Der Journalismus liegt im Argen, krankgeschrumpft und dummgespart. Als Synergie und Konvergenz wird die Zusammenlegung der Restredaktionen von Online und Print in der Hölle Newsroom schöngeredet. Immer kräftiger wird auch dem Prinzip gehuldigt: Je weiter weg ein Ereignis stattfindet, umso gegendarstellungsfreier ist es. Ungestraft kann aus der Ferne oder aus besuchshalber hergestellter Nähe Unsinn und Ungenaues verzapft werden. Leider auch in der Qualitätszeitung NZZ. Da schreibt Korrespondent Werner Marti aus dem fernen Buenos Aires, der verstorbene venezolanische Präsident Hugo Chávez sei ein «Caudillo» und wiederholt den Ausdruck, nachdem er zur Stippvisite in Caracas gelandet ist. Ein «Caudillo» ist ein Militärführer, der die Macht an sich reisst; Putschist und Diktator Franco liess sich gerne «Caudillo» nennen, in Anlehnung an den deutschen «Führer». Chávez wurde aber unbestreitbar und mehrfach als Präsident gewählt. In Wahlen, die sauberer, transparenter und effizienter abliefen als in den USA. Vom Schreibtisch in Zürich aus fantasiert eine auch noch für «Koordination» zuständige Auslandredaktorin in einem Kommentar davon, dass Chávez auf Kuba starb und seine Leiche nach Caracas transportiert worden sei. Die Schuld für solche «Gerüchte» gibt sie nicht sich selbst, sondern der «Geheimniskrämerei», die um den Gesundheitszustand von Chávez betrieben worden sei. Pipifax statt Analyse, Hintergrund und Einordnung. Soll das Meinungsführerschaft, Caudillismo à la NZZ sein? Der Leser fragt sich zunehmend zu Recht, wieso er dafür jährlich bis zu 739 Franken zahlen soll. (René Zeyer)