Und dies als selbstverwalteter Betrieb, ohne ChefInnen und mit Einheitslohn. Es ist eine Ironie der Geschichte: Fast täglich macht die Medienkrise Schlagzeilen, die vom Anzeigeneinbruch ausgelöst wurde. Die WOZ jedoch ist als linke Zeitung auch kommerziell ein erfolgreiches Journalismus-Modell geworden. Was macht die WOZ anders ? Antworten darauf gibt eine Geschichte der WOZ, die Stefan Howald geschrieben hat*.
Zukunftsfähiges Journalismus-Modell
Das Journalismus-Modell, das sich die Gründerinnen und Gründer der WOZ ausgedacht hatten, erwies sich in der Medienkrise als zukunftsfähig. Die Zeitung gehört als Genossenschaft nur ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es gibt also keine Aktionärsinteressen zu bedienen. Und zum anderen ist die WOZ zu rund drei Vierteln von den Leserinnen und Lesern finanziert und nicht wie die übrigen Medien von den Anzeigen abhängig.
Howald, der seit 2010 als Genossenschafter und Redaktor der WOZ tätig ist, beschreibt aber auch die andere Seite einer genossenschaftlich organisierten Zeitung. Immer wieder kam es zu publizistischen und ideologischen Richtungs- und Machtkämpfen. So wurde zum Beispiel jahrelang gestritten, ob auf der WOZ-Redaktion Computer angeschafft werden sollten. „Eigentlich ging es in der ganzen Diskussion gar nicht um die Computerfrage“, zitiert Howald eine Redaktorin. „Es war ein Krieg zwischen zwei Fraktionen, die unterschiedliche politische Anschauungen vertraten.“
Sanfte Leitungsstrukturen
Mehrmals ist die WOZ fast pleite gegangen, wurde aber immer wieder von der Solidarität der Leserinnen und Leser aufgefangen. Deshalb ist die Zeitung immer noch da. Das WOZ-Kollektiv musste aber auch sanfte Lenkungsstrukturen akzeptieren. Seit 2005 wird die Basisdemokratie von einer Geschäfts- und einer Redaktionsleitung geführt. Dem Frieden zuliebe werden aber nicht einzelne Mitglieder, sondern ganze Gremien gewählt. Zurzeit besteht das WOZ-Leitungstrio aus Kaspar Surber, Silvia Süess und Yves Wegelin.
Die WOZ ist mit einer Auflage von gegen 17’000 das einzige linke Blatt mit einer überregionalen Resonanz in der Schweiz, in der fast alle grossen Städte linksgrün regiert werden. Die Frage drängt sich auf: Warum hat die WOZ nicht eine grössere Auflage? „Die WOZ ist erfolgreich und dennoch ein Nischenprodukt“, meint Howald und ist überzeugt: „Von ihrem Anspruch und der politisch prekären Mediensituation her gesehen, könnte, ja müsste sie auflagennmässig erfolgreicher sein.“
„Eine NZZ für die Linke“
Die WOZ hat die vielen alternativen Blätter wie Tell, Leserzeitung oder focus überlebt. Warum? Darauf antwortet Howald: „Für die WOZ-MacherInnen war von Anfang an klar: Ihre Zeitung wird ein p r o f e s s i o n e l l e s Blatt werden.“ Res Strehle, der in einem grossbürgerlichen Milieu am Zürichberg aufgewachsen ist und als Mitbegründer der WOZ die linke Zeitung wesentlich geprägt hat, forderte noch mehr: Die WOZ müsse eine „hochklassige Zeitung für eine Elite, eine NZZ für die Linke sein“. Howald vermutet aber, dass die WOZ mit Strehles „radikaler De-Luxe -Variante“ wohl nicht bis heute überlebt hätte.
„Links und bündig ... eine alternative Mediengeschichte“, verspricht Stefan Howalds Buch. Die WOZ-Geschichte, so glauben solidarisch kritische Stimmen, hätte ruhig etwas frecher und kontroverser erzählt werden können. Das 350 Seiten starke Buch ist aber sicher ein seriöses Nachschlagewerk. So erfährt man, dass eine LeserInnen-Umfrage im Jahr 2010 verblüffende Resultate erbracht hatte: Rund ein Viertel der WOZ-LeserInnen hatte mehr als 10’000 Franken pro Monat verdient.
Das Überleben der WOZ zeigt: Das Kollektiv und das Projekt einer linken Zeitung waren stärker als die immer wiederkehrenden Krisen. Und die Schweiz hat eine alternative Perspektive in einer zunehmend gleichförmigen Medienlandschaft dringend notwendig.
* Stefan Howald: „Links und bündig. WOZ Die Wochenzeitung. Eine alternative Mediengeschichte“. Rotpunktverlag, Zürich 2018. Fr. 38.–