US-Präsident Donald Trump hat sich, mutig wie er ist, zur Erreichung seiner handels- und wirtschaftspolitischen Ziele – America first – das schwächste Glied einer langen Kette ausgesucht. Mexiko ist im nordamerikanischen Freihandelsabkommen Nafta mit den USA und Kanada verbunden, und profitiert. Genauso wie seine Nafta-Partner. Doch Elite-Milliardär Trump aus New York setzt ganz auf merkantilistisches Nullsummen-Spiel, wo es nur Gewinner und Verlierer gibt. Jenseits aller wirtschafts- und handelspolitischer Vernunft will der amerikanische Präsident Amerika zum alleinigen Gewinner machen. Jene, die ihn gewählt haben, werden dafür mit Job-Verlusten und höheren Preisen büssen. Trumps Söhne, welche jetzt das Business ihres Vaters führen, sowie Trumps Polit- und Wirtschaftsfreunde, kurz die Elite der USA, zumal an der Wall Street, werden dagegen profitieren.
Imperialistisch
Dass sich US-Präsident Trump Mexiko ausgesucht hat, liegt nicht nur am Wahlversprechen, entlang der 3‘200 Kilometer langen Grenze eine Mauer zu bauen. Vielmehr hat das hochnäsige und rücksichtslose Verhalten der USA gegenüber Mexiko eine lange Vorgeschichte, ist also Courant normal sozusagen. Bereits kurz nach der Unabhängigkeit Mexikos von Spanien 1821 wurde mit der 1823 verkündeten Monroe-Doktrin ganz Lateinamerika, insbesondere aber der unmittelbare südliche Nachbar, zum Hinterhof der USA deklariert. 1845 wurde die mexikanische Provinz Tejas (Texas) annektiert. Nach einem Krieg gegen Mexiko von drei Jahren musste Mexiko 1,3 Millionen Quadratkilometer an die USA abtreten, darunter die späteren US-Bundesstaaten Kalifornien, Arizona, Nevada oder New Mexico. Die paternalistische, um nicht zu sagen imperialistische, Haltung der USA gegenüber Mexiko hat sich bis heute nicht verändert. Das muss jetzt Mexikos Präsident Enrique Pena Nieto auf drastische Art aus Washington erfahren.
Rüpelhaft
Doch ein derart rüpelhaftes Vorgehen wie gegen Mexiko kann sich auch ein Donald Trump nicht überall ungestraft leisten. Vor zwei Monaten etwa kurz nach der Wahl stellte er nach einem Gespräch mit der taiwanesischen Präsidentin die Ein-China-Politik zur Disposition, in der Annahme, dass wie im Geschäftsleben auch im diplomatischen zwischenstaatlichen Verkehr über alles und jedes verhandelt und mit einem Deal beendet werden kann. Mit China wird das mit Sicherheit im Falle von Taiwan und der Ein-China-Politik nicht möglich sein. Peking hat Washington bereits ernsthafte Konsequenzen in Aussicht gestellt. Verhandlungsspielraum gleich null. Ob freilich Trump und seine Berater im derzeitigen Erfolgsrausch solche Warnungen ernst zu nehmen bereit sind, bleibt fraglich.
Brilliante Lektion
Während US-Präsident Trump atemlos zwitschernd die internationale Handels-, Wirtschafts- und Aussenpolitik aufzumischen versucht, gibt sich Chinas Staats- und Parteipräsident Xi Jinping gelassen und staatsmännisch. Chinas Supremo ist wohl nicht ganz zufällig nach seinem Schweizer Staatsbesuch nur drei Tage vor Trumps Amtseinsetzung in Washington nach Davos zum grossen Powwow der Einflussreichen und Mächtigen, dem World Economic Forum, geflogen. Dort hat er Zeichen gesetzt, sodass selbst ein Donald Trump auf Twitter kurz geschwiegen hat. Ironischerweise erteilte ein Kommunist den versammelten Kapitalisten dieser Welt eine brilliante Lektion. Globalisierung und Freihandel, so Xi, hätten in den letzten Jahrzehnten allen etwas Positives gebrachten, die Armut verringert und den Wohlstand gemehrt. In China, aber auch in den USA und anderswo rund um den Globus. Die von Trump angedrohten Strafzölle für chinesische Produkte könnten – so Chinas Staatsmedien – einen Handelskrieg provozieren. Doch China sei gut vorbereitet und werde – wie die vom Parteiblatt Renmin Ribao (Volks-Tageszeitung) herausgegebene Global Times schreibt – «reagieren». Der Kommentator fragt: «Will Trump wirklich seine Präsidentschaft mit einer angespannten Beziehung mit dem grössten, bevölkerungsreichsten Land der Erde beginnen?»
«Amerika vergewaltigt»
Auch in wirtschafts- und handelspolitischen Fragen wird die Administration Trump Schwierigkeiten haben, ihre Vorstellungen beziehungsweise Wahlversprechen eins zu eins und in der bekannten ruppigen Manier durchzusetzen. Die wiederholten Behauptungen Trumps, China sei ein «Währungs-Manipulator», habe «Amerika vergewaltigt» und «unfaire Steuern auf unsere Unternehmen erhoben», habe «im Konflikt mit Nordkorea nicht geholfen», sind nachprüfbar falsch. Ebenso die Aussage, dass das Reich der Mitte den Vereinigten Staaten mit dem «grössten Diebstahl von Arbeitsplätzen in der Geschichte» geschadet habe. China hat vielmehr in den letzten Jahren mit Investitionen auch Zehntausende von Arbeitsplätzen in den USA geschaffen.
