Reisen ist seit meiner Jugendzeit ein wichtiger Lebensinhalt und dies schon zu einer Zeit, da ich weder Goethes Text „Man reist nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen. Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen“ noch Kants Aussage (der angeblich Königsberg praktisch nie verlassen hatte) „Das Reisen bildet sehr; es entwöhnt von allen Vorurteilen des Volkes, des Glaubens, der Familie, der Erziehung. Es gibt den humanen duldsamen Sinn, den allgemeinen Charakter. Wer dagegen nichts sah, was ihn in der Sphäre, worin er lebt, umgibt, hält leicht alles für notwendig und einzig in der Welt, weil es in seiner Heimat dafür gilt“ kannte. Heute müsste man die Berechtigung zum Reisen (und damit auch zu einer beschränkten Ankurbelung der Wirtschaft) mit wissenschaftlichen Belegen und statistischen Unterlagen untermauern und mit grundsätzlichen Überlegungen begründen, was für eine Reise nach Myanmar insofern von Bedeutung sein könnte, da Myanmar von verschiedenen westlichen Ländern mit Sanktionen (Wirtschaftsembargo) belegt ist und selbst die burmanische Friedens-nobelpreisträgerin von 1991 Aung San Suu Kyi empfiehlt, das Land touristisch zu boykottieren.
Ich nutze nun die Offerte der Carte Blanche, beschreibe sie mit einem Text über eine kürzlich erfolgten Reise nach Myanmar und helfe mit - getreu den Worten von Ex-Bundesrat Moritz Leuenberger vom 10.09.2010 - die Carte Blanche zu gestalten. 1976 bereiste ich das damalige Burma zum ersten Mal. Die Erinnerungen blieben als wichtige Engramme während den letzten 34 Jahren fixiert und immer war ich fest entschlossen, dieses Land nochmals zu bereisen, zumal man das Visum nun leichter und für 28 Tage (1976 waren es lediglich 6 Tage bei schwierigsten Reisebedingungen im Lande) erhält. So haben meine Frau und ich anfangs November 2010 doch endlich den definitiven Entschluss gefasst, Myanmar auf derselben Strecke, wie ich es vor Jahren machte, zu besuchen und dabei zum Teil die Reise mit schnelleren und bequemeren Verkehrsmitteln (Flugzeug) zu gestalten. Um meinen Überlegungen folgen zu können, muss man einen kurzen historischen, politischen und wirtschaftlichen Rückblick machen.
Heutiges Myanmar aus historischem, politischem und wirtschaftlichem Rückblick
Das heutige Myanmar ist der grösste Festlandstaat Südostasiens. Die Bevölkerung stellt ein Gemisch aus verschiedenen Kulturkreisen dar mit vier Hauptvolksgruppen: tibeto-burmesisch, Mon-Khmer, thai-chinesisch und Karen. Ungefähr 69% der Bevölkerung Myanmars sind Burmanen. In Myanmar leben ca. 54 Mio Einwohner mit rund 150 Ethnien, die alle ihre eigene Sprache sprechen. 88% der Einwohner Myanmars sind Theravada-Buddhisten. Das ehemals reichste Land Südostasiens kann man heute als südost-asiatisches Armenhaus bezeichnen, auch wenn man beim Reisen durch das Land niemals diesen Eindruck erhält, insbesondere bei der Kenntnis des jährlichen Pro-Kopf-Einkommens von lediglich 260 USD.
