Alle Anzeichen sprechen dafür, dass Ägypten unter Präsident Sissi beabsichtigt, die Übergriffe des "Islamischen Emirates" in Libyen gegenüber ägyptischen Gastarbeitern in Libyen als Anlass dafür zu nehmen, einen nationalen und internationalen Feldzug gegen IS zu beginnen.
Sieben Tage der Staatstrauer wurden angeordnet. Die Armee zog in Ägypten auf die Strassen, "um der Bevölkerung zu helfen, sich sicher zu fühlen", wie der Armeesprecher sagte. Ein hoher Offizier, Generalmajor Samir Qandeel, der mit der Zeitung, "al-Masry al-Yaum", sprach, erklärte dies ausführlicher. Der IS geniesse, so sagte er, viel Unterstützung in Ägypten. Es gebe eine Menge Leute, die unter unterschiedlichen Namen versuchen könnten, Rache für den IS zu nehmen. Dies zwinge die Armee, Operationen durchzuführen, die mögliche Ziele gegen Anschläge absicherten.
Kontaktsuche mit Washington
Gleichzeitig reiste der ägyptische Aussenminister, Sameh Shukri, nach Washington, um dort für ein entschlosseneres Vorgehen gegen den IS zu werben. Präsident Sissi gab Europe1 ein Interview, in dem er anregte, der Sicherheitsrat solle den IS verurteilen und zum Kampf gegen seine Terroristen aufrufen.
Danach gefragt, ob Ägypten weitere Luftschläge durchführen werde, antwortete er: "Wir müssen alle zusammen gegen den IS vorgehen". Im vergangenen August, als die USA dazu aufriefen, an den Luftschlägen gegen den IS im Irak teilzunehmen, hatte Ägypten dies abgelehnt mit der Begründung, das Land führe seinen eigenen Kampf gegen den IS in Sinai. Doch nun hat sich die Lage für Ägypten offenbar grundlegend verändert.
Kairo in Verbindung mit Tobruk
Kairo unterstreicht, dass die international anerkannte Regierung Libyens, jene von Tobruk, bereits Hilfe von aussen angefordert habe, und die Ägypter treten dafür ein, dass das für Libyen bestehende Waffenembargo gegenüber dieser Regierung aufgehoben wird, so dass sie mehr Waffen erhält.
Tobruk hat seinerseits betont, dass seine Luftwaffe gemeinsam mit der ägyptischen IS -Ziele angegriffen habe. Nach den letzten Angaben der ägyptischen Luftwaffe sollen in den drei bisher erfolgten Luftschlägen gegen den IS insgesamt 64 Kämpfer vom IS umgekommen sein.
Tripolis sieht sich angegriffen
Die Regierung von Tripolis äusserte sich empört über den "Übergriff gegen die libysche Souveränität", den Ägypten begangen habe. Inzwischen gibt es Meldungen, nach denen der IS weitere 32 ägyptische Fremdarbeiter entführt habe. Wenn dies zutrifft, wird es Ägypten wahrscheinlich zu weiteren Bombardierungen veranlassen.
Die Uno und die anderen interessierten Aussenmächte, wie Frankreich und Grossbritannien, haben es bisher vermieden, mit der Regierung von Tripolis völlig zu brechen, obwohl sie jene von Tobruk als die "legale" Regierung anerkennen. Dies geschieht, weil bisher die Aussenmächte und die Uno darauf hofften, sie könnten die beiden feindlichen Regime doch noch zu Verhandlungen bewegen mit dem Ziel eine gemeinsame Lösung zu finden und den Bürgerkrieg zu vermeiden.
Doch dies ist nicht die Haltung von Kairo. Kairo geht offenbar darauf aus, mit der Tobruk Regierung und deren Armeekommandanten, General Haftar, zusammenzuarbeiten und die Gegenregierung von Tripolis zu Fall zu bringen. Dieser werfen ihre Feinde und mit ihnen Kairo vor, sie arbeite mit "islamistischen" Milizen und mit Politikern zusammen, die der Muslim-Bruderschaft nahestehen, und sie werde auch unter den Hand von den Mächten unterstützt, die als Bruderschaft freundlich gelten: Katar und der Türkei.
Terrorbekämpfung weit gefasst?
Kairo ist geneigt, die Muslimbrüder und die Leute vom IS alle als Terroristen einzustufen und in einen Topf zu werfen. Man hat zu erwarten, dass Kairo auch auf dem internationalen Parkett versuchen wird, für seine Sicht der Dinge zu werben, nämlich dafür, dass der Krieg gegen den IS von nun an aktiver und auf allen Schauplätzen, über Syrien und den Irak hinaus, geführt wird - und dass er sich, wie in Ägypten, auch auf die Muslimbrüder und ihre Freunde erstreckt.
Kairo steht wegen seiner Vergehen gegen die Menschenrechte der Ägypter unter einem gewissen, wenn auch gelinden, Druck durch die Aussenwelt. Je mehr es vermag, seine weitgefasste Sicht des "Terrorismus" der Aussenwelt nahe zu legen, desto mehr kann es hoffen, die Menschenrechtsvorwürfe zu überspielen.