«Chinesischer Traum»
Wirtschaftliche – und wohl auch politische – Tatsache ist, dass beide Grossmächte gegenseitig voneinander abhängig sind und – wie in Peking immer wieder betont wird – ein Interesse daran haben sollten, Lösungen in «gegenseitigem Respekt» zu finden. Xi Jinpig verfolgt derweil seinen «chinesischen Traum». Die Seidenstrassen zu Wasser und zu Land sind Teil dieses Traums und werden auf dem Eurasischen Kontinent von vielen Regierungen tatkräftig unterstützt. Xi Jinping verfolgt mit andern Worten eine «China-First»-Politik, ohne den globalen Kontext aus den Augen zu verlieren. Chinas Staats- und Parteichef wirbt um sein Vorhaben mit Respekt, also weit klüger und vor allem ohne verletzliche Töne wie der Machthaber in Washington. Die Davoser WEF-Worte des chinesischen Vorsitzenden werden weltweit analytisch auf die Goldwaage gelegt. Hoffentlich auch in Washington D.C. Da hilft kein Zwitschern mehr.
Asia-Pivot-Politik
Dass Trump die weitsichtige Asia-Pivot-Politik seines Vorgängers Obama – Asien im Mittelpunkt – nun in wesentlichen Punkten im Wahlkampf und auf Twitter in Frage gestellt hat, zeitigt bereits Folgen. Obama hatte wie schon seine Vorgänger bis hin zu Ronald Reagen richtig erkannt, dass das Zentrum von Politik und Wirtschaft seit dem II. Weltkrieg sich langsam vom Atlantik in die Pazifische Region verschoben hat. Die USA als pazifischer Anrainer wird nach den Vorstellungen Obamas in der Asia-Pivot-Politik die tragende Rolle spielen, zusammen mit China, möglicherweise aber auch mit Indien sowie Indonesien und weiteren Asean-Staaten.
Bislang vertrauten die meisten asiatischen Staaten auf die wirtschaftliche und militärische Macht der Vereinigten Staaten als Gegengewicht zur unbestrittenen Regionalen Vormacht China. Meist inoffiziell und hinter vorgehaltener Hand. Mit Ausnahme von Japan und Südkorea, die auch jetzt als treue Verbündete voll hinter der neuen Administration stehen. Doch mit dem abrupten und zum Teil cholerischen Auftreten Trumps in der internationalen Arena wird man in asiatischen Hauptstädten langsam aber sicher unruhig und vorsichtig.
Indiz
Ein kleines Indiz dafür war – abseits der Schlagzeilen – der Besuch des vietnamesischen Parteichefs Nguyen Phu Trong mit einer hochrangigen Delegation anfangs Januar in China. Peking rollte den grossen roten Teppich aus. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping bemühte sich persönlich zum Flughafen. Zwar ist das Verhältnis zwischen den kommunistischen «Genossen und Brüdern» noch immer gespannt wegen Grenzkonflikten und Ansprüchen im Südchinesischen Meer. Doch die Nachbarschaft und die engen Wirtschaftsbeziehungen führen jetzt zu mehr Vertrauen. Noch sind die USA – der ehemalige Todfeind – wohlgelitten in Vietnam. Doch sollte US-Präsident Trump versuchen, ohne den in Asien so wichtigen Respekt Hanoi zu irgendeinem Deal zu zwitschern, hat er die Rechnung ohne die stolzen Vietnamesen gemacht. Auch Indien, bislang im amerikanischen Kalkül ein wichtiger Partner gerade mit Hinblick auf China, wartet vorerst einmal vorsichtig ab.
«The Art of the Deal»
Fährt US-Präsident in seiner hemdsärmelig geführten Aussenpolitik fort, mag er in Asien allenfalls in Nordkorea Erfolg haben. Noch im Wahlkampf lobten nordkoreanische Medien den amerikanischen Milliardär als «weisen Politiker» und «vorausschauenden Präsidentschaftskandidaten». Umgehend sagte Trump, er könne sich vorstellen, mit Kim Jong-un am gleichen Tisch zu sitzen und Hamburger zu essen. Selbst Trump aber schätzte die Erfolgschancen eines solchen Vorgehens – für einmal realitätsnah – nur auf zehn bis zwanzig Prozent ein. Wenig später twitterte Trump, er wolle versuchen, Kim «seine verdammten Atomwaffen» auszureden. Im Januar dann nannte Trump den nordkoreanischen Supremo einen «schlechten Kerl». Der Autor von «The Art of the Deal» ist wohl immer noch überzeugt, dass er Nordkorea, Mexiko und andere grössere, meist aber kleinere, schwächere Länder über den Tisch ziehen oder zumindest nach dem Prinzip «Amerika First» ein für die USA günstiges Geschäft abschliessen kann.
Trumpologie
In den nächsten Monaten jedenfalls werden Trump und sein aus der von ihm im Wahlkampf angeprangerten Elite zusammengesetztes Kabinett die Wirtschaftsbeziehungen und die politischen Verhältnisse aufmischen und erschüttern. Die Märkte werden reagieren und die Bankanalysten, Vermögensberater, Hedgefund-Manager und Investment-Banker, die meist behaupten, das Gras wachsen zu hören, nicht selten auf dem linken Fuss erwischen. Denn Trumps Tweets sind das eine, das andere, solches dann auch korrekt zu analysieren. Was deshalb einst für die Sowjetunion und China galt, trifft jetzt auf die Vereinigten Staaten zu. Trumpologie löst Kremologie und das Lesen in Chinas grünen Teeblättern ab. Trumpologen – Ihr Korrespondent eingeschlossen – haben Hochkonjunktur. Und mögen sich hin und wieder trumpieren ...