Schon vor über 2000 Jahren wurde Myanmar als „Land des Goldes“ bezeichnet und lockte indische Goldsucher an, aber auch die Kolonialherren hatten aus wirtschaftlichen Gründen ein Auge auf das Land, das im Jahre 1886 nach dem 3. anglo-burmesischen Krieg ein Teil von British India wurde. Bereits 1889 wurde die Eisenbahnlinie Rangoon - Mandalay in Betrieb genommen. Darauf begann die Ausbeutung von Bodenschätzen und Wäldern in höchstem Masse und nach dem Anlegen eines grossen Reisanbaugebietes im Ayeyarwady-Delta wurde Burma zum grössten Reisexporteur der Welt. Tausende indische und chinesische Einwanderer liessen sich in Rangoon nieder und kurbelten den Wirtschaftsboom weiterhin an. Anfangs 20.Jh. waren die Burmesen nurmehr eine Minderheit in Rangoon (mit ungefähr 36% der Bevölkerung) und als es in den 1930iger Jahren besonders durch Wucherzinsen zur wirtschaftlichen Not kam, führte dies zu Unruhen gegen Inder, Chinesen und Briten. Nationalistische Studenten unter der Führung von Aung San (Vater von Suu Kyi) und U Nu waren die treibende Kraft für die birmanische Unabhängigkeit von Grossbritannien am 04.01.1948. Aung San erlebte diesen Tag nicht, er wurde am 19.07.1947 während einer Kabinettsitzung erschossen. Die kurze demokratische Regierungsphase wurde immer wieder durch aufständische Minoritäten bekämpft. Bis Ende der 1950er Jahre gehörte Myanmar noch zu den wohlhabendsten asiatischen Ländern. 1962 wurde die Macht durch General Ne Win nach einem Staatsstreich übernommen und seither ist eine Militärjunta an der Spitze des Landes, anfänglich mit dem „Burmese Way to Socialism“, was schlussendlich einem Verschliessen aller Tore von und nach aussen entsprach. 1987 erfolgte eine kompensationslose Geldentwertung, was 1988 zu landesweiten Demonstrationen führte, die durch das Militär niedergeschlagen wurden. Studenten, Mönche und Arbeiter kamen ins Gefängnis oder wurden getötet. Das neu gegründete Regierungsorgan SLORC (State Law and Order Restoration Council) wurde eingesetzt und regiert seither Myanmar. Der Sozialismus wurde aufgegeben, Privatunternehmen sind nun möglich. Bei den Wahlen 1990 erzielte die NLD (National League for Democracy) einen hohen Sieg (397 der 498 Sitze), den das Militär ignorierte und die Vorsitzende Aung San Suu Kyi wurde unter Hausarrest gesetzt.
An die von buddhistischen Mönchen und Nonnen angeführten Demonstrationen im September 2007 kann man sich noch gut erinnern, wie auch an den Tropensturm Nargis vom Mai 2008, bei dem über 80‘000 Menschen starben. Kurz nach den ersten Wahlen seit 20 Jahren, am 07.11.2010, sind wir in Yangon eingetroffen. Die NLDL wurde nicht zugelassen, das Ergebnis war schon vor der Wahl bekannt. Myanmar ist einer der zehn Mitgliedstaaten der ASEAN (Association of South-East Asian Nations) und seit 1994 auch der AFTA (Asean Free Trade Area), doch Exporte (Kleidung, Holzprodukte, Fisch und Reis) erfolgen vorwiegend nach Thailand, Indien und China. Importe (benötigte Maschinen, Konsumgüter, Fahrzeuge und Baumaterialien) stammen aus China, Singapore, Thailand. Die Einnahmen aus dem Tourismus spielen zur Zeit keine grosse Rolle (es werden unterschiedliche Zahlen zwischen 200‘000 - 600‘000 Touristen pro Jahr angegeben, die mehrheitlich aus Asien stammen).
Meine Reiseeindrücke
Wir gestalteten die Reise so, dass ich einen Vergleich mit der Reise vor 34 Jahren machen konnte. Natürlich handelt es sich um die üblichen Orte, die jeder Myanmar-Reisende anstrebt: Yangon, Mandalay, Bagan, Bago. Nach Mandalay (ca. 580 km) fliegen wir mit einem Flugzeug des privaten Flugunternehmens Air Mandalay, kurzer Zwischenhalt in Heho (Nähe Lake Inle), die Fahrt von Mandalay nach Bagan (auf einem Frachtschiff, das aussieht wie das Schiff vor 34 Jahren, wenn es nicht gar dasselbe ist) gab uns wahrscheinlich den besten Eindruck der herrlichen Natur und der in dieser Natur lebenden und funktionierenden Leute. In Bagan übernachten wir in einem netten Hotel ausserhalb des Zentrums, wo wir an einer Hochzeit (200 Gäste) teilnehmen können und natürlich mit dem Hochzeitspaar zusammen fotografiert werden müssen. Die Besichtigung der Pagoden mit einer Kutsche nimmt einen ganzen Tag in Anspruch. Den Rückflug nach Yangon führen wir wiederum mit der Air Mandalay durch.
