Speziell, aber auch europäisch geprägt ist einmal ihre Geschichte. Baskisch, seit jeher von einer 30’000 Jahre alten Urbevölkerung Europas gesprochen, mit ersten schriftlichen Spuren aus dem 12. und erster Literatur aus dem 16. Jahrhundert, gilt unter Schriftgelehrten mit Hebräisch zusammen als älteste noch lebendige Sprache der Menschheit. Sie reicht zurück vor den indogermanischen Hauptstamm des linguistischen Europas und ähnelt damit keiner unserer modernen Sprachen. Die Basken waren also schon da vor den Kelten, den Etruskern, den Römern , den germanischen Stämmen der Franken, Alemannen, Iberer, Wikinger, Goten und allen anderen.
Mythischer Ursprung
Geschichte wird bereits lebendig rund um die Architektur an der ersten der drei touristischen Stationen entlang der französisch-spanischen Hauptachse des Baskenlandes. In Bayonne bleibt das autofreie Stadtzentrum geprägt von Gassen, einer Kathedrale und einem Chateau Fort aus dem Mittelalter, sowie den wuchtigen Festungsanlagen von Vauban aus der Neuzeit. Biarritz, Bayonne’s Badevorort am Atlantik, ist reines ‘fin-de-siècle’; St. Jean-de-Luz, gleich nebenan, erinnert an das St. Tropez der 50er und 60er Jahre.
Die eigentliche baskische Geschichte zeichnet das Museé Basque/Euskal Museoa nach, untergebracht in einem prächtigen Palais auf der minderen Stadtseite von Bayonne/Baiona, in der während Jahrhunderten anderenorts Verfolgte, so etwa iberische Juden, Zuflucht, und später Wohlstand fanden. Das Museum ist liebevoll eingerichtet, allerdings finden sich kaum einzigartige Ausstellungsstücke oder direkte Hinweise auf den tatsächlich mythischen Ursprung der Basken.
Auch im Baskenland eine Minderheit
Die freundliche Dame am Empfang liefert die entsprechende Erklärung nach. Über die Basken, heute auch im Baskenland eine Minderheit, und ihre Sprache Euskera, bedroht aber keineswegs am Verschwinden, finden sich nur wenige wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse. Neuste Ergebnisse genetischer Forschung scheinen die eingangs erwähnten Sprachforschungen zu bestätigen. Ein ausgesprochener Überhang unter Basken von Trägern der Blutgruppe 0 deutet, wie anderenorts auf der Welt, auf eine in die Urzeit der Menschheit zurückgehende, autochtone Bevölkerung hin.
Lang, aber keineswegs ausgeschlossen erweist sich der Weg des Baskenlandes durch europäische Geschichte. Alle Grossmächte, welche Westeuropa geprägt haben, herrschten auch an der baskischen Atlantikküste, von den Römern, über Wikinger, Engländer, Spanier bis zu Napoleon, unter dem das Baskenland zum letzten Mal Teil eines Reiches war. Leidvoll war die kurze deutsche Aggression, als am 26.4.1937 im spanischen Bürgerkrieg die Flugzeuge der ‘Legion Condor’ die baskische Stadt Guernica auslöschten.
Ursprünge von Squasch und Rugby
Caesar und seine Zeitgenossen schrieben über die ‘vascones’, zu denen sie fälschlicherweise auch die Ibero-Kelten zählten. Die Basken waren definitiv bereits vor den Kelten da, übernahmen aber einiges. Bis heute davon geblieben sind etwa die beiden traditionellen Sportarten - Pelota, heute Squash sowie der gälische Fussball, heute in seiner haupsächlichsten Ausprägung Rugby.
San Sebastian/Donestia, zweite Hauptstation auf der baskischen Achse, ist Wiege der spanischen Industrialisierung, gleichzeitig aber auch Badeort und Touristenziel. Entsprechend wird der Stadtkern - nach grossflächiger Zerstörung in den napoleonischen Kriegen im grosszügigen Schachmuster mit prächtigen Stadtpalais wieder aufgebaut - im Osten von einem Hochseehafen , im Westen von Badestränden umrahmt.
Ein gewisser Wohlstand – Erinnerung an die ETA
Wie in Basel ist die Schwerindustrie noch heute mit der Nase zu spüren, wenn man sich San Sebastian von der Landseite nähert. Sie bleibt heute noch Motor eines gewissen Wohlstandes, welcher im Baskenland augenfällig wird, zumindest im Vergleich zu jenen Teilen Spaniens, wo aktuelle Krisensymptome nicht zu übersehen sind. In San Sebastian dagegen lässt sich offensichtlich wohl sein. Man isst gut und reichlich, mit rekordverdächtig üppigen Tapas-Auslagen in den zahlosen Altstadtbeizen bereits für das Mittagessen. Anschliessend folgt eine Pause für eine ausgedehnte Siesta, allenfalls gefolgt von Surfen am Stadtstrand. Ebenfalls rekordverdächtig fällt entsprechend die Schliessung aus für Mittagsruhe einer touristischen Sehenswürdigkeit im Herzen der Altstadt : 13h00 - 17h30.
