Es mehren sich Anzeichen eines Erfolgs der Wiener Atomverhandlungen mit Iran. Trotz Bedenken in Israel scheint eine Einigung auf Kurs zu sein, die wohl eine Rückkehr der IAEA-Kontrolleure nach Iran und eine Aufhebung der Sanktionen bringen würde. Israelisches Störfeuer in Washington hat wenig Chancen.
Länger als ein Jahr bereits schleppten sich die Wiener Verhandlungen über eine Wiederherstellung des von Donald Trump schwer lädierten Iran-Atomabkommens dahin. Mal stand man vor einer vermeintlichen Einigung, dann aber hiess es auch immer wieder, die Lösung sei in weite Ferne gerückt und ein erfolgloses Ende der Verhandlungen immer wahrscheinlicher geworden.
Als in der zweiten Augusthälfte immer deutlicher davon die Rede war, dass Wien doch noch eine Erfolgsstory werden dürfte, begegnete man solchen Erklärungen und Kommentaren zunächst mit gebührender Vorsicht und Zurückhaltung. Doch inzwischen werden Hinweise durchaus ernstgenommen, dass bereits in einer Woche das Ziel erreicht sein könnte.
Dieses Ziel wurde dabei vorsichtig neu definiert. So begannen offizielle Sprecher in Teheran plötzlich davon zu reden, dass dies Verhandlungen «zur Aufhebung der Iran-Sanktionen» seien. Für die meisten westlichen Politiker allerdings stand die Frage im Vordergrund, ob man zum ursprünglichen Abkommen von 2015 zurückkehren oder dieses um eine Reihe neuer und zusätzlicher Punkte erweitern könne.
In der Region selbst beginnt man sich auf eine neue Situation einzustellen: US-Präsident Biden konnte bei seinem Besuch in Riad selbst erleben, dass die Saudis dabei sind, das Verhältnis zum Iran zu entkrampfen. Die Vereinigten Arabischen Emirate gaben bekannt, dass sie wieder einen Botschafter nach Teheran schicken werden. Im Libanon hat das Wahlergebnis zwar die Probleme nicht lösen können, aber doch zu einer Machtreduzierung der vom Iran unterstützten schiitischen Hisbollah geführt.
Bedenken in Israel
In Israel schliesslich wuchs die Ungewissheit, ob eine Einigung in Wien – wie immer sie konkret aussehen werde – nicht einer Gefährdung des jüdischen Staates gleichkomme. Denn eins wurde auch entschiedenen Verfechtern eines harten Kurses gegen den Iran und Gegnern jeder vertraglichen Einigung mit diesem klar: Israels Möglichkeiten sind in dieser Frage heute begrenzter als noch bei der Aushandlung des ersten Atomvertrages mit dem Iran.
Allerdings waren die bisherigen «Erfolge» eher zweifelhaft gewesen. Als der damalige Ministerpräsident Netanjahu etwa in Washington Stimmung zu machen versuchte gegen US-Präsident Obama, verschaffte das ihm und seinem Staat in den USA nicht gerade Pluspunkte. Nach der Wahl Trumps kungelte Netanjahu immer wieder mit diesem und bekräftigte ihn in seinem Beschluss, die USA aus dem Atomvertrag abzuziehen.
Trump und Netanjahu sind nicht mehr im Amt und Demokrat Biden bemüht sich, auch beim Thema Iran zu korrigieren und zu reparieren, was sein Vorgänger an Schrott hinterlassen hat. In Israel sind für November Wahlen angesetzt und Netanjahu zeigt sich zuversichtlich, dass ihm die Rückkehr in Amt und Würden gelingen wird. Wobei letztere zweifellos darunter gelitten haben, dass er immer noch wegen mehrerer Korruptionsfälle vor Gericht steht. Die innenpolitische Lage in Israel hat sich allerdings deutlich verschlechtert, sodass «Bibi» von manchen als «Retter in der Not» betrachtet werden könnte. Was allerdings eine verhängnisvolle Fehleinschätzung wäre.
Dies umso mehr, wenn bei den nächsten US-Präsidentschaftswahlen wieder ein Demokrat gewählt werden sollte. Biden selbst dürfte aus Altersgründen wohl kaum erneut kandidieren.Zudem könnte er bei einer Verschiebung der Mehrheiten im Kongress bei den nächsten Midterm-Wahlen schon vorher an Einfluss einbüssen. Biden wird deswegen wohl kaum auf die in Israel vorgebrachten Einwände gegen eine Einigung mit dem Iran hören. Weitgehend erfolglos dürften auch all die Emissäre aus Israel bleiben, die sich jetzt in Washington die Klinke in die Hand geben: Übergangspremier Yair Lapid ist angesagt, der Chef des Geheimdienstes ebenso und Verteidigungsminister Gantz hat offenbar eine Monatskarte für Flüge nach Washington.
Aufhebung der Iran-Sanktionen wahrscheinlich
Erreichen dürften die israelischen Lobbyisten in Washington freilich nichts oder nur wenig. Dazu scheinen die bisher vereinbarten Punkte in Wien bereits zu klar und für alle Beteiligten akzeptabel zu sein: So sollen tatsächlich die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden und Teheran sich von der Uran-Anreicherung entfernen, die es erklärterweise als Antwort auf den Ausstieg Trumps aus dem Atomabkommen über die 2015 vereinbarten Limiten vorantrieb. Das inzwischen höher angereicherte Uran soll an einen Drittstaat abgegeben werden. Die Kontrolle der iranischen Atompläne soll nach entsprechender Vereinbarung wieder wie 2015 von der UN-Atomenergiebehörde IAEA übernommen werden.
Der iranische Präsident Raisi hat sich zwar bereits zu Wort gemeldet gegen geplante Kontrollen von Orten mit Atomspuren, an denen geheime Entwicklung von Atomwaffen vermutet werden. Aber wenn alle anderen bisher bekanntgewordenen Details zutreffen, dann dürfte auch dieses Hindernis überwindbar sein. Zumal für den Iran ja noch diverse andere Dinge eine Verbesserung der gegenwärtigen Lage bringen sollen. So sollen Hunderte von Milliarden Dollars freigegeben werden, die auf US-Konten eingefroren sind, und der Iran soll auch wieder offiziell Öl exportieren dürfen, was die Haupt-Einnahmequelle des Landes wieder öffnen und seine Wirtschaft nach Jahren des internationalen Sanktionsdrucks wieder befreien würde.