Der kurze Tagesausflug nach Bago (ca. 100 km) erfolgt mit einem Taxi, was uns ermöglicht, wenig ausserhalb der Stadt mit dem Driver ein typisch burmesisches Mittagessen auf dem Lande einzunehmen. Also keine gewaltige Reise, eine Reise, die auch absolut kein Risiko in sich birgt, doch konnte ich das Myanmar, das sich aus dem Burma der 1970iger Jahre entwickelt hat, vorort erleben. Der Eindruck, der mich in diesem Lande tagtäglich begleitete, blieb die ganze Zeit derselbe: die Einwohner sind dieselben, äusserst liebenswürdigen Personen geblieben. Sie strahlen eine Ruhe, eine Zufriedenheit aus, die man in westlichen Ländern absolut vermisst. Ich sehe mich die 1729 Stufen nach Mandalay Hill hochgehen, zusammen mit einem Mönch, als ob es derselbe wäre, wie 1974. Wir sprechen über dasselbe wie damals, woher kommst Du, wie sieht es in Deinem Heimatland aus, wie wird das Land regiert, was arbeitest Du, findest Du immer Arbeit... und er will mich nicht loslassen, will weitersprechen, hat kein Interesse, mir über eine Pagode oder einen Buddha etwas zu berichten. Dasselbe erlebe ich bei der Shwedagon Pagode, als ich im Rahmen eines Platschregens unter einem Tempel Schutz finde und sich ungefähr 20 Studenten um mich scharen, auch sie wollen Informationen zu meiner Person, über Europa und die Schweiz und möchten wissen wie unsere Arbeit aussieht, wie die Schweiz regiert wird ... und immer kann man scherzen, lachen, alle scheinen zufrieden, auch wenn sie mir nicht sagen können, was sie nach dem Studium arbeiten möchten/können.
Sie wollen alle Angaben von mir, damit sie über Facebook mit mir Kontakt aufnehmen können (hoffen wir, es gelingt ihnen). Das junge Mädchen in Bagan, das mir eine Lackarbeit, eine Dose, verkauft, berichtet, dass es sich mit diesem Verkauf einen Teil seines Studiums bezahlen kann, spricht recht gut englisch und als ich sie frage, was sie studiere, sagt sie Sprachen. Auf meine Frage, ob sie auch andere Sprachen spreche, beginnt sie erstaunlich gut französisch zu sprechen, italienisch und deutsch gelingt ihr lediglich eine Begrüssung und wie geht es dir. Unser Kutscher in Bagan möchte gerne das Pferd und die Kutsche, die er im Auftrag einsetzt und am Schluss für die Tagesarbeit lediglich 4 der 20 USD bekommt, kaufen - er weiss auch nicht, wie er es machen kann, gibt mir aber seine Adresse mit und bittet mich in der Schweiz Reklame für ihn zu machen. Wie sich der Taxi-Driver, der uns nach Bago führt, mit seinen paar Kyats, die er verlangt, am Leben erhält, weiss ich wirklich nicht. Die Männer tragen fast alle noch immer ihre Longyi, nur wenige kleiden sich westlich. Die Frauen schminken sich mit Thanaka. Ich habe den Eindruck, dass sich im Laufe der verflossenen Jahre eher ein Schmuck aus dieser ursprünglich pflegenden und sonnenschützenden Paste einer Baumrinde (Limonia acidissima, wird auf einem Mahlstein mit Wasser gemischt) entwickelt hat. Die jungen Frauen und auch die Kinder tragen sich diese Paste kunstvoll in Blattform oder als Schmetterlinge auf ihre Wangen auf.
Yangon hat wohl den Namen gewechselt (vom englischen Rangoon wurde wieder das ursprüngliche Yangon), doch erkennt man die Stadt noch immer, die alten Häuser im Kolonialstil stehen noch da, wohl etwas runtergekommen durch die Jahre, dazwischen werden sie durch einzelne Hotels und Guest Houses „geschmückt“, die vielleicht in den 1990er Jahren, als sie gebaut wurden, noch ansehnlich und einladender waren als sie es nun sind. 3-4 Hotels mit 4-5 Stern Niveau kann man sehen, da stehen auch neuere Autos vor den Türen. Einzelne Wohn-Blöcke werden aufgestellt, zum Teil wurde der Bau vorzeitig abgebrochen, zum Teil stehen sie stolz über dem alten Rangoon und geben Hinweise auf eine eventuelle wirtschaftliche Entwicklung. Verändert hat sich der Strassenverkehr, anstelle der vielen Kutschen sieht man nun Autos, meist rechtsgesteuert bei Rechtsverkehr (wohl viele aus Thailand mit dem Linksverkehr) und auch die sind in die Jahre gekommen, also Autos aus den 1970er und 80er Jahren. Am Rande der Stadt findet man dasselbe Stadtbild wie vor 30 Jahren, viele Bambushütten und einfache Häuser.
