Zunächst wieder das Einmaleins. Zinsen sind die Belohnung und die Motivation, dass jemand Geld verleiht. Sie kompensieren das Risiko, das immer damit verbunden ist, wenn man zum Gläubiger wird. Umso höher die Zinsen, umso höher die Investitionsbereitschaft. Nicht nur das: Hohe Zinsen bremsen zudem die Bereitschaft, mit geliehenem Geld zu zocken oder hochriskante Spekulationen zu betreiben.
Da die aktuelle Finanzkrise durch eine verbrecherische Niedrigzinspolitik ausgelöst wurde, ist es reiner Aberwitz, sie mit Gratisgeld aus der Welt schaffen zu wollen. Das ist so absurd wie wenn man einem Heroin-Abhängigen zur Heilung literweise mit seiner Droge überschütten würde. Dennoch ist Geld heutzutage der einzige Rohstoff, der faktisch gratis zu haben ist. Was spricht also dagegen, zu einer vernünftigen Zinspolitik zurückzukehren?
Der Katalog der untauglichen Argumente
Im Wesentlichen werden drei Argumente angeführt. Eine Heraufsetzung der Zinsen würde einen Wirtschaftsaufschwung abwürgen. Unsinn. Eine Wirtschaft wie die Brasiliens, in der Leitzinsen im zweistelligen Bereich existieren, brummt. Zudem ist das Land, bzw. seine Banken, von der Finanzkrise nicht berührt worden, weil kein Gratisgeld fürs Zocken vorhanden ist. Auch den USA ging es in den 80er-Jahren entschieden besser, als die dortigen Leitzinsen bei, man erinnert sich vielleicht, über 15 Prozent lagen. Und schliesslich ist es in der Realwirtschaft bei einer Payback-Rechnung völlig unerheblich, ob eine Kapitalaufnahme fünf oder zehn Prozent Zinsen kostet. Das ist ein Faktor unter ferner liefen. Höhere Zinsen sind schlecht für Börsen und Finanzblasen, kein Problem für die Realwirtschaft.
Zweites Argument: Höhere Zinsen würden die Schuldner, nicht zuletzt Immobilienbesitzer, zusammenbrechen lassen. Unsinn. Erstens ist es ja bekannt, dass auch niedrige Zinsen nicht dazu führen, dass KMU oder andere Teilnehmer an der Realwirtschaft leichter zu Krediten kommen. Im Gegenteil, wenn mit Gratis-Geld auf den Finanzmärkten gezockt werden kann und im besten Fall dort 25 Prozent oder mehr Kernkapitalrendite realisiert wird, ist doch keine Bank daran interessiert, sich der Mühe einer Kreditvergabe an einen Produktionsbetrieb zu unterziehen. Viel Aufwand, lächerlicher Zinsertrag, macht keinen Sinn.
Und der Hausbesitzer?
Es ist unbestritten unsinnig, dass der Käufer einer Immobilie im Wert von einer Million Franken lediglich einen lächerlichen Zinssatz von etwas über 20 000 Franken im Jahr dafür aufbringen muss. Natürlich werden solche Kamikazeflieger abstürzen, wenn eine Hypothek wieder fünf oder acht Prozent kostet. Na und? Das wäre keine Tragödie, sondern eine gesunde Marktbereinigung, die zudem die Luft aus einer sich auch in der Schweiz abzeichnenden Immobilienblase entweichen liesse.
Das einzig ernstzunehmende Gegenargument besteht darin, dass selbstverständlich auch bis über beide Ohren verschuldete Staaten noch mehr Mühe hätten, den Budgetposten Schuldzinsen zu bedienen. Da aber die einzige Alternative darin besteht, dass sich Staaten als Besitzer der Druckerpresse durch eine rauschende Inflation sanieren, kann man hier eindeutig vom kleineren Übel sprechen.
Ursache und Wirkung
Einfache Frage: Wieso kommt der Verwalter einer Schweizer Pensionskasse auf die aberwitzige Idee, grössere Beträge in überkomplexe Finanzderivatbasteleien, gar CDOs oder in Hedgefonds zu verlochen, die im asiatischen Raum spekulieren? Also in Finanzvehikel, von denen er keine Ahnung hat, die in Märkten tätig sind, die er nicht kennt, und die ein hohes Risiko beinhalten, in die Luft zu fliegen? Nicht aus Wagemut oder aus Blödheit, sondern weil er schlichtweg dazu gezwungen ist, wenn eine Schweizer Staatsobligation einen lächerlichen Zins von 1,7 Prozent abwirft. Gäbe es für sichere Anlagen anständige Erträge, gäbe es keine Finanzblasen, so einfach ist das. Weltweit führen Bangster als Entschuldigung für ihr Versagen an, dass geldgierige Investoren sie ja faktisch dazu gezwungen hätten, immer absurdere Finanzvehikel zu erfinden. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Auch seriöse Investoren wurden dazu gezwungen, weil mit den klassischen Anlageformen Obligationen und Schuldverschreibungen jeglicher Art nicht mal mehr die Inflation ausgeglichen werden konnte.
Also gehen die Zinsen rauf?
Natürlich nicht, denn durch die aberwitzige Rettung des Finanzsystems sind die meisten industrialisierten Staaten faktisch bankrott und werden als Herren der Notenpressen einen Teufel tun, die Zinsen heraufzusetzen. Im Gegenteil, obwohl eigentlich niemand erklären kann, wieso die Überschwemmung der Märkte mit Gratisgeld im Multimultimilliardenbereich nicht schon längst zu einer galoppierenden Inflation geführt hat, wird diese unsägliche Politik fortgesetzt. Nach dem Prinzip: Glaube und Hoffnung.
Historische und aktuelle Erfahrungen beweisen: Ein anständiger Zinssatz von inflationsbereinigt fünf bis zehn Prozent wirkt Wunder, Gratisgeld führt zu Finanzblasen, Zockerei, Aberwitz und schadet der Realwirtschaft. Eine Heraufsetzung der Zinsen lässt zwar die Börsen krachen und hypertrophe Finanzhäuser zusammenbrechen, heilt aber auf einen Schlag alle anderen Krankheiten. Ist also die einzige sinnvolle Alternative zur Fortsetzung des aktuellen Wahnsinns. Soll einer verstehen, wieso das nicht sofort gemacht wird.