Nach den zweiten Wahlgängen, die vergangenes Wochenende stattgefunden haben, ist der Ständerat nun neu bestellt. Im Vergleich zur vorherigen Mandatsverteilung haben die SP drei, die Mitte und die GLP je ein Mandat dazugewonnen. Je einen Sitz weniger haben die FDP und die SVP. Die Grünen sind um zwei Mandate schwächer. Die Frauen erreichen mit 35 Prozent den höchsten bisher im Ständerat erzielten Wert.
Weil die Wahlergebnisse normalerweise mit denjenigen der letzten Wahlen verglichen werden – in unserem Fall mit 2019 –, muss in Erinnerung gerufen werden, dass die SP im Verlaufe der vergangenen Legislaturperiode drei Mandate verloren hat: In Freiburg ging der Sitz von Christian Levrat 2021 an die Mitte (Isabelle Chassot) und in St. Gallen der Sitz von Paul Rechsteiner im Frühling 2023 an die SVP (Esther Friedli). Der Tessiner Sitz von Marina Carobbio Guscetti wurde nach deren Wahl in die Tessiner Regierung im Frühling 2023 nicht wieder besetzt. Somit ging die SP mit einem Rückstand von drei Mandaten in die Ständeratswahlen 2023, und die Mitte und die SVP hatten bereits ein Mandat mehr als 2019.
Die Mitte klar stärkste Partei
Wird die neue Mandatsverteilung mit jener der Ständeratswahlen von 2019 verglichen, hat die Mitte per Saldo zwei Mandate dazu gewonnen und ist mit 15 Mandaten klar am stärksten vertreten. Sie hat in Freiburg (2021), im Aargau und im Tessin je ein Mandat gewonnen und eines in Schwyz verloren.
Zweitstärkste Partei im Ständerat bleibt mit elf Mandaten die FDP. Sie steht im Vergleich zu 2019 aber um ein Mandat schwächer da. Sie gewann zwar ein Mandat in Schwyz, verlor aber je eines in Neuenburg und in Zürich. Der – auch symbolisch wichtige – bisherige FDP-Sitz in Zürich ging an die Grünliberale Tiana Moser. Damit nahm die GLP in der Kleinen Kammer wieder Platz. Die Strategie der FDP, ihre Kandidatin zugunsten des SVP-Kandidaten zurückzuziehen, hat sich – nicht nur in Zürich – nicht ausgezahlt.
SP macht drei Mandatsverluste wett
Die SP, die im Verlaufe der Legislaturperiode in Ergänzungswahlen (FR, SG) und durch Rücktritt (TI) drei Mandate verloren hat, vermochte diese Verluste bei den jüngsten Wahlen in der Waadt, in Neuenburg und in Schaffhausen wieder wettzumachen. Mit neun Mandaten bleibt die SP drittstärkste Partei im Ständerat.
Der SVP wurden bei den Ständeratswahlen erneut ihre Schwächen bei Majorzwahlen aufgezeigt: dass sie nämlich häufig zu wenig stark über ihr eigenes Wahlsegment hinaus zu mobilisieren vermag. So scheiterte sie in mehreren Kantonen bei ihrem Versuch, zusätzliche Mandate dazuzugewinnen, namentlich in Zürich und in Solothurn. Im Aargau vermochte sie ihr bisheriges Mandat nicht zu halten. Damit wurde ihr Mandatsgewinn in St. Gallen von 2023 «neutralisiert». Die SVP, vor einem Monat noch die Siegerin der Nationalratswahlen, bleibt im Ständerat bei sechs Mandaten sitzen.
Eine herbe Enttäuschung waren die Ständeratswahlen für die Grünen. Sie verloren in der Waadt und in Genf je ein Mandat an die SP bzw. an das rechtspopulistische Movement Citoyen Genevois. War der Mandatsverlust in der Waadt aufgrund des Rücktritts von Adèle Thorens absehbar, so kam die Abwahl von Lisa Mazzone überraschend, war sie doch ein äusserst populäres Aushängeschild der Grünen. Die Grünen verfügen noch über drei Mandate im Ständerat.
Eine mittelgrosse Überraschung war die Abwahl des Parteilosen Thomas Minder von Schaffhausen, der in den vergangenen zwölf Jahren jeweils bei der SVP Unterschlupf gefunden hatte. Seine Rolle übernimmt gewissermassen der Vertreter des rechtspopulistischen Mouvement citoyens genevois, Mauro Poggia.
Vormarsch der Frauen
Nachdem die Frauenvertretung im Ständerat bis 2003 unter zwanzig Prozent lag, machte sie 2019 erstmals etwas mehr als einen Viertel aus. Bei den aktuellen Ständeratswahlen wurden vier Frauen mehr gewählt. Die neu 16 Ständerätinnen lassen den Frauenanteil auf 35 Prozent ansteigen. Damit kommt der Frauenanteil im Ständerat erstmals in die Nähe des Frauenanteils im Nationalrat (38,5%).
Bei sämlichen Parteien ist die Zahl der gewählten Frauen angestiegen, ausser bei den Grünen, deren Delegation bisher aus vier Frauen und einem Mann bestanden hatte. Sie büssten in der Romandie zwei (Frauen-)Mandate ein. Um zwei Frauen stärker als 2019 ist dagegen die Mitte-Delegation im Ständerat: Die beiden zusätzlichen (Frauen-)Mandate holten Isabelle Chassot (Freiburg, 2021) und Marianne Binder-Keller (AG).
Je eine Frau mehr haben neu die FDP (SZ), die SVP (SG, 2023) und die GLP (ZH). Per Saldo ebenfalls eine Ständerätin mehr hat die SP: Bei ihr wurden die zurückgetretenen SP-Ständeräte in Bern und Solothurn durch Ständerätinnen ersetzt. Nicht halten konnte die SP dagegen den Tessiner Sitz von Marina Carobbio Guscetti.
Relativ viele Ständerätinnen bei SP und Mitte
Die meisten Ständerätinnen stellen nun die Mitte (6) und die SP (4). Je zwei Ständerätinnen haben die Grünen und die FDP, je eine die GLP und die SVP. Anteilmässig machen die Frauen bei den Grünen 67 Prozent aus, bei der GLP ist die einzige Vertretung weiblich. Bei vierzig Prozent und mehr liegt der Frauenanteil bei der SP (44%) und bei der Mitte (40%). Unter zwanzig Prozent ist der Frauenanteil bei der FDP (18%) und der SVP (17%).
Mit Blick auf die Kantone fällt der Kanton Freiburg auf, der seit 2021 eine reine Frauendelegation in den Ständerat schickt (Mitte/FDP). Die beiden Basel sind ebenfalls durch Frauen vertreten (BS: SP, BL: Grüne). In zwölf Kantonen wurde eine geschlechterparitätische Vertretung gewählt. Elf Kantone schicken dagegen ausschliesslich Männer in den Ständerat. Es sind dies hauptsächlich Kantone der Inner- und Ostschweiz, darunter die beiden Halbkantone Ob- und Nidwalden und die beiden Appenzell, sowie das Tessin. Aber auch die beiden Kantone Waadt und Genf, welche seit 1999 immer mindestens je eine Ständerätin gewählt haben, lassen sich für die nächste Zeit im Ständerat ausschliesslich durch Männer vertreten.