Das Leben auf dem Lande scheint zeitlich stehengeblieben zu sein, noch immer sieht man Ochsenwagen, Holzpflüge von Ochsen gezogen, schöne Reisfelder, Frauen und Mädchen, die riesige Körbe mit Nahrungsmitteln, insbesondere Früchten auf dem Kopf tragen. Lediglich etwas ausserhalb von Mandalay sah ich ein breites Autobahntrasse im Bau, wo verschiedene modernste Baumaschinen eingesetzt werden.
Touristen habe ich sehr wenige gesehen, einzelne Gruppen vorwiegend Italiener, wenige Deutsche, Schweizer und Engländer, in der Mehrzahl waren es asiatische Touristen, insbesondere Thailänder, die meist in Gruppen erschienen.
Insgesamt: ich habe das Burma, so wie ich es in Erinnerung hatte, als Myanmar wiedergefunden.
Muss ich mich nun für diese Reise noch rechtfertigen, konnte ich nicht eine Reise erleben, wie sie von Kant beschrieben oder von Goethe selbst in Erfahrung gebracht wurde, genügt dies nicht?
Zukunft Myanmars, persönliche Visionen, Wünsche und Ängste
Es ist sehr schwer, etwas über die Zukunft von Myanmar zu schreiben. Gedanken hat man oder macht man sich ohnehin, vor allem bei kritischem Nachdenken nach der Reise. Aus meiner Sicht gibt es nur zwei Möglichkeiten der Weiterentwicklung Myanmars. Entweder bahnt sich eine Demokratisierung im Lande an, wobei zu hoffen ist, dass sie auf ruhigem Weg vor sich geht, wie es die Einwohner Myanmars auch verdienen würden oder aber, das Land wird wie Tibet von China annektiert, wozu verschiedene Hinweise vorliegen könnten. Der beste Weg wäre wahrhaftig eine langsame, unblutige und nicht von kriegerischen Demonstrationen begleitete Demokratisierung. Hierzu liegen auch einige Hinweise vor, selbst wenn die letzte Wahl vom 7.11.2010 überhaupt nicht demokratisch erfolgte.
Aung San Suu Kyi wurde während unseres Aufenthaltes vom Hausarrest befreit, sie kann sich frei bewegen, sie kann sich (angeblich) frei äussern, sie kann mit ausländischen Regierungen Kontakt aufnehmen, sie konnte sogar ihren seit Jahren nicht mehr gesehenen Sohn im Lande begrüssen.
Sie wäre wirklich die ideale Person, die auf friedlichem Wege die Demokratisierung einführen könnte, sie hat das notwendige Charisma, auch dadurch, dass sie die Tochter des immer noch verehrten Nationalhelden Aung San ist. Bewiesen hat sie ihre politische Stärke auch 1990 bei den Wahlen als sie mit der von ihr gegründeten Partei NLD die Mehrheit der Stimmen erringen konnte. Die Militärjunta hat ihren Regierungssitz 2005 nach Pyinmarna Naypyidaw, 300 km nördlich von Yangon, in eine neue moderne Stadt verlegt, wobei gerätselt wird und auch werden darf, warum dies geschehen ist. Möglicherweise liegt es doch in Ängsten, dass die etwas exponierte bisherige Hauptstadt Yangon als Explosionsherd in Funktion treten könnte (intern wie auch extern).
Die neue Hauptstadt darf weder von Einwohnern des Staates noch von Touristen besucht werden, aus welchen Gründen wohl? Die Militärjunta sieht praktisch die Vollendung der Demokratisierung, was sie neulich damit noch belegen wollte, dass sie nicht mehr im Militär“kostüm“ in der Öffentlichkeit auftritt, sondern zivil gekleidet ist. Positiv erscheint mir die Möglichkeit, private Zeitungen drucken zu können, es liegen bereits eine Handvoll solcher Zeitungen vor, in englisch geschrieben und selbst wenn täglich in einer dieser Zeitungen die Vorstellungen der Demokratie auf der letzten Seite gedruckt werden, so müssen sich die Redaktoren nach wie vor einer strikten Zensur durch die Regierung unterziehen.
