Bereits im Dezember 2009, als Urs (man glaubte damals noch, es handle sich um ein Männchen) war für Berns Tierparkdirektor Bernd Schildger klar, dass die Beiden spätestens in zwei Jahren von ihrer Mutter verstossen würden. Geschlechtsreife Bären haben ihr eigenes Revier, benötigen mindestens 1000 m2 Fläche und dulden weder Nachwuchs noch Fremdlinge, die ihnen diesen Lebensraum streitig machen.
Zwei Millionen Besucher im ersten Jahr
Inzwischen hatten die beiden niedlichen Braunbären die Zuneigung der ganzen Berner Bevölkerung errungen, und zwar in einem Ausmass, das selbst die erfahrene Tierpark-Leitung vor Probleme stellte. 2 Millionen BesucherInnen wurden allein im ersten „Jungbärenjahr“ gezählt, an gewissen Tagen musste die angrenzende Nydeggbrücke für den Verkehr gesperrt werden, so gross war der Andrang.
Bärenspezialisten geben zur Beliebtheit von Bären in Bärn primär drei Gründe an: Zum Ersten sei es natürlich unsere Erinnerung an die kleinen, wolligen Teddybären aus unserer Kindheit und Jugend. Die zweite Erklärung ist mehr historischer Natur. Man schreibt das Jahr 1513: Zehntausend Schweizer Söldner besiegen in der Schlacht von Novarra die in grosser Überzahl antretenden Franzosen und entführen ihnen einen Bären. Dieser wird mit viel Aufwand und Pomp in die Stadt Bern gebracht und im Stadtgraben, dem heutigen Bärenplatz, zur Schau gestellt. Nun besass man ein lebendiges Wappentier.
Die dritte Erklärung ist eher philosophisch: Der Bärenpark ermöglicht ein „anschaulich-meditatives Besinnen, nämlich die Beobachtung von wilden Bären, die in der Lage sind, einen grossen Teil ihres natürlichen Verhaltensrepertoires auszuleben“.
Urs wird zu Ursina…
Zum Gelächter und Fasnachtsthema wurde Monate später die Feststellung, dass Urs gar eine „Ursina“ war, ein Weibchen also, welches den Weltbild-Buchverlag dazu zwang, seinen Bestseller neu aufzulegen und die Namen auf der Titelseite zu korrigieren. Leicht verlegen erklärte mir Bernd Schildger letzthin erneut, dass die Feststellung des Geschlechts beim Bären eine schwierige „im Pelz versteckte Sache“ sei. Der Versuch, bei einem Bären den kleinen Unterschied zu finden, brachte einen der Tierpfleger immerhin vorübergehend in Spitalpflege…
Todesspritze für Berns Schätzchen?
Klar, dass ein Aufschrei der Entrüstung durch die Welt der Bären- und Tierfreunde ging, als Schildger vor einigen Monaten durchblicken liess, die beiden – mittlerweile zu stattlicher Grösse herangewachsenen Mutzen - müssten allenfalls eingeschläfert werden, wenn sich innert nützlicher Frist kein passender Platz für sie finden liesse. Alles andere sei aus tierschützerischer Sicht unverantwortlich.
Entsprechend aufwändig ging man auf die Suche: 270 Zoologische Gärten weltweit wurden angeschrieben. Die Zoos von Cali in Kolumbien, von Orissa in Indien, von Rajunan in Indonesien und von Negra in Malaysia waren willig, die beiden Bären von Bern zu übernehmen. Alle vier Zoos liegen aber in Äquatornähe und kamen wegen der ungünstigen klimatischen Voraussetzungen für die Haltung europäischer Braunbären nicht in Betracht.
Von Berlin einen Bären aufgebunden
Nachdem in den Medien die Aufnahme der Bären durch die Stadt Berlin publiziert wurde - der Regierende Bürgermeister Wowereit hatte sich dahingehend in den Medien geäussert -, wurde auch diese Möglichkeit evaluiert. Die Senatsverwaltung der Stadt Berlin entschuldigte sich dann kleinlaut „nach eingehender Prüfung, dieser Zusage nicht Rechnung tragen zu können.“
Im April dieses Jahres entwickelte sich die erste tragfähige Lösung dank der „Cristina Lapis Foundation“, Rumänien und deren Partnerstiftung „Hauser Bear“, United Kingdom. Es handelt sich um die Bärenauffangstation in Zernesti. Nach diversen Besprechungen und Treffen in Bern wurde die Idee entwickelt, nicht nur die jungen Bären von Bern gut unterzubringen, sondern etwas für den Schutz der Bären weltweit zu tun. Schliesslich gibt es zurzeit eine Liste von 400 Bären allein in Europa, die einen tierfreundlichen Platz suchen.
Bärenstation in den Karpaten
Die 80 ha grosse Bärenauffangstation Zernesti liegt in einem Mischwald aus Eichen und Hainbuchen im hügeligen Gelände der rumänischen Karpaten, ca. 200 Kilometer nordwestlich von Bukarest. Zurzeit beherbergt die Station 57 Bären in mehreren Gehegen. Zwei Gehege umfassen je 7 ha eingezäunten Wald. Alle Bären wurden aus schlechten Haltungen gerettet, aus Zoos, Zirkussen oder Käfigen von Restaurants. Jedes Gehege ist mit natürlichen oder angelegten Badebecken ausgestattet, ist sicher umzäunt und wird rund um die Uhr durch Videokameras überwacht.
Die Lage innerhalb eines naturbelassenen Mischwaldes sei für die Bären ideal, beteuerte Bärenretterin Cristina Lapis, die selber an der Medienorientierung in Bern anwesend war: „Die Bären werden nach neuesten Standards betreut, was sich in ihrem Verhalten, aber auch in der äusseren Erscheinung widerspiegelt. Ein erfahrener Tierarzt ist jederzeit verfügbar.“ Tierparkdirektor Bernd Schildger stimmt zu: „Die ,Cristina Lapis Foundation’, ihre Station und ihre Bärenhaltung haben uns auf der ganzen Linie überzeugt“.
Ende gut – alles gut
Nun werden Ursina und Berna also die längere Reise nach Rumänien antreten (müssen). Die ausgiebigen Bademöglichkeiten werden sie über den Verlust der durchfliessenden Aare im Bärenpark trösten, die Videoüberwachung sind sie in Bern – ähnlich den Fussballfans – bereits gewohnt. Die Betreiber der Bärenstation in Rumänien hoffen, dass sich ein Teil der bisherigen Publikumsgunst auf die Besucherzahlen am neuen Ort auswirken werden, man nimmt den jährlichen Unterstützungsbeitrag von 20'000 Franken freudig entgegen. Und Berns Stadtpräsident Alex Tschäppät drückte bereits seine Hoffnung aus, dass Ursinas und Bernas Eltern, Björk und Finn, die künftig wieder dasselbe Gehege teilen dürfen, sich bald zu neuem Nachwuchs finden… Wohlan.