Fast symbolträchtig findet sich in der Fülle der ausgelegten Gegenstände und Kuriositäten auf Position 845 eine Spraydose mit „Fresh Swiss Alpine Air“: Neue Alpenluft weht generell durch die renovierten Räume des früheren Alpinen Museums am Berner Helvetiaplatz. Ein Grossteil der Sammlung, über 1200 Schauobjekte, können von einem Holzsteg aus teils gesucht, bestaunt, vielleicht auch belächelt werden.
Thermosflasche, Sagenwelt, Albrecht von Haller
Die Objekte lassen sich nach Interesse als „VIP-Tour“, „Swisness-Tour“, „Job-Tour“, „Tier-Tour“ oder als „Gender-Tour“ entdecken, je nachdem, welche Listenführer man wählt, die am Saaleingang an Karabinerhaken hängen. So werden auch quasi banale Gegenstände wie Eisschrauben, Felshaken, Thermosflaschen, Biwakzelte, Hüttenmodelle, sogar ausgestopfte Murmeltiere und ganze Reliefs aus dem Fundus des Museum in Szene gesetzt. Dazwischen spiegeln sich Hüttenbücher und Mount-Everest-Expeditionskisten ebenso wie die alpine Sagenwelt oder das Thema Gefahren in den Bergen. Eine Büste erinnert an den grossen Berner Arzt, Naturforscher und Dichter („Die Alpen“) Albrecht von Haller.
Auch künstlerische Elemente fehlen nicht - alt und modern verschmelzen ineinander, wenn der Klangkünstler Christoph Brünggel ein über hundert Jahre altes Relief des Berner Oberlands in akustische Farbtöne hüllt, die sich je nach Blickwinkel verändern.
Alpenwelt zwischen Historie und Klimawandel
Die Art der Ausstellung ist originell und abwechslungsreich, lässt sich nach Lust kurz überfliegen oder während Stunden akribisch aufspüren. Vor allem auf Schulklassen warten spannende thematische Entdeckungsreisen. Am Schluss des Rundgangs liegen im oberen Stock nach Themen ausgelegte Notizbücher auf, wo Besucherinnen und Besucher ihre Gedanken festhalten oder Kommentare abgeben zu können.
Unter den vielen ausgelegten Objekten findet sich auch ein grosses Stück Vlies: Es ist Abbild des kläglichen Versuchs, mittels spezieller Folien das Abschmelzen von Gletschern – dieses Ausstellungsstück stammt vom Andermatter Gemsstock – zu verhindern.
Damit verlässt das „neue“ Alpine Museum die eher verklärte Bergwelt seines Vorgängers und thematisiert zeitgemässe Fragen des Klimawandels wie des Gletscherschwunds oder der Übernutzung des alpinen Raums durch Wintersport und Erschliessungen. „Ziel und Aufgabe sei es, Festgefahrenes in Frage zu stellen und neu zusammenzusetzen“, meinte Museumsdirektor Beat Hächler anlässlich der Eröffnung.
Neue Schaulust fürs alte Museum
Diese erste temporäre Ausstellung (noch bis 26. August) trägt den Titel „Berge versetzen“. „Wozu dieser Speicher alpiner Dinge in der Stadt? Was sammelt ein Alpines Museum heute und in Zukunft?“ fragt der Begleittext zur Ausstellung. Die Antwort gibt sich das Museum gleich selber: “Berge versetzen ist eine Liebeserklärung an das gesammelte Bergzeug der Vergangenheit. Eine Einladung an das Publikum von heute, das Alpine Museum mit neuer Schaulust zu entdecken“.
Für den Neustart des Alpinen Museums brauchte es viel Zuversicht und längere Verhandlungen um die Finanzierung. Nur dank grösseren Zuwendungen u.a. der Eidgenossenschaft, des Kantons Bern, des Schweizerischen Alpenclubs und eines bedeutenden Darlehens der Stadt Bern konnte das Projekt überhaupt realisiert werden. Zur Mitfinanzierung dürfte auch das neugeschaffene Restaurant „Las Alps“ („die Alpen“ auf Rätoromanisch) im Erdgeschoss des 1934 erbauten Hauses gehören. „Ein früherer Relaunch hatte einen entscheidenden Geburtsfehler“, kommentiert Stiftungspräsident Paul Messerli: „Man hatte nur für den Ausbau, nicht aber für den erweiterten Betrieb Finanzen budgetiert.“
Diesmal wurde anders gerechnet, und man darf dem Alpinen Museum der Schweiz eine erfolgreiche Wiedergeburt wünschen.
„Berge versetzen“ bis 26. August / über Ostern geöffnet Alpines Museum der Schweiz (ALPS) Helvetiaplatz 4, 3005 Bern www.alpinesmuseum.ch