Es existieren einzelne ausländische Wirtschaftsunternehmen in Myanmar, insbesondere in Yangon, der Tourismus wurde angespornt, auch von der Regierung. Verschiedene sogenannte Touristik-Unternehmen (z.B. Asian Adventure) bieten Rundreisen in Myanmar an, meist mit landeseigenen Reiseleitern. Wie gut diese Reiseführungen sind, kann ich persönlich nicht sagen, da ich mich aus erstens grundsätzlich persönlichen Gründen nie einer Organisation dieser Art anschliessen kann, wohlwissend, dass man häufig leichter zu Informationen kommen könnte und zweitens müssen diese Unternehmen ein beträchtliches Tribut dem Staat abgeben, dieses Geld fliesst wiederum, wie alles von der Militärjunta eingetriebene Geld, in die Ideen des Militärs ein.
Wer weiss, vielleicht ergibt sich auch in Myanmar der sogenannte „indonesische Weg der Demokratisierung“, ein Weg, wo mit Investoren, Handelspartnern und Touristen neue Ideen ins Land kamen und auch durch Abhängigkeiten die Regierung in Jakarta langsam die internationalen Standards akzeptieren musste. Betreffs Tourismus ist nur zu hoffen, dass sich nicht ein Sex-Tourismus mit westlichen Prostitutionsunternehmern (macht- und geldgierig) und armen Prostituierenden aus dem Ursprungsland, wie er sich im heutigen Thailand insbesondere in Pattaya und Phuket gebildet hat, entwickelt (beide Orte habe ich besucht und beide Orte habe ich schwer enttäuscht und verärgert vorzeitig verlassen).
Betrachten wir kurz den zweiten Weg, der sich in Myanmar anbahnen könnte. Es ist ein Weg, der hoffentlich nie eingeschlagen wird, nie Realität wird. Seit 2007 werden ganz oben im Nordwesten Myanmars die beiden Flüsse Maykha und Malikha zu einem See gestaut. Damit entsteht der grösste Staudamm im Rahmen der total sieben geplanten Staudamm-Projekte am Ayeyarwady und seinen Zuflüssen. Bei der Fertigstellung werden jährlich ungefähr 3600 Megawatt Strom erzeugt. Der Damm wird von einer chinesischen Firma (China Power Investment Corporation) erstellt. Der zukünftige Strom ist nicht für Myanmar gedacht, sondern für den chinesischen Markt. Dass dabei 75 Dörfer im Kachin-Staat verschwinden werden und Tausenden von Einwohnern eine Zwangsumsiedlung droht, ist das eine, das andere sind aber die Ängste, die aufkommen. Es gab im Jahre 2010 bereits eine Serie von Bombenanschlägen gegen den Damm. Dass in Myanmar ähnlich wie früher in Tibet eine Hassliebe zu China besteht, ist ein offenes Geheimnis. Burmesische Oppositionelle haben am 10.11.2010 einen elektronischen Rundbrief versandt, in dem zu lesen ist: “Burma wurde zu einem Satelliten von China, und zwar in ökonomischer, politischer und militärischer Hinsicht. Man täusche sich nicht: Bei Burma besteht eines der Hauptziele der chinesischen Aussenpolitik darin, sich seine Bodenschätze anzueignen und die Militärjunta in die Tasche zu stecken.“ Ich wage nicht weiterzudenken, es bleibt nur die Hoffnung, dass aus diesem kleinen Funken nicht ein Riesenfeuerwerk entsteht.
Am 29.11.2010 landete ich nach einem äusserst eindrücklichen Ausflug, einer Reise, die ich mit sehr vagen Gefühlen angetreten habe, überglücklich in Zürich. Dieses Glücksgefühl wurde brutal durch das Abstimmungsresultat zerstört. Da komme ich von einem Lande zurück, in dem eine Miltärjunta Tausende ins Gefängnis wirft, die ihr nicht genehm sind (nach ihrer Ansicht kriminell sind) in ein demokratisches Land, in dem die Mehrheit der Bevölkerung nicht genehme (nach deren Ansicht kriminelle) Ausländer des Landes verweisen will.
Alois Birbaumer