Bereits 1879 wurde in dieser Stadt die spanische Arbeiterpartei PSOE gegründet; 80 Jahre später dann - aber noch unter dem autoritatären franquistischen System, wo sogar derAlltagsgebrauch der baskischen Sprache verboten war - die radikalautonomistische und terroristische ETA (Euskadi Ta Askatasuna), welche noch bis vor wenigen Jahren einen blutigen Kampf gegen die Zentralregierung in Madrid führte. Heute sind autonomistische Strukturen etabliert, auf der spanischen Seite noch ausgeprägter als im französischen Teil des Baskenlandes.
Global vernetztes Guggenheim-Museum in Bilbao
Zur Beruhigung der politischen Sitution hat sicher auch die speziell auf der spanischen Seite augenfällige Ausstattung mit modernster und grosszüger Infrastruktur - Autobahnen, öffentlicher Verkehr, Parkanlagen und Fussgängerzonen mit entsprechend endlosen, aber unterirdischen Parkgaragen - beigetragen. Die dank Euro grosszügigen öffentlichen Anleihen, und die zweifellos auch hier grassierenden Defizite der öffentlichen Hand, haben zumindest in diesem Teil Spaniens nicht nur die vom europäischen Norden so beklagte Krise ‘im Süden’, sondern auch handfeste Vorteile für die ansässige Bevölkerung gebracht. Entsprechend gut gerüstet erscheint San Sebastian, um 2016 als europäische Kulturstadt an eine lange Tradition anzuknüpfen.
Noch offensichtlicher, und buchstäblich im Zentrum der Stadt steht Kultur in der dritten baskischen Station. Das Guggenheim Museum dominiert die Talsenke, in welche die Stadt Bilbao vor langer Zeit gebaut worden ist und wertet sie gleichzeitig auf. Hier hinein passt die gleichzeitig wuchernde, prachtvoll golden glänzende,aber auch vornehm zurückhaltende Architektur von Frank Gehry perfekt. Viel besser etwa als das Museumsgebäude des gleichen Architekten, welches ebenso ansatz- wie ratlos in einem abgelegenen Teil der Pariser Stadtwaldes ‘Bois de Boulogne’ entstanden ist, primär zur Glorifizierung des modernen Midas hinter den Louis Vuitton Marken-Millionen.
Das Guggenheim Museumsprinzip ist ja längst über den - an ein umgekehrtes Schneckenhaus erinnernden Tempel in Manhattan zu Ehren des Gründers - herausgewachsen mit ständigen und temporären Ablegern in Venedig, eben in Bilbao, in Berlin und in Abu Dhabi sowie zahlreichen Ausstellungen über die ganze Welt verstreut. Im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften, darunter auch einer mit der UBS als privatem Hauptsponsor, wird so Kunst der Moderne und der Gegenwart in einen passenden Rahmen gestellt, erklärt und einem grossen Publikum zugängig gemacht. Zumindest in Bilbao scheint diese Rechnung aufzugehen, waren doch an einem gewöhnlichen Apriltag im Museum Schulklassen aus verschiedenen Regionen Spaniens und Frankreichs unüberseh- und unüberhörbar.
Gefahr des Biedermeier für den Sonderfall?
So muten verschiedene Fascetten im Baskenland sehr europäisch an. Eine wilde , zerklüftete Geschichte, deren Gegensätze heute, in einem gleichzeitig regionalen und über(national)staatlichen Rahmen nicht mehr notwendigerweise zu Konflikten führen. Ein modernes Europas, wo sowohl der öffentliche, als auch der private Sektor letztlich zum Wohl sowohl Einzelner als auch der Gesellschaft als Ganzes tätig - und zu Erstaunlichem fähig sind.
Auf der anderen Seite dieser Europa- Gleichung steht indes eine gewisse Tendenz zur Selbstzufriedenheit mit dem Erreichten und damit der Abnabelung gegenüber aussen und Neuem. Der deutsche Politiker Peer Steinbrück hat dies vor kurzem in Zürich als die Gefahr ‘der Rückkehr in den Biedermeier’ diagnostiziert.
Beide Tendenzen lassen sich bei den’ältesten Europäern’ erkennen und wohl auch weiterverfolgen. Dies ausgerechnet im Baskenland, welches sich - wie die Schweiz, und mit mindestens ebenso viel Berechtigung - als Sonderfall sieht.