Das letzte Konzert der kleinen Fraumünster-Reihe «Bach’n’More» hat am 15. September ein hellwaches und begeistertes Publikum gefunden. Bärtsch, in der progressiven internationalen Musikszene ein grosser Name, präsentierte die Uraufführung einer für diesen Anlass entstandenen Auftragskomposition sowie weitere eigene Werke.
Bachs Musik ist komplett und vollendet, sie braucht kein «More». Gerade deshalb animiert sie immer wieder zu kühnen Lesarten, sei es mit «fremden» Instrumentierungen, sei es mit neuartigen kompositorischen Antworten auf Polyphonie und Kontrapunkt. Nik Bärtsch hat seine von Zen und japanischer Ritualmusik inspirierten, zwischen Free Jazz und Minimal Music oszillierenden Grooves nicht erst anlässlich dieser Konzertreihe auch unter den Auspizien Bachs gesehen.
Ausgangspunkt «Die Kunst der Fuge»
Der Fraumünsterorganist Jörg Ulrich Busch stellte ein Spitzenwerk des Thomaskantors an den Eingang dieser musikalischen Begegnung: die Fuga III aus «Die Kunst der Fuge», ein Wunder der Variation und Modulation, der formalen Strenge und kreativen Freiheit, der raffinierten Architektur und klanglichen Schönheit.
Die Antwort kam von einem anderen Planeten. Bärtsch, wie immer in seinem schwarzen Mönchsgewand, entlockte dem Flügel ein Gewebe von Tönen, das sich aus feinsten Anfängen zu kraftvoll kernigem Klang entwickelte. Immer wieder brachte er freie Saiten durch Oberton-Resonanzen zum Schwingen. Diese Klaviertöne ohne Anschlag erzeugten eine Sphärenmusik, die irgendwo in den Gewölben der Kirche ihren Ursprung zu haben schienen, dabei aber durch die polyrhythmische Architektur des Prozesses eingebunden blieben in eine transparente kompositorische Form.
Korrespondenzen
Die Planeten Bach und Bärtsch bewegten sich spürbar in ein und demselben musikalischen Universum. Wie zur Bestätigung der Korrespondenzen replizierte Busch an der Orgel mit einer improvisierten Variation der Bärtsch’schen Komposition. Da hatten sich zwei Musiker, die in verschiedenen Welten unterwegs sind, offensichtlich verstanden. Das Lächeln auf dem Gesicht des Zen-Mönchs beim Hören der Orgelvariation seines eigenen Stücks war die Bestätigung.
Eine dritte Klangcharakteristik brachte das Kaleidoscope String Quartet (Simon Heggendorn, Violine – Ronny Spiegel, Violine – David Schnee, Viola – Sebastian Braun, Cello) herein, ebenfalls mit Musik von und mit Nik Bärtsch. Die klassische Formation des Streichquartetts ist ja, was immer sie spielt, in der Polyphonie der vier Stimmen zugange und damit verbunden mit (unter anderem) Bachs musikalischer Welt. Das Kaleidoscope String Quartet machte dadurch die Verbindung zwischen Bach und Bärtsch explizit.
«Bach’n’More» war der kühne und geglückte Versuch einer eigenständigen Antwort auf eine zeitlos gültige und wohl für immer Massstäbe setzende Musik.