“, erzählt Co Gründler. Und „Mind Games“ war dann zunächst der Arbeitstitel. „Ich wollte mich aber auch distanzieren von diesem Titel und etwas Eigenes kreieren“. Etwas, das einerseits für die Audio-Licht-Installation stimmt, die das Herzstück der Ausstellung ist, und andererseits die übrigen Ausstellungsstücke ebenfalls einschliesst. „Da habe ich lange daran herumgemacht“, beschreibt sie die Suche nach einem Gesamttitel.
„Beyond Shadows and Minds“ ist nun etwas sehr Persönliches geworden. Zwei Köpfe, die sich wie ein Mobile im Licht drehen und damit wieder Schatten an die Wand werfen. Co Gründler erklärt: „Den Schatten gibt es nur durch das Licht. Der Schatten ist aber nicht das direkte Abbild eines Gegenstands – oder in diesem Fall einer Person –, sondern der Schatten ist seinerseits schon eine Verfremdung. Das ergibt eine neue Ebene, the mind, oder das Unterbewusstsein, also Themen, die mich beschäftigen.“ Eine komplexe, faszinierende Angelegenheit, denn die Köpfe sind Silikon-Abgüsse des Kopfes von Co Gründler, 1:1, keine Veränderung. Und untermalt wird die sich leicht drehende Installation von Lennons „Mind Games“, interpretiert von der Stimme Co Gründlers. „Ich wusste, ich wollte etwas mit Klang machen und es ging mir auch darum, mit der eigenen Stimme zu arbeiten. Musik ist für mich immer ein treibender Faktor. Ich wusste auch, es sollte raum-installativ werden.“ Entstanden ist nun ein Werk, das nicht nur dreidimensional, sondern durch die Klangebene eigentlich vierdimensional geworden ist. Die Schattenbilder an der Wand, in denen die beiden Köpfe sich aufeinander zu- und an der anderen Wand voneinander wegbewegen, faszinieren. Es ist die gleiche Bewegung, die einmal Nähe und einmal Entfernung ausdrückt.
Wie kommt sie aber auf die Idee, so etwas zu machen? „Tja…“ sagt sie, denkt nach und kann es eigentlich auch nicht klar beantworten. „Es gibt ja nicht DIE Idee. Es sind Inspirationen, Einflüsse durch die verschiedensten Dinge und Interessen. Es sind oft Themen, die mich seit Jahren beschäftigen. Das Thema ‚mind‘ zum Beispiel, das kreist um Kopf, Gehirn, Gedanken und das kommt mir gelegen, weil auch Wolken mich momentan beschäftigen.“
Und da sind wir bei den pastellfarbigen Gebilden, die so luftig aussehen und doch eine feste Form haben. „Ja die Wolke…“, sinniert sie, „die stellt man sich weich und eher flauschig vor, was sie zu Beginn ja auch ist. Die Faszination beim Wolkenthema ist gerade auch das Flüchtige gewesen, der Moment, in dem eine Wolke entsteht, dieses Gebilde, das Sekunden später schon wieder eine andere Form annimmt und aus nichts anderem als aus tausenden von Wassertropfen besteht. Das hat mich einfach fasziniert“.
So hat sie versucht, diesen flüchtigen Moment einzufangen, festzuhalten und in einer dreidimensionalen Form zu konservieren. Das Material dafür ist Polyurethan. „Das ist ein Montageschaum, den man auf dem Bau braucht“. Da sagt sie so dahin, als ob diese für Laien wenig vertraute Substanz das selbstverständlichste Arbeitsmaterial wäre. Aber sie hat den Umgang damit gelernt. „Ich kenne mich recht gut aus in solchen Materialien. Ich habe früher mal eine Ausbildung gemacht als Dekorationsgestalterin. Aber eigentlich hat es mich schon als Kind interessiert, Sachen auszuprobieren und immer nach Möglichkeiten zu suchen, die nicht unbedingt die herkömmlichen sind. Ich tüftle gern und versuche herauszufinden, was alles in einem Material drinsteckt.“
So gibt es auch eine Bildserie, die auf Polaroid-Fotos basiert, teils mit ihr selbst, teils mit ihren beiden Zwillingssöhnen . Alle hinter Masken verfremdet. Polaroid muss es sein, denn: „Ich sehe mich als Künstlerin, nicht als Fotografin. Mich interessiert nicht das perfekte Bild. Am Polaroid fasziniert mich das Grobkörnige, der Farbstich und der Umstand, dass es eben nicht perfekt ist.“
Während Co Gründler mitten in der Galerie am Tisch sitzt und versucht, Kunst in Worte zu fassen und einen kreativen Vorgang zu erklären, sitzt man ihr gegenüber und denkt, dass es eigentlich unfair ist, Künstler zu ihrer Kunst zu befragen. Denn Kunst spricht für sich selbst, man muss ihr nur mit offenen Augen zuhören.
Zwischendurch kommt Adrian Bleisch dazu, der Galerist. Er kennt Co Gründler schon aus der Jugendzeit. Beide sind am Bodensee aufgewachsen. Seither ist er begeistert von ihrer Vielseitigkeit. „Ihr Spektrum reicht von der Zeichnung, über Performance bis zur Fotografie und Skulptur“, sagt Bleisch. „Und vor allem fasziniert mich das verspielt Mythische“.
Neben der Kunst und ihrer Familie gibt es für Co Gründler aber auch noch einen Beruf. Sie ist Cutterin beim Schweizer Fernsehen und sorgt dort dafür, dass Filmbeiträge in der richtigen Form und Länge möglichst spannend gestaltet werden. Das wirkt sich auch durchaus positiv auf ihre künstlerische Tätigkeit aus. „Ich habe beim Fernsehen gelernt, konzeptueller zu denken. Ich habe gelernt, dass man immer Geschichten erzählen und eine Dramaturgie befolgen muss. Auch für eine Ausstellung ist es ganz wichtig, einer Gesamt-Dramaturgie zu folgen.“ Allerdings ist sie bei der Kunst auf sich allein gestellt. Fernsehen ist dagegen Team-Arbeit.
Im Moment zählt aber vor allem die Kunst. Hier in der Galerie hat sie ihre Gedanken und Fantasien in den Raum gestellt und ihnen eine Form gegeben. Ob man selbst die gleichen Gedanken hat, wenn man die Form sieht, spielt keine Rolle. Im Gegenteil. „Es wäre schön, wenn meine Arbeit vielleicht neue Gedanken auslösen würde“.
„Beyond Shadows and Minds“
Co Gründler in der Galerie Adrian Bleisch, Arbon, Schlossgasse, bis 21. Februar