Diesen Monat wäre die Zahlung von 60 Millionen Dollar fällig gewesen. Längerfristig könnte der diplomatische Erfolg der Palästinenser aber echte Nahost-Verhandlungen anstossen – und nicht verhindern, wie die israelische Regierung behauptet.
Israels Führung muss nach dem Schock einsehen, dass die Zeit nicht für sie arbeitet. Die lange Stagnation des so genannten Friedensprozesses ist unerträglich geworden, weil sie die friedliche Zukunft einer im Umbruch befindlichen Region bedroht. Selbst die besten Freunde Israels verurteilen die illegale Ausweitung der israelischen Kolonien in den besetzten Gebieten. Noch nie war das Ansehen Israels in der Welt so schlecht. Das Abstimmungsergebnis der UNESCO-Generalkonferenz am Montag in Paris setzt ein klares Zeichen. Nur 14 ihrer 194 Mitglieder stimmten gegen den Aufnahmeantrag Palästinas. Sogar die meisten EU-Staaten, darunter überraschenderweise Frankreich, unterstützten den Antrag.
Drohung Israels
Doch auch die Bäume der Palästinensischen Autonomiebehörde unter ihrem Präsidenten Mahmud Abbas wachsen nicht in den Himmel. Rund 130 UNO-Mitglieder haben bisher Palästina anerkannt. Aber nur 107 stimmten für die Aufnahme des unfertigen Staates in die UNESCO. 52 enthielten sich ihrer Stimme, 20 blieben der Abstimmung fern. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen wurde erreicht, aber ein Triumph ist es nicht.
Die israelische Regierung droht jetzt mit einer Bestrafung sowohl der unbotmässigen Palästinensischen Autonomiebehörde wie auch der UNESCO. Sobald der erste Zorn verraucht ist, werden aber die Politiker in Israel erkennen, dass sie sich damit ins eigene Fleisch schneiden. US-Präsident Barack Obama denkt nicht daran, die UNESCO zu verlassen. Er ist nur durch ein vor 15 Jahren vom Kongress beschlossenes Gesetz verpflichtet, alle Zahlungen an internationale Organisationen einzustellen, die Palästina vor einem Friedensabkommen mit Israel aufnehmen.
Kontraproduktiver Austritt
Der Verlust von 22 Prozent der Mitgliedsbeiträge, die auf die USA entfallen, ist für die UNESCO gewiss ein harter Schlag. Die Organisation hat aber schon einen Totalboykott durch die USA und Grossbritannien überlebt. Unter Ronald Reagan und Margaret Thatcher traten die beiden führenden westlichen Nationen 1984 und 1985 aus, weil ihnen die Politik des damaligen Generaldirektors Amadou-Mahtar M’Bow missfiel. Sie warfen dem Senegalesen die „Politisierung“ der Organisation und Misswirtschaft vor. In Wirklichkeit ärgerten sich Reagan und Thatcher über die Pläne einer „neuen Weltinformationsordnung“, mit der M’Bow die Vorherrschaft der westlichen Medien in der Dritten Welt zurückdrängen wollte. Grossbritannien kehrte 1997 in den Schoss der UNESCO zurück, die USA folgten 2003. Ihr Austritt hatte sich als kontraproduktiv herausgestellt.
Obama wird sicherlich Wege finden, die Projekte der UNESCO auf den Gebieten der Volksbildung, der Wissenschaft und der Kultur zumindest indirekt zu unterstützen. Kein Grund zur Panik also. Anders stellt sich die Sache für Israel dar. Die Aufnahme der Palästinensischen Behörde in die UNESCO öffnet ihr fast automatisch die Tür zu anderen Fachorganisationen der UNO. Nur die politischen Organe bleiben ihr weiterhin versperrt. Der Antrag Palästinas auf Vollmitgliedschaft bei der UNO liegt auf der langen Bank im Sicherheitsrat. Dort können die USA jeden Beschluss mit ihrem Vetorecht blockieren.
Die kulturelle Mission
Die politische Auseinandersetzung überschattet völlig die kulturelle Mission der UNESCO. Mitglied zu sein bedeutet unter anderem die finanzielle Unterstützung von Erziehungsprogrammen und den Schutz historischer Stätten. Israel hat acht Baudenkmäler auf die Liste des von der UNESCO verwalteten „Welterbes der Menschheit“ gebracht. Die Altstadt von Jerusalem wurde als „bedrohtes Welterbe“ von Jordanien eingetragen, weil die Annexion Ost-Jerusalem durch Israel international nicht anerkannt wird. Die Palästinenser wollen zuerst die Basilika auf der angeblichen Geburtsstätte von Jesus Christus in Betlehem als historisches Monument von der UNESCO schützen lassen. Die erste Geburtskirche war bereits im Jahre 326 unter dem oströmischen Kaiser Konstantin gebaut worden. Komplizierter wird sich die die Einordnung des „Grabes des Patriarchen“ in Hebron gestalten, auf dem eine Moschee steht. Urvater Abraham oder Ibrahim wird sowohl von den Juden wie von den Arabern verehrt.
Durch den Mehrheitsbeschluss der UNESCO drängt sich geradezu die Chance auf, die verfahrene Lage mittels Verhandlungen guten Willens zu bereinigen. Ewig wird sich Israel nicht auf den Beistand der USA verlassen können. Das Verhältnis zwischen den beiden Staaten erntet seit langem den Spott als „der Schwanz, der mit dem Hund wedelt“.