Die irakische Luftwaffe hat ein Video veröffentlicht, das, wie sie sagt, «ein zweites Geschwader» von Suchoi-Flugzeugen zeigt, das auf einem Militärflughafen bei Bagdad landet. Der Oberkommandant der irakischen Luftwaffe wird gezeigt, wie er die Piloten mit einer Ansprache empfängt. Die Kampfflugzeuge seien von irakischen Piloten geflogen worden, versichert der Sprecher. Die Ankuft einer ersten Staffel von fünf Suchoi aus Russland war vor zwei Tagen gemeldet worden. Analytiker sagen, die neu eingetroffene zweite Gruppe trage die für die iranische Luftwaffe typische Tarnbemalung und weise weitere Merkmale auf, die auf Iran als den Herkunftsort verweisen.
Veteranen aus dem Kuwaitkrieg
Schon vor einigen Tagen war gemeldet worden, es gebe Gespräche zwischen Iran und dem Irak über die Kampfflugzeuge, die 1991, zur Zeit des Kriegs um Kuwait, vom Irak nach Iran geflüchtet waren. Die Gewährsleute wollten wissen, die Iraner seien nicht abgeneigt, einige davon dem Irak zur Verfügung zu stellen. Damals waren 130 irakische Jets nach Iran geflohen, um dem amerikanischen Angriff zu entkommen. Iran hatte sie behalten mit der Begründung, sie seien ein Teil der Kompensation, die der Irak Iran wegen des Krieges zwischen den beiden Ländern von 1980 bis 1988 schulde. Unter den 130 Flugzeugen sollen sich nebst Suchoi und Migs auch andere Typen befunden haben. Einige davon wurden später der iranischen Luftwaffe einverleibt.
Die Fachleute fragen sich, ob es noch irakische Piloten gebe, die diese Veteranenjets steuern können. Jene, die es damals taten, sind inzwischen 23 Jahre älter geworden, ohne an anderen Flugzeugen trainieren zu können. Diese Frage stellt sich auch in Bezug auf die aus Russland eingeflogenen gebrauchten Suchoi. Sie wurden anscheinend in Russland überholt und instand gesetzt; deren erste fünf sind eingetroffen. Weitere sollen noch folgen. Falls in der Tat die Iraker sie nicht zu fliegen vermögen, wäre anzunehmen, dass russische und iranische Piloten die Jets steuern.
Ministerpräsident al-Maliki setzt offenbar grosse Hoffnungen auf eine entscheidende Verstärkung der irakischen Luftwaffe. Bisher hatte die irakische Luftwaffe fast nur aus Kampfhelikoptern bestanden. Al-Maliki erklärte der BBC in einem Interview, der Irak habe einen schweren Fehler begangen, als er Flugzeuge bei den Amerikanern bestellt habe. Denn die Lieferung dieser fünfzig bestellten Kampfjets erfolge sehr zögerlich. «Wenn wir über Kampfflugzeuge verfügt hätten», so vertraute er dem Sender an, «wäre es nicht zum Vorstoss von ISIS gekommen.»
Zusammenarbeit Russlands, Irans und der USA
In den USA wurde bestätigt, amerikanische Drohnen befänden sich im Einsatz über dem Irak. Sie seien bewaffnet. Doch sie sollten nicht in den Kampf der irakischen Armee gegen ISIS eingreifen, sondern dienten nur für Aufklärungszwecke und zum Schutz von Amerikanern, die sich im Irak befinden. Trotz dieser Einschränkungen kann man sagen, dass es zurzeit mindestens in Fragen der Luftwaffe etwas zu geben scheint, das auf eine Zusammenarbeit der Russen, der Amerikaner, der Iraner und der Iraki gegen ISIS hinausläuft. Der Aussenseiter dabei, der nur beschränkt mitwirkt, sind die Amerikaner.
Dies entspricht dem vom der amerikanischen Diplomatie ausgesprochenen Grundsatz, solange es im Irak keine Regierung gebe, die für alle Gruppen seiner Bewohner spreche und wirke, werde Amerika nicht «entscheidend» helfen. Eine solche Regierung gibt es noch nicht, und ob sie zustande kommt, bleibt weiterhin ungewiss. Al-Maliki bleibt amtierender Regierungschef. Das neu gewählte irakische Parlament ist kurz zusammengetreten, vermochte jedoch keinen Parlamentsvorsitzenden zu wählen – was der erste Schritt zur legalen Konstituierung der Versammlung sein müsste.
Stattdessen kam es zu einem Wortwechsel und heftigem Streit zwischen kurdischen Abgeordneten und schiitischen Parteigängern Malikis. Dies führte dazu, dass die Kurden und die Sunniten die Sitzung verliessen. Eine zweite Sitzung wurde etwas später zusammengerufen, doch nur 79 Abgeordnete stellten sich ein, so dass kein Quorum zustande kam. Der älteste Abgeordnete, der die Sitzung leitete, gab bekannt, dass die Versammlung in einer Woche wieder zusammentreten werde, «falls Aussichten auf Zusammenarbeit» bestünden.
ISIS-Offensive zum Stillstand gebracht?
Der Versuch einer irakischen Gegenoffensive gegen ISIS in Tikrit dauert an. Offenbar befindet sich die Stadt nach wie vor in der Hand der ISIS-Kämpfer und ihrer Verbündeten, obwohl die Sprecher der irakischen Armee schon vor Tagen die Eroberung der Stadt angekündigt hatten. Sie geben nun bekannt, die Stadt sei umzingelt. Die Armee beherrsche die Strasse zwischen Samarra und Tikrit.
Im Falle der Städte Ramadi und Falludscha, die sich seit Januar im Besitz der Rebellen befinden, waren ebenfalls zahlreiche Offensiven und Siege der irakischen Armee angekündigt worden. Doch die Städte befinden sich nach wie vor weitgehend in der Hand des Aufstandes. Allerdings sind weite Teile von ihnen zu Ruinen zusammengeschossen.
Auch im Falle der Raffinerie von Baiji hatten die Armeesprecher davon geredet, dass sie die ISIS besiegt hätten. Doch später stellte sich heraus, dass ISIS die Raffinerie beherrschte. Ebenso war es bei den vorausgegangenen Kämpfen um Tellafar nordwestlich von Mosul gewesen. Einzig in Bakuba, Provinz Diyala, haben die ISIS-Angreiffer ihr Ziel offenbar nicht erreicht und die Stadt nicht halten können.
Die Meldungen aus dem belagerten Ort Tikrit machen klar, dass die Stadt beständig beschossen und mit Helikoptern aus der Luft bombardiert wird. Die Bewohner sind zu grossen Teilen geflohen. Die irakische Armee scheint eine ähnliche Taktik zu verwenden wie die syrische. Sie bombardiert aus der Ferne ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Ob die neuen Kampfflugzeuge die Gesamtlage wirklich entscheidend verändern können, muss sich noch zeigen«