Die breite Zustimmung zur Familieninitiative hat auch bürgerliche Politiker ausserhalb der SVP erschreckt. Als Erklärung ist schnell das Argument aufgetaucht, das traditionelle Familienmodell finde wieder vermehrt Gefolgschaft. Kleinfamilie und Mutterschaft hätten eine Renaissance erlebt. Der Soziologe François Höpflinger kommt zum Schluss, die Leute richteten sich wieder nach konservativeren Vorstellungen und Werten als noch in den 1980er-Jahren.
Helikoptereltern und ihr Ganztags-Job
Doch die These von den neuen konservativen Werten unterschätzt, wie sehr sich auch die Familienmodelle verändert haben. Wer heute Kinder hat, sieht diese oft als Lebensprojekte. An ihnen soll verwirklicht werden, was man selbst nicht erreicht hat. Besonders für die Mütter ist die Förderung der Kinder zum stressigen Siebentage-Job geworden. Mit dem Zweitwagen werden die Kinder in die Schule, zum Sportverein und Förderunterricht chauffiert. Die Kids brauchen die «richtigen» Klamotten und tragen nicht mehr einfach diejenigen der älteren Geschwister aus. In einer gefährlichen Welt muss auch per Handy sichergestellt werden, dass ihnen da draussen nichts geschieht. Helikopter-Eltern schweben immer über ihren Kindern und sind unablässig um ihr tägliches Wohl besorgt.
Da kommt rasch die Meinung auf, die Kinderbetreuung sei genauso anspruchsvoll wie ein Job ausserhalb der eigenen vier Wände. So scheint es naheliegend, dass der Beruf, ja sogar die Berufung, Kinder aufzuziehen, mit einem Steuerabzug abgegolten werden soll.
Gegner mit Rückenwind
Im Abstimmungskampf hat sich der Wind jedoch gedreht. Die familienpolitische Auseinandersetzung ist durch finanzpolitische Überlegungen abgelöst worden. Die Steuerausfälle und die Frage, ob solche Abzüge nach Giesskannenprinzip sinnvoll seien, haben gemäss Umfragen die Unterstützung für die Initiative zum Schmelzen gebracht.
Dazu kommt, dass es sich bei den Helikoptereltern um ein Phänomen der wohlhabenden Schichten in unserem Land handelt. Eine alleinerziehende Mutter, die ihre Kinder in die Krippe geben muss, hat gar nicht Zeit, um sich in überfürsorglicher Weise um ihre Sprösslinge zu kümmern. So haftet der Initiative plötzlich auch der Geruch einer Umverteilung nach oben an.
Knappe Entscheidung erwartet
Die Abstimmung könnte nach allen Voraussagen spitz ausgehen. Aber es ist keine Auseinandersetzung um ein rein konservatives Familienbild. Vielmehr geht es um eine Gesellschaft, welche die Familienphase als besonderes Erlebnis hochhält und die Kinderbetreuung zum tagesfüllenden Beruf macht. Offen bleibt bis zum nächsten Sonntag, ob dies von den Stimmbürgern mit Steuerabzügen versüsst wird.